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    Netflix-Action "Sweet Girl" mit Jason Momoa: Der Twist ist nicht clever, sondern unverdient
    Christoph Petersen
    Christoph Petersen
    -Chefredakteur
    Egal ob völlig abgedreht wie bei „Fast & Furious 9“ oder gnadenlos präzise wie bei „The Raid“ – Hauptsache bei der Action kein langweiliges Mittelmaß!

    Das am vergangenen Freitag erschienene Netflix Original „Sweet Girl“ setzt vor allem auf einen ganz zentralen Plot-Twist, der einen Großteil des zuvor Gesehenen auf den Kopf stellt. Aber die Wendung macht die Sache auch nicht besser, im Gegenteil!

    Netflix

    +++ Meinung + Spoiler +++

    M. Night Shyamalans Twist am Ende von „The Sixth Sense“ ist nicht deshalb so genial, weil einem die Luft wegbleibt, wenn man plötzlich versteht, dass der von Bruce Willis verkörperte Kinderpsychologe Malcolm Crowe schon längst tot ist – und Cole Sear (Haley Joel Osment) nur deshalb mit ihm interagieren konnte, weil der verstörte Junge bekanntlich „tote Menschen sehen kann“ …

    Der Twist am Ende von „The Sixth Sense” ist deshalb so genial, weil der Film auch beim zweiten Schauen noch (fast) genauso gut funktioniert wie beim ersten Mal. Die Atmosphäre ist einfach fantastisch – und wenn man weiß, dass Malcolm tot ist, entdeckt man plötzlich ganz viele kleine Details, die bereits auf die Wendung hindeuten, die man beim ersten Schauen aber noch übersehen hat.

    Und damit kommen wir nun auch schon zum Twist von „Sweet Girl“:

    Der Kampfsporttrainer Ray Cooper (Jason Momoa) begibt sich in „Sweet Girl“ gemeinsam mit seiner Teenagertochter Rachel (Isabela Merced) auf einen mörderischen Rachefeldzug gegen die Pharma-Bosse, die er für den Tod seiner an Krebs verstorbenen Ehefrau verantwortlich macht. Aber nachdem einige Anschläge bereits erfolgreich verlaufen sind und sich das FBI eng an die Fersen von Ray Cooper geheftet hat, stellt sich plötzlich heraus:

    Ray ist in Wahrheit schon seit zwei Jahren tot!

    Während nämlich das Publikum bei der Einblendung „24 Monate später“ automatisch davon ausging, dass sich Ray in diesem Zeitraum von einem zuvor erlittenen Messerstich erholt hat, ist er in Wirklichkeit seiner schweren Verwundung längst erlegen. Seine Tochter Rachel leidet seit dem Verlust beider Elternteile an einer gespaltenen Persönlichkeit und hat die Racheanschläge ganz allein begangen – immer unter der krankhaften Vorstellung, sie sei ihr eigener Vater.

    Keine cleveren Hinweise

    Es gibt dann auch sofort die übliche Montage, wie man sie etwa vom Twist aus „Fight Club“ kennt: Man sieht kurze Ausschnitte aus früheren Szenen einfach noch mal, aber nun mit Rachel als mordende Attentäterin. Nur haut man sich dabei nicht wie bei einem richtig guten Twist gegen die eigene Stirn und stöhnt: „Verdammt, warum bin ich da nicht selbst draufgekommen, die nötigen Hinweise waren doch alle da, ich hätte nur genauer hinsehen müssen!“

    Zwar wirken einige besonders merkwürdige Szenen wie das Telefonat von Rachel und der FBI-Agentin Sarah Meeker (Lex Scott Davis) mit dem Wissen um die Wendung nicht mehr ganz so absurd. Aber eine tatsächlich clevere Vorarbeit wurde nicht geleistet – Rachel stand halt beim ersten Durchgang die meiste Zeit über ohnehin einfach nur unbeteiligt daneben und hat selbst fast nichts getan. Da ist es natürlich leicht, einen solchen Twist aus dem Hut zu zaubern.

    Das ist nicht feministisch, das ist einfach Quatsch

    So besteht die einzige nachhaltige Wirkung des Twists darin, dass der ohnehin wenig glaubwürdige Film endgültig über die Klinge springt! Es gibt nämlich doch eine einzelne Szene, die offensichtlich nur dazu eingebaut wurde, den Twist vorzubereiten: In dieser vermöbelt die im Gym ihres Vaters trainierende Rachel einen voll durchtrainierten MMA-Kämpfer. Am Schluss müssen die Trainer sogar eingreifen, damit Rachel dem ausgeknockten Kontrahenten nicht ernsthafte Verletzungen beibringt.

    Mit dieser Szene soll erklärt werden, warum Rachel ihre Widersacher später genauso gnadenlos vermöbeln kann wie Jason Momoa. Aber selbst wenn es im ersten Moment vielleicht wie ein positives feministisches Statement anmutet, dass auch eine nicht sonderlich muskulöse Teenagerin ausgewachsene Fighter in die Schranken weisen kann, wirkt es einfach nur lächerlich, es dann tatsächlich auf dem TV-Schirm zu sehen.

    Das funktioniert vielleicht in einem selbstironischen Komödien-Spaß wie „Kevin – Allein zu Haus“, aber doch nicht in einem gradlinigen und betont humorlosen Actioner wie diesem. Und das ist wohl ohnehin das größte Problem von „Sweet Girl“: Der Film trägt seinen unsinnigen Plot mit einer regelrecht ermüdenden Ernsthaftigkeit vor. Nur leider kann man hier einfach wirklich gar nichts ernstnehmen...

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