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    FILMSTARTS-Meinung: Zu ungewohnt, zu unsicher, zu teuer - darum ist Screening Room zum Scheitern verurteilt

    Mit Screening Room will Napster-Gründer Sean Parker es den Zuschauern ermöglichen, aktuelle Blockbuster schon zum Kinostart zu Hause zu schauen. Aber diese Idee wird nicht funktionieren.

    Die Idee hört sich verlockend an: Statt den weiten Weg ins Kino auf sich zu nehmen, kann man die neuesten Blockbuster schon zum Kinostart ganz bequem auf der Couch im Wohnzimmer anschauen. Keine Anfahrt, keine langen Schlangen, keine nervigen Sitznachbarn, stattdessen schaut man den Film wann, wo und wie man will.

    Viele würden dem alleine schon entgegenhalten, dass Kino im Idealfall immer noch „diese sehr besondere, einzigartige, gemeinsame Erfahrung ist, bei der die Lichter ausgehen und man ein Erlebnis mit anderen teilt“, wie es James Cameron und sein Produktionspartner Jon Landau formulieren. Doch Screening Room ist vor allem aus Gründen zum Scheitern verurteilt, die gar nichts mit dieser romantischen Idee von Kino zu tun haben: Zum einen wegen des Widerstands der Studios und Kinobetreiber. Und zum anderen deswegen, weil es für Screening Room keinen Markt gibt.

    Mit einer speziellen Anti-Piraterie-Technologie will Sean Parker dafür sorgen, dass die Filme bei Screening Room nicht direkt auf illegalen Internetseiten landen. Es gibt zwar noch keine Details darüber, wie genau diese Technologie aussehen soll. Doch in Zeiten, in denen selbst Riesenkonzerne wie Sony Hackerattacken zum Opfer fallen, fällt es schwer zu glauben, dass Screening Room tatsächlich hundertprozentig gegen Hackingversuche gesichert sein soll. Im Endeffekt könnte Parker also dafür sorgen, dass Filme nur noch schneller kostenlos und illegal im Internet landen – und das ist genau das, was die großen Studios fürchten.

    Parker betont außerdem, dass er den Kinos keine Zuschauer abspenstig machen möchte, sondern neue Märkte erschließen will. Diese potenziellen neuen Zuschauer sind auch der Grund, warum sich Peter Jackson für Screening Room ausgesprochen hat. Aber hier widersprechen sich Parker und Jackson selbst: Wenn es ihnen nur um Zuschauer geht, die sowieso nicht ins Kino gehen würden, warum gibt es dann für jeden bei Screening Room geliehenen Film zwei Gratis-Kinotickets? Insbesondere wenn diese Tickets laut Variety nur für genau denselben Film gültig sind? Wer es zeitlich nicht ins Kino schafft, wird das auch mit Gratistickets nicht schaffen – und erst recht nicht in denselben Film. Der Versuch, die Kinobetreiber auf diesem Weg von Screening Room zu überzeugen, dürfte wohl fehlschlagen.

    Doch ein viel größeres Problem sind die Preise: 150 Dollar für den Receiver gehen in Ordnung, aber 50 Dollar pro Film – das ist schlichtweg viel zu teuer. Wenn man mit einer größeren Gruppe ins Kino geht, zahlt man zwar ähnlich viel. Aber neben dem Erlebnis Kino bekommt man dort auch ungleich bessere Bild- und Tonqualität. Selbst der tollste Beamer und die stärkste Heimkinoanlage kann eben nicht mit einer riesigen Leinwand samt mächtiger Lautsprecheranlage mithalten. Der psychologische Faktor ist nicht zu unterschätzen, denn so zahlt man zwar das gleiche, aber für eine wesentlich kleinere Leistung.

    Mit derart hohen Preisen vergrault man aber auch eine weitere mögliche Zielgruppe, nämlich die der Kinomuffel. Niemand wird als Einzelperson das fünf- bis zehnfache eines Kinotickets nur dafür bezahlen, einen Film ohne quatschende Sitznachbarn, Tritte gegen die Rückenlehne oder plötzliche Popcorn-Attacken zu sehen.

    Außerdem kauft ein Zuschauer für diese Gebühr von 50 Dollar den Film nicht etwa, sondern leiht ihn lediglich für 48 Stunden - und es ist nicht mal klar, für welche Qualität dieser Preis gilt. Nimmt man Onlinevideotheken wie Amazon Video & Co. als Maßstab, dann dürfte ein potenzieller Kunde für HD-Qualität oder die 3D-Version noch einmal extra draufzahlen. Zum Vergleich: Selbst die allergrößten Blockbuster kosten beim Erscheinungstermin auf 3D-Blu-ray nicht mehr als 30 Dollar. Zum Kauf wohlgemerkt.

    Man kann nun einwenden, dass sich Screening Room vornehmlich an Familien wendet, wo Bild- und Tonqualität nicht das wichtigste sind. Die Auswahl an Filmen ist aber sehr wohl wichtig. Zwar haben sich einige große Namen für Screening Room ausgesprochen und tatsächlich senden laut Variety auch einige Studios positive Signale. Aber eine ganz entscheidende Partei hat bisher keinerlei Interesse angemeldet, und zwar Disney. Damit fallen nicht nur Eigenproduktionen des Mäusestudios wie „Die Eiskönigin“ weg, sondern auch alle Pixar-, Marvel- und „Star Wars“-Filme. Keine guten Voraussetzungen für eine Online-Familienvideothek.

    Disney ist also nicht an Bord, weitere Studios könnten folgen, wenn Parker nicht ein wirklich umwerfendes Sicherheitskonzept vorlegt. Die Kinobetreiber sind sowieso wenig begeistert, noch dazu gibt es keinen Markt für Parkers Idee – kurzum: Es sieht schlecht aus für Screening Room.

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