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    Rache - Vergeltung hat ihren Preis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Rache - Vergeltung hat ihren Preis
    Von Andreas R. Becker

    Nun soll man ja nicht immer vom Äußeren auf die inneren Werte schließen. Trotzdem wird selbst ein Plakat oder ein Cover, ob es nun will oder nicht, seinem Betrachter etwas sagen. Im Falle von „Rache“ scheint es zu sagen: „Boom, Baby! Ich bin frisch, ich bin Action. Mein Thema ist nicht neu, okay. Aber das hat schon vorher nicht geschadet und ich zeig es Euch einfach irgendwie anders und neu und atemlos. Den Hauptteil übernimmt mein alter Kollege Til, der sich seinen Weg durchballert, bis die Schwarte kracht und der Rächer genug Rache für die zu Rächenden geübt hat. Ach ja, und das sieht alles auch in einer paradoxen Hochglanz-Ästhetik des Drecks auch noch richtig geil aus.“

    Nun ja, es sieht gut aus. Sehr gut sogar. Das ist dann aber auch schon quasi die einzige der impliziten Versprechungen, die der selbsternannte Thriller halten kann. Von Regisseur Joe Otting war bis jetzt eher wenig zu sehen, was eigentlich nicht schlimm ist, sich mit diesem Film aber auch erst mal nicht großartig ändern wird. Warum? Statt Action ist meist eher Langeweile angesagt. Das Thema ist natürlich hinlänglich durchgekaut, aber leider nicht, wie anderswo schon geschehen, noch einmal intelligent angefasst worden. Und Til Schweiger (Keinohrhasen, Wo ist Fred?, Der Bodyguard) ballert eigentlich kaum, als Hauptdarsteller schon gar nicht und gerächt wird tendenziell auch eher sparsam. Und die Dialog? Au, au, au…

    Aber von vorn. Was passiert? Thomas Archer (Ron Eldard) lebt ein – zumindest nach den durchschnittlichen Maßstäben westlicher Industrienationen – Traumleben. Schöne Frau, süßes Kind, schickes Haus, toller Job, großer Erfolg. Die Stiefzwillinge des Erfolges sind aber Herr Neid und Frau Missgunst, wie Ulrich Erckenbrecht einmal formulierte, und so vergeht nicht viel Zeit, bis die Zwillis den schicken Vorstadtpalast in einen Scherbenhaufen voller Leichen und Verstörter verwandeln (hier: Kind tot, Babysitterin tot, Ehefrau verstört, Ehemann verstört). Die Polizei muss aufgrund personeller Einbußen die erfolglosen Ermittlungen schon bald einstellen, so dass der Gepeinigte von Vater Staat mit seinem Elend allein gelassen wird und eine – erfolglose, versteht sich – Therapie über sich ergehen lässt. Der Psychologe Dr. Heller (gespielt vom altgedienten Christopher Plummer, The New World, Syriana) hat allerdings eine etwas unorthodoxe Heilmethode in petto, wenn alle anderen Stricke reißen.

    Bis der Zuschauer erfährt, was es damit auf sich hat, vergeht aber einige Zeit, denn „Rache“ wird zunächst nicht durchgehend chronologisch, sondern in einer zeitlichen Versetzung zwischen Gegenwart und Vergangenheit erzählt. Das funktioniert, auch dank einer oftmals gelungenen Montage, auf rein ästhetischer Ebene sehr gut und erzeugt eine anfängliche Spannung. Da aber ohne viel Phantasie zu ahnen ist, wohin der Hase wohl laufen wird, fällt der dramaturgische Effekt schnell wieder unter den wohnzimmerlichen Couchtisch (als Direct-To-DVD-Release hat „Rache“ nie eine Kinoleinwand gesehen). Ohne konkrete Gründe erkennen zu können, sieht man den Protagonisten recht unvermittelt und mit ungeahnter (und unnötig übertrieben dargestellter) Härte auf den vermeintlichen, an einen Stuhl gefesselten Mörder seines Sohnes einschlagen. Als aber Zweifel aufkeimen, die die Identität des Namenlosen (gespielt von Til Schweiger) betreffen, wendet sich das Blatt überraschend, Täter (?) und Opfer (?) werden zwangsvereint, um sich den Weg aus einem verlassenen Industriegebäude freizuknallen. Letzteres ist, wie auch alle anderen Schauplätze des Films, von Kameramann Eric Trageser äußerst sehenswert eingefangen worden, Licht und Ausstattung tun ihr übriges. Sie erfüllen aber auch als einzige im Team ihren Job so gut, dass „Rache“ nicht eine vollständige Bruchlandung hinlegt.

    Nachdem die anfänglichen narrativen Rätsel gelöst sind, die Parallelmontage weitgehend an Präsenz und Zweck verliert, wird „Rache“ vor allem eins: langweilig. Dialoge von der Stange vom Typ „You’ve got the wrong man“ kommen hier mehr deplaziert als cool rüber. Damit auch der letzte Depp die Handlung nachvollziehen kann, werden schließlich noch die wenigen „überraschenden“ Zusammenhänge im schulmeisterischen Rückblenden-Stil zu Tode erklärt. Die Charaktere bleiben bis zum Schluss allesamt weitgehend uninteressant und glänzen auch nicht unbedingt mit atemberaubender Performance. Til Schweigers Rolle als „The Man“, die offensichtlich als geheimnisumwoben angelegt worden ist, hinterlässt eher Achselzucken als Neugierde auf seine Identität. Außerdem ist seine überdeutliche Präsenz auf dem Cover der DVD offensichtlich ein marketingtechnischer Schachzug für den deutschen Markt. Der kann aber im Film weder qualitativ noch quantitativ halten, was er verspricht. Ron Eldard in der Hauptrolle wirkt auch blass, da hat er in Das Haus aus Sand und Nebel schon ganz andere Eindrücke hinterlassen (sicher nicht zuletzt auch dank einer wesentlich gelungeneren Gesamtkomposition).

    Weil auf erzählerischer Ebene eine glatte Null, kann „Rache“ auch mit seiner schicken Optik weder einen Blumentopf noch die dauerhafte Aufmerksamkeit des Zuschauers gewinnen. Hätte vielleicht ein schönes Computerspiel werden können, denkt man, angesichts des eindringlichen Industriedreck-Szenarios. Vielleicht aber auch nicht, drängt sich auf, sobald einem Spiele wie Max Payne in den Sinn kommen, die in Hinsicht auf Komplexität der Handlung, Spannung und Unvorhersehbarkeit dieser filmischen Flachpfeifenproduktion um Längen voraus sind.

    Dass Themen wie Gerechtigkeit und Selbstjustiz schon an unzähliger anderer Stelle mit weniger unreflektierter Propaganda-Logik, inspirierter und unterhaltsamer verfilmt worden sind, bedarf da kaum einer weiteren Erwähnung. Schade also eigentlich nur, dass sich Til Schweiger, der nach einigen peinlichen Ausrutschern in Hollywood mit seinen wunderbar leichtfüßigen Regie-Erfolgen der jüngsten Vergangenheit im Deutschen Film wieder fest verankert zu sein schien, nun doch wieder für eine zweitklassige Produktion mit fragwürdiger Moral hergegeben hat. Ob man sich deswegen Sorgen machen muss, weil’s am Geld ja eigentlich nicht gelegen haben kann, ist aber eine andere Baustelle.

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