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    Gremlins - Kleine Monster
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Gremlins - Kleine Monster
    Von Andreas Staben

    Die Überlieferung von Geschichten über Fabelwesen und übernatürliche Phänomene regt die kollektive Phantasie an. Jede Kultur hat dabei ihre eigenen Mythen und Legenden, in denen sich elementare Sehnsüchte und Ängste gleichermaßen spiegeln können. So haben im Zweiten Weltkrieg die Bomberpiloten der britischen Royal Air Force technische Probleme mit ihren Maschinen gern der Sabotage durch kleine Gremlins zugeschrieben. Sehr schnell haben die koboldartigen Plagegeister dann auch Eingang in die Filmgeschichte gefunden: In dem Cartoon „Falling Hare“ von 1943 setzen sie dem Fliegerass Bugs Bunny zu. Heute sind sie als die kleinen Monster aus Joe Dantes 1984 entstandener Horror-Komödie „Gremlins“ allgemein bekannt. Als eine der ersten Produktionen von Steven Spielbergs neu gegründeter Firma Amblin sollte der Film das dunkle Gegenstück zu E.T. sein. Diese Rechnung ging bei dem auch heute noch vergnüglichen Spektakel nicht nur an den Kinokassen auf.

    Der wenig erfolgreiche Erfinder Rand Peltzer (Hoyt Axton) erwirbt in einem Ramschladen in Chinatown ein niedliches kleines Pelztier als Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn Billy (Zach Galligan, Momentum). Im Umgang mit dem Mogwai sind allerdings drei Regeln unbedingt zu beachten: Er darf auf keinen Fall hellem Licht ausgesetzt werden, niemals mit Wasser in Berührung kommen und unter keinen Umständen nach Mitternacht gefüttert werden. Das Gizmo getaufte Wesen erweist sich als freundliches Kerlchen, aber als er versehentlich doch einmal nass wird, führt das zu seiner Vermehrung. Die fünf neuen Kobolde sind weniger verträglich und erweisen sich als rücksichtslose Rabauken mit unstillbarem Hunger. Wie eine Plage suchen sie die Kleinstadt Kingston Falls ausgerechnet am Weihnachtsabend heim und zerlegen sie in ihre Einzelteile.

    Nach dem bis dahin beispiellosen Erfolg seines Außerirdischen-Märchens „E.T.“ konnte Steven Spielberg so ziemlich tun oder lassen, was er wollte. Und so gründete er mit seinen alten Weggefährten Frank Marshall und Kathleen Kennedy (Der seltsame Fall des Benjamin Button) eine Produktionsfirma, die in Reminiszenz an einen frühen Kurzfilm Spielbergs den Namen Amblin erhielt. Hier sollten junge Regisseure die Möglichkeit haben, mit großen Mitteln für ein großes Publikum zu arbeiten. Mitte der Achtziger hatte Amblin dann schon vier Hitfilme auf dem Konto: neben „Gremlins“ das Kinderabenteuer „Die Goonies“ von Richard Donner, die Zeitreisekomödie Zurück in die Zukunft von Robert Zemeckis und „Das Geheimnis des verborgenen Tempels“, Barry Levinsons Schilderung der Erlebnisse des jungen Sherlock Holmes.

    Bei „Gremlins“ wurde das ursprüngliche Drehbuch von Amblin-Stammautor Chris Columbus, der später selber zum Regiestar (Kevin – Allein zu Haus, Harry Potter) aufstieg, in einem ausführlichen Umschreibeprozess von Autor, Regisseur und Produzent gemeinsam in die endgültige Form gebracht. So finden sich die Vorlieben aller drei in „Gremlins“, aber Joe Dante hat ihn sicher am nachhaltigsten geprägt. Der Regisseur wurde wegen seiner anarchischen Ader von einem Kritiker als Steven Spielbergs böser Bruder bezeichnet und mehr als eine Kritik zu seinen Filmen trägt den naheliegenden Titel „Dantes Inferno“. Die heile Welt der Vor- und Kleinstädte erweist sich bei ihm tatsächlich als Hölle, sei es in „Meine teuflischen Nachbarn“, in „Small Soldiers“, bei seinem Segment des „Twilight Zone“-Kinofilms oder eben bei den „Gremlins“. Dazu verweist er häufig auf die liebste Freizeitbeschäftigung der Vorstadtbewohner und setzt ständig laufende Fernseher kommentierend ein. So begleitet etwa ein Ausschnitt aus Don Siegels „Die Dämonischen“ den Verwandlungsprozess der Gremlins.

    „Gremlins“ ist gespickt mit Verweisen, Hommagen und Selbstreflexion, die meisten dieser Bezüge sind für Dante und für Spielberg wichtig. Immer wieder wird auf „E.T.“ angespielt – von der berühmten Zeile „Phone Home“ bis zum Versteck von Stripes, dem bösen Obergremlin, im Puppenregal neben einer Figur des Gnoms aus dem All. Während es Zufall sein könnte, dass der Gesang Gizmos wie die „Chipmunks“ klingt, ist der Verweis auf die Verständigung per musikalischer Tonfolge in Unheimliche Begegnung der dritten Art an anderer Stelle klare Absicht. Ein Höhepunkt ist die Sequenz, in der die Kobolde ihr zerstörerisches Treiben unterbrechen, um im Kino Disneys „Schneewittchen“ zu schauen. Begeistert singen sie beim Lied der Zwerge mit, aber das Filmtheater geht am Ende trotzdem in die Luft.

    Die wichtigste Referenz in „Gremlins“ ist der Weihnachtsklassiker Ist das Leben nicht schön?. In Joe Dantes Kingston Falls werden ebenso wie in Frank Capras Bedford Falls wohlbescholtene Menschen von der Gier herzloser Reicher in ihrer Existenz bedroht. Die geldgeile Mrs. Deagle (Polly Hollyday, Die Unbestechlichen), die sogar ihren Katzen Namen wie „Dollar Bill“ gegeben hat, wird zwar ihrer gerechten Strafe zugeführt, aber Dante bemüht sich trotzdem nicht darum, die Weihnachtsidylle wiederherzustellen. Vielmehr lässt er Santa Claus auf bizarre Weise verrecken. Die Haltung zum vermeintlichen Fest der Liebe fasst Kate (Phoebe Cates, „Ich glaub, ich steh' im Wald“) zusammen, die zu bedenken gibt, dass an Weihnachten nicht nur Geschenke geöffnet werden, sondern auch Pulsadern. Dante verweigert sich den narrativen Konventionen auch, indem er seinen Figuren keine besondere Tiefe oder Glaubwürdigkeit zugesteht. Insbesondere Billy ist nicht mehr als ein Abziehbild (die weder jugendlichen noch erwachsenen Protagonisten sind im übrigen nie im richtigen Alter für ihre Rollen). Trotz aller Sabotage wird in „Gremlins“ ein ausreichend tragfestes erzählerisches Gerüst errichtet, dieses bringt der Regisseur erst 1990 in der Fortsetzung „Gremlins II – Die Rückkehr der kleinen Monster“ zum Einsturz.

    Dante huldigt mit vielen visuellen Gags und Überspitzungen auch seiner ersten filmischen Liebe, dem Zeichentrick, der er sich später im lustvoll überdrehten Looney Tunes: Back In Action ganz unverblümt widmen konnte. Trotz des insgesamt leichten, oft fast satirischen Tons von „Gremlins“ lässt Dante gelegentlich der bösen Fantasie mit cartoonesker Überspitzung freien Lauf: Da werden auch mal Gremlins durch den Mixer gejagt oder in der Mikrowelle gegrillt. Was bei „Tom & Jerry“ akzeptabel zu sein scheint, wird hier zur Provokation. Auch das fiese Design der bösen Kobolde von Chris Walas (Die Fliege), das im köstlichen Gegensatz zum niedlichem Gizmo steht, ist für Kinder zu furchteinflößend: Gemeinsam mit Indiana Jones und der Tempel des Todes ist „Gremlins“ dann auch für die Einführung der amerikanischen Freigabestufe PG-13 zur Altersdifferenzierung verantwortlich.

    Er mache das Unlogische logisch, mit diesem Spruch preist Rand Peltzer seine Erfindungen an, und obwohl seine abstrusen Küchengeräte und sein selbstreinigender Aschenbecher eher halbgar realisierte Hirngespinste sind, kann sein Motto als heimliches Credo des Regisseurs Joe Dante verstanden werden. Er verschreibt sich in seinen Filmen der Auflösung jeglicher Ordnung und frönt der Lust am Regelbruch. Er steht damit im Gegensatz zu den affirmativen Märchen seines Produzenten Steven Spielberg. Beim einfallsreich inszenierten „Gremlins“ erfolgt der direkte Zusammenstoß dieser beiden erzählerischen Programme zum Gewinn der Zuschauer.

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