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    FSK-18-Highlight bei Amazon Prime: Ein Marvel-Mastermind rechnet mit Superhelden ab – brutal, böse & genial
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Bereits vier Jahre vor seinem Marvel-Hit „Guardians Of The Galaxy“ und elf Jahre vor seinem DC-Ausflug „The Suicide Squad“ tobte sich James Gunn im Superheldengenre aus – und nie ging er härter zur Sache als hier...

    This Is That / Amazon Prime Video

    Bevor James Gunn mit den „Guardians Of The Galaxy“-Filmen das Marvel Cinematic Universe durchgewirbelt hat... Noch bevor James Gunn im DC-Universum mit „The Suicide Squad“ einem Haufen moralisch fragwürdiger Außenseiter ein Erfolgserlebnis bescherte und in „Peacemaker“ auf blutig-albern-herzliche Weise den Gedanken hinterfragte, selbst das Recht in die Hand zu nehmen... Vor all dem war „Super – Shut Up, Crime!“.

    Die pechschwarze Low-Budget-Komödie zeigt James Gunn von seiner brutalsten Seite (die FSK-Freigabe ab 18 Jahren hat ihre Gründe). Und sie rechnet konsequent mit der Vorstellung des Superheldentums ab. Der Film ging im Vergleich zum thematisch ähnlichen „Kick-Ass“ zwar unter, allerdings lohnt es sich angesichts Gunns Karriereverlauf enorm, auf ihn zurückzublicken. Wer sich „Super“ endlich (wieder) anschauen möchte, findet die dramatisch-derbe Superhelden-Abrechnung derzeit unter anderem bei Amazon Prime Video.

    » "Super" bei Amazon Prime Video*

    Das ist "Super"

    Der harmlose, etwas neben der Spur stehende Frank Darbo (Rainn Wilson) verliert seine geliebte Frau Sarah (Liv Tyler) an den Stripclub-Besitzer und Ganoven Jacques (Kevin Bacon). Frank stürzt in eine Depression und hat eines Tages eine Vision, dass eine Figur aus dem christlichen TV-Programm (Nathan Fillion) zu ihm spricht und ihn ermuntert, zu einem Superhelden zu werden.

    Also kreiert Frank sein Alter Ego „Der Blutrote Blitz“. Unter diesem Namen wird er zum maskierten Rächer, der unhöfliche Menschen, Drogendealer und Kinderschänder brutal verprügelt. Während die Medien den Blutroten Blitz als Psychopathen zeichnen, will Comicfan Libby (Elliot Page) zu seinem Sidekick Boltie werden – und ihm auch in anderen Situationen zur Hand gehen...

    James Gunn, Pre-Marvel

    Ehe es ihn in den Mainstream zog, wilderte Autor und Regisseur James Gunn in wesentlich schrägeren, betont geschmacklosen Gefilden: Seine Anfänge hatte er bei der auf Schockhumor und Horror-Trash spezialisierten Produktionsfirma Troma, danach verantwortete er die augenzwinkernd-abgeschmackte B-Horror/Sci-Fi-Hommage „Slither“. Genau diese Ursprünge sind „Super“ konstant anzumerken – bevor Gunn echte Comicadaptionen machte, haute er also erst einmal eine derbe Dekonstruktion des Superheldengenres raus...

    Frank Darbo ist kein dunkler Ritter, er ist nicht einmal ein Raubritter mit dem Herzen am rechten Fleck. Er ist ein Ritter von der traurigen Gestalt, ein Jammerlappen, der die Polizei einschalten will, weil seine Frau ihn verlassen hat. Er erschafft sein Alter Ego weniger, um Gerechtigkeit zu erzielen, sondern primär, um endlich Macht zu haben. Als Blutroter Blitz wird er daher prompt zu einem keinerlei Nuance kennenden Aggressor, der jemandem mit einer Rohrzange den Schädel einschlägt, weil er sich in einer Warteschlange vordrängelt.

    Super - Shut Up, Crime!

    Schon „Kick-Ass“ handelt davon, dass das Justizverständnis aus Comics nichts im echten Leben zu suchen hat, doch „Super“ ist der deprimierte, sich widerlich aufführende Bruder von „Kick-Ass“: Frank ist genauso ungelenk wie unnötig brutal. Er hat Visionen von unförmigen Dämonen und pornografisch angehauchtem Tentakelhorror. Und das Bibelfernsehen, von dem er sich inspirieren lässt, bekommt von James Gunn einen Look verpasst, der eher an Pornoparodien erinnert (an denen sich Gunn vor seinem Mainstream-Durchbruch in einer Webserie auch schon abarbeitete).

    Dank Rainn Wilsons komödiantischem Timing, einer aufgedrehten Performance von Elliot Page als Nervenkitzel-Junkie ohne Moralkompass und James Gunns Können, ständig zu derb-komischem Effekt den Tonfall zu wechseln, ist „Super“ ein echt fieser Spaß: Mal absurd, mal unfassbar gemein, dann einfach nur albern, dann pointiert-unappetitlich, schlägt sich „Super“ durch das traurige Dasein eines Mannes, der lieber emotionalen Halt suchen sollte, statt Rache. Wie könnte man maskierte Rächer besser entzaubern?

    James Gunns Grundsteinlegung

    Doch „Super“ ist mehr als eine derbe, brutale Superheldendekonstruktion. Denn unter der garstigen Oberfläche dieses Films pocht ein sensibles Herz – inklusive unbändiger Liebe für die so bitterbös kommentierten Comicgeschichten: Zwar kommt Gunn in „Super“ zum Entschluss, dass Comics Fiktion bleiben sollten. Jedoch zeigt er auch, dass das Erschaffen und Bewundern von Sprechblasengeschichten eine beruhigende, wenn nicht sogar therapeutische Wirkung haben kann.

    Das ist nun, zwölf Jahre nach der „Super“-Weltpremiere, noch berührender als damals: Gunn bezeichnet seine eigene Kindheit als extrem schwierig und erklärt seine Troma-Jahre als frühen Versuch, mittels Ekel, Schock und Terror einen Schutzpanzer aufzubauen. Mit den ersten beiden „Guardians Of The Galaxy“-Filmen, über eine Gruppe zutiefst verletzter Ausgestoßener, die sich für harte Hunde halten, ehe sie ihren sanften Kern entdecken, näherte sich Gunn wieder seiner eigenen sensiblen Seite. Doch dann kam es bekanntlich zum medial groß thematisierten (mittlerweile wieder gekitteten) Bruch zwischen ihm und Marvel.

    Gunn wurden Witze aus seiner Schockhumor-Ära zur Last gelegt und ranghohe Entscheidungsträger des Disney-Konzerns erzwangen eine (wieder revidierte) Kündigung Gunns. Der Regisseur und Autor stürzte in eine Krise, aus der er sich durch den DC-Film „The Suicide Squad“ kämpfen konnte – der passenderweise davon handelt, dass Schurkinnen und Schurken beweisen, dass sie sich bessern können. Damit rückte Gunn gleichzeitig zumindest auf einer Ebene an seine „Super“-Hauptfigur heran, die lernt, ihre enormen Selbstzweifel mit Comicgeschichten zu überkommen.

    Marvel & DC vereint: Für "Guardians Of The Galaxy 3" & "Peacemaker" haben die Comic-Riesen zusammengearbeitet

    Aber „Super“ ist auch ohne diese Hintergrundgeschichte als Vorläufer späterer Gunn-Regiearbeiten zu erkennen. So ist der Vorspann eine große, animierte Tanzparty – in den bisherigen „Guardians Of The Galaxy“-Filmen und „Peacemaker“ sehen wir ebenfalls Figuren durch den Vorspann tanzen. Die pointierten Gewaltausbrüche sollten in „The Suicide Squad“ zurückkehren, in den „Guardians Of The Galaxy“-Filmen wiederum wiederholt sich, dass der von Chris Pratt gespielte Star-Lord ähnlich wie Frank Darbo in großkotziges Verhalten flüchtet, um über seine Verletzbarkeit hinwegzutäuschen.

    „Super“ lässt zwar die kräftigen Farbwelten von Gunns späteren Filmen vermissen und ist aufgrund seines niedrigen Budgets inszenatorisch deutlich ungeschliffener als seine Marvel- und DC-Arbeiten. Dennoch ist „Super“ nicht nur ein herrlich-fieser Superheldenspaß, sondern ein ungefilterter Blick in den Verstand eines Marvel- und DC-Genies, der mit wachsendem zeitlichen Abstand immer faszinierender wird.

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