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    Homies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Homies
    Von Jan Görner

    „Fremd im eigenen Land" rappten 1992 die deutschen HipHop-Pioniere von Advanced Chemistry und verliehen damit einer ganzen Generation von Einwandererkindern eine Stimme. Inzwischen hat sich die provokante Gegenkultur immer weiter zur Problemkiez-Folklore gewandelt und neue Akteure haben die Bühne betreten. Ein solcher ist auch der wohlbehütete Marvin, gespielt von Jimi Blue Ochsenknecht. Glaubt man Regisseur Adnan Köse („Lauf um dein Leben"), so zieht es inzwischen auch schon den Nachwuchs der Oberschicht in die Armutsviertel, um dort einem authentischeren Leben zu frönen. Von marginalisierten Migranten hin zum aufmüpfigen Bürgerspross – das ist natürlich blanker Unfug. Und dann wäre da ja auch noch Jimi Blue Ochsenknecht, der gerne ein paar Platten verkaufen würde.

    Marvin (Jimi Blue Ochsenknecht) hat die Nase gestrichen voll vom behüteten Leben unter den Schönen und Reichen. Der unzufriedene Jugendliche möchte viel lieber Rapper werden, anstatt ins Immobiliengeschäft seiner Mutter einzusteigen. Während einer Hausbesichtigung erscheint ihm sein HipHip-Idol D.W. Court (Günther Kaufmann) in einer Vision und lotst ihn kurzerhand zu einer einsamen Landstraße, um ihm dort noch einmal seines Traumes zu versichern. Marvin ist natürlich völlig perplex und läuft schnurstracks vor das Auto des Pizza-Unternehmers Osman (İsmail Deniz), der den verwirrten Jugendlichen fortan unter seine Fittiche nimmt. In Osmans „Pizza Station" lernt der Möchtegern-Rapper den gutmütigen Kemal (Ali Murtaza) und die schöne Tänzerin Stella (Sabrina Wilstermann) kennen, auf die allerdings auch Osman ein Auge geworfen hat. Bald kann Marvin auch seine edle Herkunft nicht mehr verbergen und sein Traum droht zu platzen...

    Rapper oder Schauspieler? Beides, denn Jimi Blue Ochsenknecht („Gangs") fährt zweigleisig! Nachdem jedoch der Nachfolger seines musikalischen Debüts „Mission Blue" hinter den (Verkaufs)Erwartungen zurückblieb, stürzte sich der Mädchenschwarm wieder verstärkt auf die Schauspielerei. Die Liebe zur Musik hat der Spross von Uwe Ochsenknecht natürlich in der Zwischenzeit nicht abgelegt. Was wäre also schelmischer, als die eigene Musik im Filmformat unters Volk zu bringen? „Homies" ist im Grunde genau das: Ein durchkalkuliertes Ochsenknecht-Vehikel, das sich schamlos bei Musical-Formaten wie „Center Stage" und „West Side Story" bedient und sich dabei mehr schlecht als recht als Milieu-Studie ausgibt.

    Mit einem sensiblen Jugendfilm vom Schlage eines „Der Himmel hat vier Ecken" hat Köses Machwerk jedenfalls rein gar nichts zu tun. Auf gesellschaftspolitisch virulente Themen wie die wachsende Jugendarmut antwortet der Regisseur geradezu zynisch, dass es Heranwachsende aus gutem Hause eben auch nicht leicht haben. Das Märchen vom sozialen Aufstieg wird durch den Wunsch nach sozialem Abstieg abgelöst, denn nichts ist authentischer als das echte Leben in armen Verhältnissen - ein Schelm, wer da in Zeiten postmoderner Auf- und Abgeklärtheit keinen parodistischen Unterton wittert! Aber nichts da, denn Köse scheint das tatsächlich alles ernst zu meinen.

    „Stimmt, ich bin von hier, aber im Gegensatz zu euch schaff ich's von hier weg"- Marvin über seinen Nobelvorort

    Pflichtbewusst arbeitet Köse alle Elemente einer klassischen Milieu-Studie ab, ohne auch nur einmal weiter darüber zu reflektieren. Problematisiert wird die permanente Polemik über „Brüder" und „Stolz" nie, stattdessen untermauert der Regisseur die zig-fachen Ressentiments noch mit Macho-Gesten und verkitschten Liebesschwüren. Vom einst zornigen Gestus des Rappers ist in „Homies" nicht mehr viel zu spüren, vielmehr dient die Ghetto-Farce als Steinbruch für ausgediente Abziehbilder. Sinnbildlich dafür ist, dass die Handlung gar nicht erst weiter verortet wird – gerappt wird eben im „Viertel"! Aber für ein bisschen Jimi-Blue-Promo reichen die austauschbaren Kulissen eben allemal.

    „Das Leben auf der Straße, wo es grau istDu im Bau sitzt wegen dem BlaulichKeine Aussicht und es dich auffrisst"- Gereimte Lebensweisheiten von D.W. Court

    Formal springt der Film immer wieder willkürlich zwischen den Genres: Von der Jugendkomödie ist es nicht weit zur Teenie-Romanze, die von Musical-Parts abgelöst wird, um dann wieder durch Drama-Elemente jäh unterbrochen zu werden. Die Darsteller scheinen mitunter etwas ratlos ob dieses bunten Kaleidoskops aus Versatzstücken – ihre Teilnahmslosigkeit spricht jedenfalls Bände. Wenigstens von Aushängeschild Ochsenknecht hätte man doch erwarten können, mit etwas mehr Elan bei der Sache zu sein, schließlich ist es seine Musik, die hier verkauft werden soll.

    Fazit: „Homies" wäre ein klassischer Fall für die Kategorie „unfreiwillig komisch", würde Regisseur Adnan Köse nicht permanent mit Ressentiments um sich werfen. So bleibt nur eines zu sagen: Finger weg von diesem Machwerk!

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