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    The Strangers: Opfernacht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Strangers: Opfernacht
    Von Christoph Petersen

    Nachdem sein nur neun Millionen Dollar teures Debüt „The Strangers“ 2008 an den Kinokassen mehr als 80 Millionen eingespielt hatte, machte sich Autor und Regisseur Bryan Bertino sofort daran, eine Fortsetzung zu seinem markerschütternden Home-Invasion-Thriller mit „Herr der Ringe“-Star Liv Tyler und „Underworld“-Werwolf Scott Speedman zu schreiben. Aber dann wurde das Sequel fast ein Jahrzehnt lang immer wieder abgesagt und neu angekündigt, bis schließlich niemand mehr so recht an eine Umsetzung glaubte – und wie so oft war genau das der Zeitpunkt, wo mit dem Hinzustoßen des neuen Regisseurs Johannes Roberts („The Other Side Of The Door“, „47 Meters Down“) endlich der nötige Schwung in das Projekt kam.

    Aber die Skepsis blieb natürlich. Ist eine Fortsetzung zehn Jahre nach dem Original überhaupt noch sinnvoll? Nun ja, sagen wir es mal so: Der in der Zwischenzeit aus dem Sequel ausgestiegene Bryan Bertino hat damals bei „The Strangers“ drei Dinge besonders gut gemacht: die Exposition mit dem Ehestreit auf der Heimfahrt, der die Protagonisten zwar nicht sympathisch macht, aber für eine spannende Dynamik sorgt; die erbarmungslos gut platzierten Jump Scares, von denen ich einige noch heute erinnere, obwohl ich den Film seit damals nicht wiedergesehen habe; und das nihilistische Zelebrieren der Sinnlosigkeit der Tat, wenn etwa einer der Täter die (nicht vorhandene) Motivation der Strangers in wenigen Worten zusammenfasst, die am Ende sogar als Tagline auf dem Kinoplakat gelandet sind: „Weil ihr zu Hause wart.“ „The Strangers 2: Opfernacht“ kriegt nun zumindest zwei dieser drei Dinge ähnlich gut hin.

    Nachdem sie das vergangene Jahr über immer wieder für Probleme gesorgt hat, mussten sich Cindy (Christina Hendricks) und Mike (Martin Henderson) schweren Herzens dazu entschließen, ihre Punkfan-Tochter Kinsey (Bailee Madison) in einem Internat unterzubringen. Weil die Fahrt dorthin ein ganzes Wochenende dauert, plant die Familie, zu der auch noch Kinseys älterer und weniger rebellischer Bruder Luke (Lewis Pullman) gehört, einen Zwischenstopp bei einem Onkel, der einen Trailerpark im Nirgendwo betreibt. Wo Familien im Sommer ihren Urlaub verbringen, verirrt sich in dieser Jahreszeit allerdings kein Tourist hin. Als die Familie nach einigen Verzögerungen erst mitten in der Nacht eintrifft, liegt auf dem Tresen lediglich ein Zettel für sie bereit: Sie sollen es sich in ihrem Trailer gemütlich machen und man sähe sich dann am nächsten Morgen. Aber während es Cindy offenbar gar nicht auffällt, dass die Notiz in kindlicher Krakelschrift geschrieben und mit einem auffälligen Smiley verziert ist, wissen Kenner des ersten „The Strangers“-Films es natürlich besser…

    Wie im Original lässt sich nun auch Johannes Roberts viel Zeit für eine Exposition, bei der es nicht in erster Linie darum geht, dass uns die Protagonisten ans Herz wachsen, sondern eher darum, eine spannende Dynamik zu etablieren, die sich dann später während der Terrorszenen möglichst auszahlt. Das tut sie diesmal aber nicht: Die Spannungen zwischen Mutter und Tochter stammen aus dem Klischeehandbuch – und Bailee Madison nimmt man die jugendliche Rebellin ja nicht automatisch ab, nur weil sie schwarzen Nagellack und ein Ramones-T-Shirt trägt. Statt wie eine angehende Straftäterin wirkt sie eher wie ein angehender Hipster. Auch die durchaus überraschende Todesreihenfolge (eigentlich ein großes Plus) trägt ihren Teil dazu bei, dass die mehr als halbstündige Exposition im Rückblick nicht gerechtfertigt erscheint.

    Aber selbst wenn sich diese Vorarbeit letztendlich nicht auszahlt, ist „The Strangers 2“ für Horrorfans trotzdem unbedingt sehenswert, sobald Dollface (Emma Bellomy) erst einmal mit Nachdruck an der Tür klopft. Der Film spielt zwar in der Jetztzeit, aber abgesehen von einigen schnell aus dem Weg geräumten Mobiltelefonen deutet sonst eigentlich alles auf einen im besten Sinne klassischen Achtzigerjahre-Slasher hin – von den reichlich eingesetzten Nebelmaschinen (John Carpenter lässt grüßen) über den Synthie-Score bis hin zu den die Terrormomente konterkarierenden Popsongs wie Kim Wildes „Kids In America“ oder Bonnie Tylers „Total Eclipse Of The Heart“: Sowieso hält der Trailerpark mit seinem eingenebelten Kinderspielplatz und einem mit pervers-kitschiger Neonbeleuchtung „verzierten“ Pool einige echt atmosphärische Old-School-Schauplätze bereit.

    Trotz einiger offensichtlicher Filmzitate (etwa eine Autoschlüsselszene direkt aus „Scream“ oder eine namentliche Anspielung auf Stephen Kings „Die Kinder des Zorns“) gibt es in „The Strangers 2“ – wie auch im Vorgänger – keinen ironischen Metahumor. Zwar wird das blutige Treiben zum Ende hin so absurd, dass gerade die Ernsthaftigkeit, mit der das alles erzählt wird, ein gewisses Augenzwinkern mit sich bringt, aber ansonsten zieht Johannes Roberts den Terror der Situation angenehm konsequent durch – und das zahlt sich vor allem bei den wieder hervorragenden Jump Scares aus. Vor allem einer auf dem Spielplatz mit Pin-Up Girl (Lea Enslin) hat mich dermaßen aus dem Kinosessel gehoben, wie ich es seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt habe (und ich bin jemand, bei dem 99,9 Prozent aller Jump Scares längst gar keine Wirkung mehr entfalten).

    Nachdem man auf dem Poster zu „The Strangers“ den Man in the Mask nur schemenhaft im Hintergrund ausmachen konnte, stehen die drei Strangers bei der Fortsetzung nun im Mittelpunkt aller Marketing-Materialien. Trotz ihrer minimalistischen Kostümierung (etwa Anzug + Sack über dem Kopf) sind Man in the Mask (Damian Maffei), Pin-Up Girl und Dollface in den vergangenen zehn Jahren zu einem Teil der (Horror-)Popkultur geworden – und das liegt neben ihrem ikonisch-reduzierten Look sicher auch an ihrem völlig unberechenbaren Verhalten. Sie sind so verstörend, gerade weil sie kein Ziel haben – manchmal töten sie direkt, manchmal spielen sie mit ihren Opfern, es gibt keine klaren Regeln oder feste Vorgehensweisen, an die man sich (als Zuschauer oder als Opfer) klammern könnte. Und wer glaubte, die „Weil ihr zu Hause wart“-Motivation könnte in Sachen Zynismus eh nicht mehr übertroffen werden, der wird im Sequel von Dollface und ihrer Zwei-Wort-Gegenfrage eines Besseren belehrt.

    Fazit: Schön dreckiger Terrorfilm mit atmosphärischen Achtziger-Vibes und einigen gnadenlos gut platzierten Jump Scares.

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