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    Macbeth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Macbeth
    Von Michael Meyns

    William Shakespeares Werke wurden bereits Hunderte Male verfilmt. In der Internet Movie Database werden allein über 90 Verfilmungen von „Macbeth“ gelistet und da sind freie Bearbeitungen wie etwa Akira Kurosawas „Das Schloss im Spinnwebwald“ noch gar nicht alle dabei. Das zeigt einerseits die Unverwüstlichkeit des Stoffs, zum anderen gibt es allerdings auch keinen zwingenden Bedarf an einer weiteren Verfilmung des blutigen Dramas um den Heerführer Macbeth, der sich von seiner Frau angetrieben zum König putscht und unweigerlich einen grausamen Tod stirbt. So braucht es schon einen guten Grund für eine neue Version, einen frischen inhaltlichen oder stilistischen Ansatz. Der Australier Justin Kurzel („Die Morde von Snowtown“), dessen Videospielverfilmung „Assassin’s Creed“ für Dezember 2016 angekündigt ist, entscheidet sich bei seinem mit Michael Fassbender und Marion Cotillard hochkarätig besetzten „Macbeth“ für eine naturalistische Herangehensweise: Nicht präzise vorgetragene Verse stehen bei Kurzels grimmigem Historiendrama im Mittelpunkt, sondern ausgiebiges Schlachtgetümmel in Matsch und Dreck.

    Schottland, das Mittelalter. Der Heerführer Macbeth (Michael Fassbender) besiegt in einer blutrünstigen Schlacht ein feindliches Heer und wird vom König zum Thane of Cawdor ernannt. Eine Beförderung, die ihm drei Hexen prophezeit haben. Angetrieben vom eigenen Machthunger und den Ambitionen seiner Frau, Lady Macbeth (Marion Cotillard), mordet sich Macbeth langsam zum Thron: Sein Cousin Duncan (David Thewlis) muss ebenso dran glauben wie sein alter Freund Banquo (Paddy Considine), dessen ganze Familie er verbrennen lässt - man kann ja nicht vorsichtig genug sein. Doch bei seinem Aufstieg hat sich der blutrünstige Tyrann Macbeth so viele Feinde gemacht, dass sein Untergang nur eine Frage der Zeit ist…

    „Macbeth“ ist Shakespeares kürzeste Tragödie, was für Filmregisseure den Vorteil hat, dass sie den Text innerhalb einer normalen Spielfilmlänge nahezu vollständig verwenden können. Außerdem ist die dicht-rasante Handlung im Vergleich zu anderen Stücken des Barden so leicht nachvollziehbar, dass viel Raum bleibt, sich um die Figuren zu kümmern. Justin Kurzel und seine Drehbuchautoren Jacob Koskoff („The Marc Pease Experience“), Michael Lesslie („Assassin’s Creed“) und Todd Louiso („Love Liza“) gehen sogar noch weiter und reduzieren den Plot auf seine Rudimente, der Regisseur konzentriert sich ganz auf seine Hauptdarsteller. Während Marion Cotillard („The Dark Knight Rises“) als Lady Macbeth dabei im Vergleich zu ihren intensiven Darbietungen etwa in „Der Geschmack von Rost und Knochen“ oder in „Zwei Tage, eine Nacht“ blass bleibt, gibt Michael Fassbender („Shame“, „12 Years A Slave“) mit ganzem Körpereinsatz und größter Eindringlichkeit den tragischen Macho-Helden. Sein maskuliner Macbeth ist eine ebenso kraftvolle wie eindeutige Interpretation des rücksichtslosen, aber auch blinden Machtstrebens.

    Die Handelnden geben hier letztlich eine recht klägliche Figur ab, es entsteht ein alles andere als positives Menschenbild. Dieser Pessimismus wird von der düsteren Farbpalette, dem ständigen Regen und den ausgiebigen brutalen Schlachten noch unterstrichen. Kurzel verfolgt eine Art schonungslos-überspitzten Realismus, er lässt seine Darsteller im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck wühlen. Gelegentlich halten mächtige Kathedralen als Schauplatz her, meist jedoch spielt sich dieser „Macbeth“ in matschigen Feldern und schwach beleuchteten Zelten ab, dazu stürmt es und es legt sich Nebel über die Szenerie. Von der rhetorischen Brillanz der shakespeareschen Dialoge bleibt dabei auch nicht allzu viel übrig: Was nicht gekürzt wurde, wird (in der Originalfassung) oft schwer verständlich dahingenuschelt, auch die Sprache ist rau und roh. Schöngeistige Traditionalisten mögen ihre liebe Mühe mit dieser ungehobelten Lesart voller Blut, Matsch und lautem Pathos haben – originell und auf seine Weise zeitgemäß ist Justin Kurzels Film aber allemal.

    Fazit: Justin Kurzels „Macbeth“ ist Shakespeare für die „Game of Thrones“-Generation.

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