Das monumentale und epochale Drama „Giganten“ ging nicht nur aufgrund seiner meisterhaften Ästhetik in die Geschichte ein. Sondern auch, weil es zur Abschiedsvorstellung des Schauspielrebellen James Dean wurde: Der Teenieschwarm verstarb 1955 bei einem Autounfall, als sich die ambitionierte Romanverfilmung noch in Produktion befand. Weiteren Ruhm erhielt „Giganten“, weil sich das TV-Phänomen „Dallas“ lose vom Klassiker inspirieren ließ – wobei sich die Edel-Seifenoper nicht im Geringsten mit der Strahlkraft des soghaften, scharf beobachteten Leinwandepos messen kann.
Nicht grundlos ist „Killers Of The Flower Moon“-Regiemeister Martin Scorsese glühender Verehrer und sah sich den Meilenstein über 40 Mal an! Falls ihr versuchen wollt, mit Scorsese mitzuhalten, oder neugierig geworden seid und euch erstmals an den Klassiker herantraut: „Giganten“ steht als VOD bei Amazon Prime Video zur Verfügung.
Übrigens: Derzeit ist „Giganten“ auf Prime Video ausschließlich in SD und HD verfügbar – es besteht dennoch die Möglichkeit, den Klassiker in ultrahochauflösender Qualität zu erleben. Denn das Epos ist als 4K-Blu-ray* erhältlich.
"Giganten": Überstürzte Liebe, Wetteifer und Missgunst
Maryland: Großgrundbesitzer Jordan „Bick“ Benedict (Rock Hudson) hat sein heimisches Texas lediglich in der Absicht verlassen, ein prächtiges Pferd zu erwerben. Jedoch lernt er auf dem Anwesen von Dr. Horace Lynnton (Paul Fix) zudem dessen Tochter kennen – die gebildete Gesellschaftsdame Leslie (Elizabeth Taylor), die ihm imponiert. Leslie ist zwar einem jungen Politiker versprochen, sieht im gutaussehenden Bick allerdings einen Pfad in ein erfüllteres Leben. Es kommt zur überstürzten Hochzeit, in deren Anschluss Leslie zu Bick zieht und sich zunächst wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlt:
Nicht nur, dass Texas so viel öder und staubiger ist als das saftig-grüne Maryland. Auch die lokalen Gepflogenheiten und das gesellschaftliche Klima unterscheiden sich drastisch, weshalb Leslie sogar Probleme hat, sich mit Bicks schroffer Schwester Luz (Mercedes McCambridge) anzufreunden. Leslie und Luz eint wiederum, dass sie einen guten Draht zum eigensinnigen Arbeiter Jett Rink (James Dean) haben, den Bick nicht ausstehen kann. Die Missgunst zwischen den Männern nimmt exorbitant zu, als Jett Land in Bicks Dunstkreis vererbt bekommt – ein winziges Stück Land, auf dem sich ein Ölvorkommen befindet...
Der Wilde Westen wird verdrängt...
„Giganten“ wird seinem Titel durch eine gigantische Laufzeit und kolossale Ambitionen gerecht: Regisseur George Stevens und die Drehbuchautoren Fred Guiol & Ivan Moffat erzählen auf Basis des gleichnamigen Edna-Ferber-Romans ein komplexes, vielschichtiges Drama über eine sich stetig wandelnde Familie und die Verlockungen, Fallstricke sowie Veränderungen der Gesellschaft, in der sie leben. Diese Umbrüche unterstreicht Stevens phänomenal: Anfangs rückt der „Ein Platz an der Sonne“-Regisseur derart nah an den lokalpatriotischen Texaner und altbackenen Viehfarmer Bick heran, dass man sich zu leicht in einem waschechten Western glauben kann.
Wenn sich durch Jetts Erdölfund neue Geschäftsmöglichkeiten auftun und die Außenwelt ins texanische Nirgendwo drängt, ereilt daher auch uns ein legitimer Kulturschock, sobald Erdöltanker und Luxusautos in immer höherer Taktung die staubig-sonnengegerbte Westernkino-Patina durchbrechen. Bis letztlich die irregulären Erinnerungen, dass „Giganten“ einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg beginnt, zur Dauerpräsenz werden und es der Moderne voller Vehemenz gelingt, die Relikte des alten Amerikas zu verdrängen. Jedenfalls auf audiovisueller Ebene.
Denn während sich Stevens und Kameramann William C. Mellor von Western-Ikonografie verabschieden, und vermehrt an anderen Genres wie prächtig ausstaffierten Gegenwartsdramen über Familienzwists bedienen, bleiben manche Dinge konstant: Geschäftsfelder mögen sich ändern, ebenso wie sich das Haus der Benedicts kontinuierlich an neue Sensibilitäten anpasst und Jett Rink immer neuen Vorbildern nacheifert. Allerdings dämmert mit fortschreitender Intensität, wie tief Missgunst, Abscheu und Ungerechtigkeit gesellschaftlich verwurzelt sind und verhindern, dass der Amerikanische Traum allen gleichermaßen zugänglich ist.
...lebt aber in verhärmten Herzen weiter!
Stevens, Guiol und Moffat legen den Finger schonungslos in klaffende Wunden wie Rassismus, Sexismus und selbstzerstörerische Zügellosigkeit. Diese kritischen Beobachtungen werden konstant mit dem Schicksal der Benedicts und ihres Umfelds verwoben: Der Sozialkommentar ist daher keine spröde Mahnung, sondern thematische Triebfeder in der fesselnden Narrative einer nahbaren Familienchronik sowie komplizierter, fesselnder Freund-Feind-Lieblingsfeind-Dynamiken.
Das, wofür die Figuren stehen, die gesellschaftlichen Aspekte, die sie prägen, und die Konflikte, in die sie sich verstricken: All dies ergibt eine in ihren Bann ziehende Einheit! Durch die beispiellose Besetzung und das begnadete Skript, das symbolhafte Figuren filigran mit individuellen Sympathiepunkten, Manierismen und Makeln versieht, wird das zentrale „Giganten“-Personal zu den Stellvertretenden einer Nation. Die enorme Laufzeit führt zugleich dazu, dass man sich beim Gefühl ertappt, eine halbe Lebenszeit mit den Figuren verbracht zu haben, da man sie letztlich so gut zu kennen glaubt wie enge Vertraute – mit ihren schönen Facetten und ihren Macken, die zur Weißglut treiben.
Der charakterliche Wandel, teils in Form von Wachstum, teils in Form von Zerfall, äußert sich ebenso wie die unbeirrbaren Seiten der Figuren zumeist in alltäglich anmutenden Momenten. Etwa, wenn Bick erst zaghaft, dann immer störrischer und verletzender versucht, seinem Sohn ein ungeliebtes Geschenk schmackhaft zu machen, auf dass er dem Jungen so seine Prioritäten aufbrummen kann. Viele Szenen benötigen aber keinen Dialog, sondern entfalten schon allein durch ihre eindringliche Bildkomposition eine bitter-poetische Tragweite:
Von der Abgeschiedenheit der Benedict-Ranch über Fußspuren im Schlamm, die quasi Erdöl bluten, bis zum gespenstischen Abschied von Jett und somit James Dean – „Giganten“ ist ein überwältigender, komplexer und fesselnder Film, der berührende fiktive Schicksale entwirft, um schmerzliche Wahrheiten in unvergesslichen Bildern auszudrücken. In genau diese Kerbe schlägt auch der folgende Heimkino-Tipp, der monumentale Bildgewalt, packende Figuren und immense Tragik vereint:
"Monumental" reicht bei diesem bildgewaltigen Meisterwerk nicht aus: Über 200 Minuten langes Epos jetzt neu im Heimkino*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.