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    Legend
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Legend
    Von Christoph Petersen

    Es kommt immer mal wieder vor, dass Filmverleiher Zitate aus Kritiken so aus dem Zusammenhang reißen, dass selbst Auszüge aus Verrissen plötzlich wie Werbesprüche klingen. „Die Effekte sind super“ als Verkürzung von „Die Effekte sind super mies“ wäre ein überspitztes Beispiel für diese unschöne Praxis. Aber wie die Marketing-Profis den Zwei-Sterne-Verriss des Guardian auf dem britischen Kinoposter zu Brian Helgelands Gangsterfilm „Legend“ versteckt haben, ist dermaßen dreist, dass es schon wieder genial ist (ihr könnt die ganze Geschichte hier nachlesen). Dabei sind die Argumente des Kritikers Benjamin Lee absolut legitim, wenn er sich beschwert: „Obwohl wir es mit allzu realen Ereignissen zu tun zu haben, die zudem noch nicht allzu lange her sind, fühlt sich der hell ausgeleuchtete Film oft wie ein Cartoon an, fast so, als würde man die Verfilmung einer grellen Graphic Novel schauen.“ Wir hatten beim Sehen des Films einen ganz ähnlichen Eindruck, damit allerdings kein Problem: Ähnlich wie Martin Scorsese in seinem Mafia-Klassiker „GoodFellas“ liefert nun auch Helgeland ein Gangster-Biopic, das gerade deshalb so viel Spaß macht, weil er die grausamen Taten seiner Protagonisten (inklusive eines brutalen Hammer-Massakers) schamlos romantisiert und satirisch überspitzt.

    In den 1960ern haben sich die Kray-Brüder mit ihren rücksichtslosen Methoden die Macht im Londoner East End gesichert. Obwohl sie Zwillinge sind, könnten Reggie und Ronnie (beide Tom Hardy) aber - abgesehen von ihrer gewalttätigen Natur - verschiedener kaum sein: Während der attraktive Reggie seine dunkle Seite mit seinem einnehmenden Charme kaschiert, ist der psychisch gestörte Ronnie absolut unberechenbar. Als Reggie sich in die angehende Sekretärin Frances (Emily Browning) verliebt und sie schließlich sogar heiratet, will er das Kray-Imperium nach dem Vorbild der Las-Vegas-Mafia auf solidere Säulen stellen, während sich Ronnie die guten alten Gangster-Tage zurückwünscht, in denen noch alle Probleme ganz einfach und simpel mit Gewalt gelöst wurden ...

    Nachdem Scott Cooper in „Black Mass“ gerade erst die Geschichte des legendären Bostoner Gangster-Paten James ‚Whitey‘ Bulger (Johnny Depp) sehenswert, aber zugleich auch ohne erkennbare Haltung verfilmte, kann man Brian Helgeland (Oscar für das Drehbuch von „L.A. Confidential“) einen solchen Mangel an einer eigenen Perspektive ganz sicher nicht vorwerfen. Der „Payback“-Regisseur stellt sich ziemlich klar auf die Seite der Krays, verwendet mehr Zeit auf ihre persönlichen Beziehungen als auf ihre kriminellen Machenschaften und provoziert beim Publikum eine spitzbübische Freude, wenn die Gangster den Ermittlern ein Schnippchen schlagen (beziehungsweise einen der sadistischen Aufseher im Knast brutal zusammenschlagen). Das ist moralisch sicherlich fragwürdig, denn die Krays standen trotz ihrer zweitweiligen Beliebtheit im East End nicht gerade in der Tradition von Robin Hood (Helgeland hat für die Kevin-Costner-Version das Drehbuch verfasst), sondern waren psychopathische Gewaltjunkies. Aber „Legend“ macht in seiner schwarzhumorigen, absurd überhöhten Art eben auch eine Menge Spaß (und erinnert zumindest in dieser Hinsicht an Oliver Stones von Quentin Tarantino geschriebene Gewaltsatire „Natural Born Killers“).  

    In „Mad Max: Fury Road“ hat er trotz Titelrolle noch Charlize Theron den Vortritt überlassen, in „Legend“ ist der doppelte Tom Hardy („The Dark Knight Rises“) nun die alles andere überschattende Hauptattraktion. Obwohl die Krays Zwillinge sind und sich recht ähnlich sehen, mag man kaum glauben, dass sie wirklich beide von demselben Schauspieler verkörpert werden: Während Hardy als charismatischer Reggie trotz seiner unentschuldbaren Taten sofort das Publikum auf seine Seite zieht, sind es vor allem seine bizarren Auftritte als Ronnie, die sich ins Hirn des Zuschauers einbrennen (und die meisten Lacher produzieren, auch wenn einem ein beträchtlicher Teil davon gleich wieder im Halse stecken bleibt). Bei ersten Treffen - egal ob mit Mafiosi oder Politikern - platzt Ronnie gern direkt damit heraus, dass er homosexuell sei, nur um dann direkt nachzuschieben, dass er nur „gebe“ und nicht „nehme“ und einen Thailänder mal beim Sex zu einer Brezel verbogen habe. Neben dem dominierenden Hardy hat Emily Browning („Sucker Punch“) als Reggies Ehefrau kaum eine Chance, eigene Akzente zu setzen - und das, obwohl sie als Erzählerin die Off-Kommentare beisteuert. Stattdessen bleibt ihr nur übrig, dasselbe emotionale Chaos zwischen Bewunderung, Mitgefühl und Abscheu für Reggie auszudrücken, das sich im Lauf des Films zunehmend auch im Zuschauer ausbreitet.

    Fazit: Brachial-kurzweiliger Gangsterfilm mit jeder Menge schwarzem Humor und einem doppelt oscarwürdigen Tom Hardy.

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