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    Geron
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Geron
    Von Christian Horn

    Eigentlich ist Bruce LaBruce mit seinen oft verstörenden und betont sperrigen Filmen wie „The Raspberry Reich“ oder zuletzt „Pierrot Lunaire“ einer der großen Provokateure unter den Protagonisten des Queer Cinema. Auch in seinem neuen Werk ist das Thema einigermaßen kontrovers, denn immerhin verliebt sich ein junger Bursche in einen Greis, allerdings ist die Umsetzung für die Verhältnisse dieses eigenwilligen Regisseurs ungewohnt konventionell - was „Geron“ wiederum deutlich zugänglicher macht als viele der oft auf Skandal gebürsteten übrigen Filme des Kanadiers. Im Geiste von „Harold und Maude“ inszeniert LaBruce eine gediegene Liebesgeschichte, die trotz des schwierigen Themas nie schwerfällig oder anstößig ist. Die beiden vorzüglichen Hauptdarsteller tragen dabei einen großen Teil zum Gelingen des Films bei.

    Der 18-jährige Lake (Pier-Gabriel Lajoie) ist mit der gleichaltrigen Feministin Desiree (Katie Boland) zusammen. Insgeheim fühlt sich Lake aber zu älteren Männern hingezogen. Als er bei seinem Job als Bademeister einen alten Mann mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbeleben muss, bekommt Jake sogar eine Erektion. Kurz nach diesem Vorfall tritt seine Mutter Marie (Marie-Hélène Thibault) eine neue Stelle im Altersheim an, wo sie ihrem Sohn einen Aushilfsjob als Pfleger verschafft. Dort lernt Lake den 81-jährigen Melvyn (Walter Borden) kennen, der starke Medikamente zur Beruhigung bekommt. Als Lake die Pillen heimlich absetzt, blüht Melvyn förmlich auf und entpuppt sich als großer Charmeur: Bald verliebt sich der junge Pfleger in den alten Mann. Doch die zarte Romanze zwischen den beiden fliegt auf, woraufhin sich das ungleiche Paar auf einen Road Trip quer durch die USA begibt.

    Das Thema Gerontophilie (daher auch der Filmtitel „Geron“, im Original „Gerontophilia“) – also das sexuelle Interesse eines jüngeren Menschen an einem deutlich älteren – ist sicherlich polarisierend. Doch Bruce LaBruce verpackt den heiklen Stoff in einen leicht zugänglichen Independent-Liebesfilm, er inszeniert die sexuelle Anziehung zwischen den beiden Protagonisten als die normalste Sache der Welt und wirft die Fragen nach einem irgendwie gearteten Tabu dadurch auf den Betrachter zurück. Es geht hier auch nicht um das Coming Out des jungen Lake, die Homosexualität der Liebenden ist schlicht ein Fakt. Stattdessen modelliert der Regisseur einige Standardsituationen des Liebesfilms, darunter ein Streit und eine Versöhnung, und erzählt die Geschichte der Romanze mit gemächlichen Kamerafahrten, warmen Farben und einem soften Indie-Soundtrack. Wenn Lake seinen Angebeteten Melvyn wäscht, macht LaBruce daraus eine zärtlich-sinnliche Szene mit sanfter Musik sowie schwelgerischen Zeitlupen und Nahaufnahmen. Das funktioniert nicht zuletzt recht gut, weil die beiden Hauptdarsteller Pier-Gabriel Lajoie und Walter Borden bestens miteinander harmonieren und das Knistern zwischen ihren Figuren glaubhaft vermitteln.

    Fazit: Toll gespielter Liebesfilm, in dem sich ein 18-Jähriger in einen 81-Jährigen verliebt – einer der zahmsten und zugänglichsten Filme von Underground-Kultregisseur Bruce LaBruce.

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