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    Kochen ist Chefsache
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Kochen ist Chefsache
    Von Tim Slagman

    In den vergangenen Jahren hat das Kochen in Windeseile das Fernsehen erobert. Wobei all die perfekten Dinnergastgeber, brutzelnden Moderatoren oder restaurantkritischen Küchenchefs sich mindestens zwei Paradoxien stellen müssen: Zum einen wird, zumindest hierzulande, desto intensiver anderen beim Kochen zugeschaut, je hastiger, liebloser und ungesünder man selbst das Essen in die Pfanne haut. Und zum anderen ist der sinnliche Genuss an einer form- und geschmacksvollendeten Speise prinzipiell nicht audiovisuell vermittelbar. Vermutlich drehen sich im Kino deshalb viele Filme eher um die organisatorische Not und die monströsen Egos in den Küchen, Fatih Akins „Soul Kitchen" war da ein schönes Beispiel. Aus Frankreich, dem Mutterland der Gourmets, kommt nun mit Daniel Cohens „Koch ist Chefsache" eine Komödie, die ihren Charme wesentlich aus einer genauen, mitfühlenden Beobachtung ihrer Figuren gewinnt.

    Jacky Bonnot (Michaël Youn) ist ein Koch aus Leidenschaft, ein perfektionistischer Feinschmecker, für den die Arbeit an Töpfen und Herd eine Kunst ist. Leider ist einer, der den Gästen den angeblich falschen Wein vom Tisch reißt, eher fehl am Platze in den schlichten Bistros, in denen Jacky seine meist kurzlebigen Jobs ergattern kann. Seine schwangere Freundin Beatrice (Raphaëlle Agogué) setzt ihm ein Ultimatum. Die nächste Anstellung hat etwas Dauerhaftes zu sein – und das heißt für den starrköpfigen Jacky: Raus aus der Küche! Doch in dem Seniorenheim, in dem er sich fortan um den Anstrich der Fassade kümmert, kommt eines Tages der Sternekoch Alexandre Lagarde (Jean Reno), Jackys absolutes Idol, vorbei. Und diesem Lagarde sitzt nicht nur sein grünschnabeliger Geschäftsführer Stanislas Matter (Julien Boisselier) im Nacken, sondern auch die Kritiker – und alle sind sie große Anhänger der bei Lagarde so verhassten Molekularküche. Und Matter entdeckt eine Klausel im Vertrag, die ihm erlaubt, den sturen Lagarde vor die Tür zu setzen, wenn dieser ein Stern verliert...

    Schwelgerische Kamerafahrten über detailverliebte Kreationen, die auf großen weißen Tellern nahezu zu verschwinden scheinen, hektisch vor sich hin hackende Messer, spitze, mühsam ein Mikado aus Karottenstiften auftürmende Finger – all das gibt es bei Daniel Cohen kaum zu sehen. Der Regisseur tut gut daran, sich nicht in Dekors zu verlieren, und offensichtlich glaubt er nicht an den abgelutschten Spruch vom Auge, das mitesse. Statt die Lust am Gericht über das bloße Ansehen desselben herbeizwingen zu wollen, bewegt Cohen sich auf einem Terrain, das zu den ureigenen des Kinos gehört. Lagarde und Bonnot, sie sind zwei Idealisten, Träumer, die ihren eigenen Weg gegen alle Widerstände gehen wollen.

    Wobei weder das bisweilen Dickköpfige einer solchen Haltung verschwiegen wird noch deren Rücksichtslosigkeit. Lagardes Tochter Amandine (Salomé Stévenin) steht kurz vor der Disputation ihrer Doktorarbeit, sie setzt gegen die Vernachlässigung und Ignoranz des Vaters ihre eigene – und bestellt sich einen Burger beim Pizzaservice. Es sind diese kleinen Gesten, eher am Rande des vorandrängenden Plots angesiedelt, die von der Sorgfalt von Cohens Drehbuch zeugen. Am schwächsten ist sein Film dagegen immer dort, wo er seine Szenen ins Absurde übersteigert, wo er den leisen, unterschwelligen Humor gegen den Slapstick oder die schrille Satire eintauscht. Für einen Besuch bei Lagardes potenziellem Nachfolger, einem molekular kochenden, versnobten Briten (!) verkleiden sich der Starkoch und Jacky als japanisches Diplomatenehepaar, und der in seinem Heimatland äußerst populäre Komödiant Michaël Youn gestaltet den frechen Diebstahl einiger besonders spannender Kreationen als fernöstlichen Schleiertanz. Leider ist das alles eher eine alberne Travestie als eine anarchische Erweiterung der ansonsten eher sympathisch-bodenständigen Inszenierung.

    Nein, Cohens Film ist ganz bei sich, wenn er die Tragik mit der Komik in Einklang bringt und seine Protagonisten in ihrer charakterlichen Fallhöhe ernst nimmt. Der kantige Jean Reno, dem das Überdrehte ohnehin nicht sonderlich liegt, hat in vielen seiner Rollen seit „Leon - Der Profi" eine zarte, subtile, auch humorvolle Seite hinter der harten Schale verborgen. Und der melancholisch-träumerische Blick von Michaël Youn passt um Längen besser auf seine Figur als Fächer und Kimono.

    Fazit: „Kochen ist Chefsache" hält über weite Strecken die fragile Balance aus Leichtigkeit und Ernst, aus Tempo und charakterlicher Tiefe. Nur einige wenige Szenen geraten etwas zu grell für die sympathische Geschichte um zwei Köche und ihren Kampf gegen Kommerz und Pseudo-Trends.

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