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    Krieg der Knöpfe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Krieg der Knöpfe
    Von Andreas Staben

    1962 schuf Yves Robert mit der Kinderbuchverfilmung „Krieg der Knöpfe" einen der größten Hits der französischen Kinogeschichte und einen über Generationen hinweg geliebten Klassiker. Als 2010 der Urheberrechtsschutz für Louis Pergauds literarische Vorlage ablief, begann in unserem Nachbarland ein ungewöhnlicher Wettlauf: Schnell wurden unabhängig voneinander gleich drei Neuverfilmungen in Angriff genommen, übrig blieben die Pläne von Marc Du Pontavice („Gainsbourg") und Thomas Langmann („The Artist"). Die Rivalen lieferten sich fortan einen Kleinkrieg um Fernsehgelder und Starttermine, der zuweilen kindischer war als die Keilereien ihrer jungen Leinwandhelden. Das Duell gipfelte schließlich in der einmaligen Situation, dass die beiden Filme mit im Grunde derselben Geschichte im Abstand von nur einer Woche im September 2011 in die französischen Kinos kamen. Den Anfang machte Yann Samuells „La Guerre des boutons", bevor sieben Tage später der von Thomas Langmann mit Christophe Barratier als Regisseur realisierte „Krieg der Knöpfe" folgte. Während das Duell in Frankreich an den Kinokassen und bei der Kritik mit einer gemeinsamen Enttäuschung und einem gerechten Unentschieden endete, schafft es zunächst nur der mit den prominenteren Namen aufwartende Barratier-Film in die deutschen Kinos. Aber auch unabhängig von der Vorgeschichte und von der Konkurrenz betrachtet ist diese in die Zeit des Zweiten Weltkriegs verlegte „Krieg der Knöpfe"-Variante wenig überzeugend geraten.

    1944, irgendwo in Südfrankreich: In Longeverne geraten die Brüder Gibus (Théophile Baquet, Clément Godefroy) in einen Hinterhalt der Jungs aus dem Nachbarort Velrans und werden als „Schlappschwänze" beschimpft. Das ist für sie die schlimmste aller Demütigungen und jetzt herrscht endgültig Krieg zwischen den Banden aus den benachbarten Dörfern. Mit ihrem Anführer Lebrac (Jean Texier) sinnen die Kinder aus Longeverne auf Rache – von nun an gilt es, den Gegnern bei jeder Gelegenheit die Hemd- und Hosenknöpfe abzunehmen. Es kommt zu mehreren Scharmützeln mit denen aus Velrans, die von Aztec (Thomas Goldberg) angeführt werden. Aber die traditionsreiche Dorfrivalität wird vom Ernst der Zeiten überlagert: Lebrac hat Ärger mit seinem Vater (Kad Merad), weil er verbotene englische Radiosender hört, der liberale Lehrer Paul (Guillaume Canet) liefert sich ein Wortgefecht mit einem Nazi und wie sich herausstellt ist die neue Mitschülerin Violette (Ilona Bachelier) Jüdin. Sie wird von der Schneiderin Simone (Laetitia Casta) als ihre Nichte ausgegeben und vor der Polizei versteckt. Als sich der Sohn des Bürgermeisters Bacaillé (Louis Dussol) verplappert, droht Violettes Entdeckung...

    Christophe Baratier bleibt sich treu und setzt in „Krieg der Knöpfe" auf die gleiche Mischung aus Warmherzigkeit und Rührseligkeit wie in seinem Riesenhit „Die Kinder des Monsieur Mathieu" und in der Historienrevue „Paris, Paris". Sein „Krieg der Knöpfe" ist hübsch anzusehen, alles ist geschmackvoll hergericht und adrett ausgestattet. Die Landschaft ist immer in schönes Licht getaucht, die französische Provinz wird zum Idyll. In dieser Umgebung wirkt schon der Krieg der Kinder oft allzu niedlich, aber die Verlegung des Geschehens in die Zeit der deutschen Besatzung und der Vichy-Kollaboration soll trotzdem nicht etwa als Korrektiv und Widerhaken dienen. Stattdessen wird der Krieg zur Kulisse für den triumphalen Höhepunkt dieses Loblieds auf die französische Heimat gemacht: Hier halten die verfeindeten Nachbarn zusammen, wenn es darauf ankommt, schließlich sind fast alle Dorfbewohner innere Widerständler und nehmen das große Herz in die Hand, um gemeinsam für das Gute einzustehen. Grauzonen gibt es nicht – die wenigen Kollaboratoreure sind krasse Karikaturen tumber Außenseiter und engstirniger Bürokraten, wobei Andersartigkeit und Abartigkeit gelegentlich gefährlich nahe zusammengerückt werden.

    Mit musikalischer Überhöhung und der Entrückung ins Künstliche konnte Baratier seine vorigen Filme noch in nostalgische Märchen verwandeln. Diese Strategie verfängt hier nicht, zu widerspenstig ist dazu der zeitgeschichtliche Hintergrund, zu gegenwärtig ist für viele Zuschauer auch der vergleichsweise unsentimentale Umgang mit den Kindheitsthemen in Yves Roberts Klassiker. Die kleine Welt von Baratiers Film ist dagegen ein bisschen zu säuberlich geordnet, um dauerhaften Eindruck zu hinterlassen. So bleiben als Pluspunkte die Schauwerte, die schöne Musik von Philippe Rombi, die die Bilder jedoch immer wieder buchstäblich übertönt, sowie einige lebhafte Kinderdarsteller wie Thomas Goldberg als romantisch-rebellischer Aztec und Ilona Bachelier als hübsche Violette, die mit sanftem Ernst die dick aufgetragenen Einlagen ihrer erwachsenen Kollegen Kad Merad („Willkommen bei den Sch'tis") und Gérard Jugnot („Boudu") konterkariert und ahnen lässt, welche Art Film hier auch möglich gewesen wäre.

    Fazit: Christophe Baratiers Neuverfilmung des Kinderbuchklassikers kann der beliebten Version aus den 60er Jahren trotz Starbesetzung und einiger Schauwerte nicht annähernd das Wasser reichen.

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