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    Der Babadook
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Babadook
    Von Thomas Vorwerk

    Metaphern und Allegorien gehören seit jeher zu den wichtigsten (wenn auch nicht unverzichtbaren) erzählerischen Mitteln des Horrorfilms. Am häufigsten ist das eigentliche, nur indirekt angesprochene Thema Sex. Um die Gefahren des Geschlechtsverkehrs und um etwaige Ängste vor Intimität geht es insbesondere im Vampir- und im Slasher-Genre immer wieder. Besonders reichhaltigen Subtext bot auch Joss Whedons Fernsehserie „Buffy - Im Bann der Dämonen“, wenn vergiftetes Bier Halbstarke in brutale Neandertaler verwandelte oder ein karrieregeiler Trainer seine Schwimmmannschaft durch bestimmte Substanzen zu mehr Leistung antrieb - bis die Sportler aussahen wie „Der Schrecken vom Amazonas“. In ihrem effektvollen psychologischen Horrorfilm „Der Babadook“ versucht die australische Regisseurin Jennifer Kent nun ebenfalls, die Balance zu halten zwischen vordergründiger Handlung und versteckter Bedeutung – was ihr allerdings nicht ohne Einschränkungen gelingt.

    Auf der Fahrt zum Krankenhaus, zur Entbindung, kommt Oscar (Ben Winspear) bei einem Unfall ums Leben und hinterlässt seine Frau Amelia (Essie Davis) und den am selben Tag geborenen Sohn Samuel (Noah Wiseman), die noch Jahre später unter diesem Trauma leiden. Kurz vor Samuels siebtem Geburtstag entdecken Mutter und Sprössling ein verstörendes Kinderbuch, „Mr. Babadook“, das die Obsessionen des Jungen in gefährliche Dimensionen steigert. Samuel hatte schon vorher die Angst, dass sich ein Monster im Wandschrank oder unter dem Bett verbirgt und nun ist er überzeugt, dass der Babadook seine Mutter und ihn bedroht. Sein Verhalten wird immer seltsamer – bis schließlich auch Amelia an die Gefahr glaubt…   

    Das Buch-im-Film „Mr. Babadook“ (Design: Alex Juhasz) bestimmt auch den Look des Thrillers: Das bis auf einen winzigen Farbeffekt schwarzweiße Pop-Up-Book mit seinen düsteren Aquarellen spiegelt sich im Design des eigentümlichen Hauses von Mutter und Sohn, wo das Fehlen von Farbe nur durch ein paar Cremetöne und ein freudloses Babyblau unterbrochen wird. Ähnlich farblos bis dunkel wirkt auch das Leben von Amelia und Samuel, die offenbar zu einer gemeinsamen Stärke finden müssen - oder sich gegenseitig zerfleischen werden wie in „Tanz der Teufel“. Um Splattereffekte geht es in dem atmosphärisch starken Film aber nicht, sondern um die instabile Mutter-Kind-Beziehung, die das Mitgefühl des Zuschauers auf eine harte Probe stellt.

    Samuel ist anfänglich das anstrengendste Kind der jüngeren Filmgeschichte (der Nervfaktor entspricht etwa einer zu lauten „Spongebob“-DVD, die man nicht ausschalten kann), ehe die Abneigung des Betrachters sich immer mehr gegen die zu Beginn einfach nur überforderte Amelia richtet. Je stärker sich der Junge um die Aufmerksamkeit seiner Mutter bemüht, umso weniger scheint sie ihn zu beachten - ein Teufelskreis. Amelia bricht so manche pädagogische Grundregel, während die bemüht wirkende Didaktik des Films im gleichen Atemzug alles immer noch schlimmer macht, was in dieser Überspitzung (ein Erstklässler bringt seine Armbrust mit zur Schule...) dann gelegentlich unfreiwillig komisch wirkt.

    Rein inszenatorisch hat der Film brillante Momente, und wenn zum Schluss das Monster und seine metaphorische Bedeutung eins werden, ist das wirklich clever umgesetzt. Aber weder als Horrorschocker noch als Lehrfilm über Trauerarbeit überzeugt „Der Babadook“ letztendlich vollständig, weil die Herangehensweise oft zu klinisch, gleichsam zu sehr durchdacht ist. Fein säuberlich gruppiert man Themenkomplexe (Bühnenmagie und Georges Méliès, expressionistisches Kino und Schwarzweiß-Malerei), versäumt dabei aber, den Zuschauer bei dieser im Grunde hochemotionalen Geschichte mitfühlen zu lassen. Selbst bei dem einen Element, das sich nicht auf den ersten Blick in den erkennbaren dramaturgischen „Masterplan“ einfügt, einem (imaginierten?) Kakerlakenbefall, ist die etwas ziellos wirkende symbolische Überhöhung mehr als offensichtlich, schließlich ist es kein Zufall, dass die Nachbarin „Mrs. Roach“ und der Familienhund „Bugsy" heißt (cockroach= Schabe, bug= Wanze, Käfer).

    Fazit: „Der Babadook“ ist ein verstörender Horrorfilm mit einer oft nervenzerfetzenden Tonspur - und hat dabei noch eine unübersehbare „Botschaft“.

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