Mein Konto
    The Broken Circle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Broken Circle
    Von Robert Cherkowski

    Spätestens mit seinem Drama „Die Beschissenheit der Dinge" von 2009 hat sich Felix Van Groeningen als einer der angesagtesten Regisseure des jungen belgischen Kinos etabliert, als einer, der persönliche Geschichten von der Schattenseite des Lebens erzählen kann und dabei keineswegs in depressive Arthouse-Gefilde abdriftet. Seine Geschichten fesseln, machen wütend, beleben und gehen vor allem immer wieder sehr zu Herzen, ganz gleich, wie derbe es seine Figuren auch manchmal treiben mögen. Mit seinem vierten Kinofilm „The Broken Circle" geht er den in „Die Beschissenheit der Dinge" eingeschlagenen Weg konsequent weiter, ganz ohne Scheu vor großen Gefühlen und ohne sich darum zu scheren, dass er dabei auch gelegentlich in den nackten Kitsch abdriftet. Auch wenn so manche Szene klebrige Spuren manipulativer Tränendrüsendrückerei hinterlässt und Van Groeningen lieber eine Schippe Sentiment zuviel als zuwenig in seinen Film schaufelt, macht sich sein Mut zum unbedingten Gefühl doch bezahlt. „The Broken Circle" ist eines der intensivsten und trotz düsterer Thematik schönsten Dramen, die auf der Berlinale 2013 zu sehen waren und gewann daher völlig zu Recht den Panorama-Publikumspreis.

    Lange Zeit war das Leben für Bluegrass-Sänger Didier (Johan Heldenbergh) und die junge Tätowiererin Elise (Veerle Baetens) ein großes Fest. Nachdem sie sich schon auf den ersten Blick verliebt haben, singt Elise bald in Didiers Band mit. Als sie dann auch noch schwanger wird und die bezaubernde Maybelle (Nell Cattrysse) geboren wird, scheint das Glück perfekt. Damit ist es allerdings schnell vorbei, als bei Maybelle Krebs diagnositiziert wird. Nun muss die kleine Familie all ihre Kraft sammeln um der Krankheit die Stirn zu bieten und nicht den Lebensmut zu verlieren. Als Maybelle den Kampf nach vielen Höhen und Tiefen schließlich verliert, ist es an ihren Eltern weiterzukämpfen und sich dem Schmerz zu stellen. Während der fatalistische Didier versucht, den Tod so kühl und nüchtern wie möglich zu betrachten, flüchtet sich Elise in naturreligiöse Glaubenskonzepte. Bald reiben sich die Eltern mit ihren unterschiedlichen Trauerstrategien gegenseitig auf – und es bahnen sich weitere Katastrophen an...

    Bei der Inszenierung seines schwierigen Themas setzt Van Groeningen ganz auf laute Töne: Schicksalsgewalt, ein hochemotionaler Soundtrack, aufopferungsvolle Darsteller und viele tragische Handlungswendungen – hier wird hemmungslos auf der Klaviatur der Gefühle gespielt. Und zwar so gekonnt, dass dabei auch die größten Skeptiker in arge Taschentuch-Bedrängnis kommen könnten. Die guten alten Mittel des Melodrams, Van Groeningen beherrscht sie mit traumwandlerischer Sicherheit. „The Broken Circle" mag Kitsch sein, doch es ist ehrlicher und zu Herzen gehender Kitsch. Der Film ist unverhohlen manipulativ, nie werden die Gefühle seiner Figuren dabei aber banalisiert. So gekonnt gelang dieses Kunststück zuletzt nur Valerie Donzelli mit ihrem Drama „Das Leben gehört uns", mit dem sie thematisch in eine ähnliche Kerbe schlug und sich nicht für ihre emotionale Frontaloffensive schämte.

    Mit seiner zwar durchschaubaren aber ungeheuer wirkungsvollen Inszenierung trifft Van Groeningen voll ins Schwarze. Schützehilfe bekommt er dabei von seinen tollen Hauptdarstellern, die vom ersten Auftritt an in ihren Bann ziehen und einen nicht mehr loslassen. Veerle Baetens („Tödliche Affären") und Johan Heldenbergh („Hasta la Vista!") verleihen dem Sehnen und Kämpfen ihrer Figuren eine spürbare Dringlichkeit. Und auch wenn sie in manchen Momenten eher dazu neigen, die inneren Konflikte mehr durch große Gesten als durch nuancierte Details auszudrücken, zeigt ihre Spielwut immer Wirkung. So wie auch Ruben Impens („Neulich in Belgien") zweckdienliche, dabei aber ebenso ästhetisch ansprechende Kamera-Arbeit – hier wird in satten Farben geschwelgt, ohne dass die Bildsprache von „The Broken Circle" dabei je protzig aussähe.

    Auch die etwas verschachtelte Erzählweise samt Rückblenden funktioniert. So werden höchstes Glück und tiefstes Elend einander gegenüberstellt, wenn die Zeit der Krankheit, der Tag des Kennenlernens und die glücklichen Jahre des Familienlebens parallel montiert werden. Ein wenig stutzt man schon, wenn der Film im weiteren Verlauf in immer mehr Zeitebenen aufsplittert, doch ist „The Broken Circle" kein labyrinthisches „21 Gramm", das erst im Schlussakt voll und ganz verstanden werden kann. Vielmehr ist besonders das finale Drittel eine emotional turbulente Meditation über Verlust und Trauerverarbeitung, bei der sowohl Didiers Fatalismus als auch Elises Wille zum Glauben ihren Raum bekommen und keiner von beiden denunziert oder bevorteilt wird. In der Summe seiner Qualitäten ist „The Broken Circle" ein Triumph auf ganzer Linie – wer hier unberührt rauskommt, muss schon verdammt abgeklärt sein.

    Fazit: Mit „The Broken Circle" geht Felix Van Groeningen in die Vollen und liefert ein Melodram im XXL-Format ab, das gehörig aufweckt und durchschüttelt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top