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    Allied - Vertraute Fremde
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Allied - Vertraute Fremde
    Von Carsten Baumgardt

    Als er mit 21 als Tellerwäscher in Texas gearbeitet hat, erzählte ein Mädchen dem späteren Drehbuchautor Steven Knight („Tödliche Versprechen“, „No Turning Back“) eine bewegende Geschichte aus den Wirren des Zweiten Weltkriegs, die der Brite nie vergessen sollte. 36 Jahre später (!) ist daraus nun ein 85 Millionen Dollar teurer Hollywood-Film mit den Weltstars Brad Pitt und Marion Cotillard geworden. Mit Oscarpreisträger Robert Zemeckis (für „Forrest Gump“) hat das Projekt auch noch einen prestigeträchtigen Regisseur, der mit dem klassischen Stoff allerdings mitunter etwas fremdelt. So fehlt „Allied – Vertraute Fremde“ der letzte Funken Leidenschaft eines ganz großen Liebes- und Kriegsepos - es bleibt ein handwerklich tadellos inszeniertes Spionagemelodram mit guten Darstellerleistungen und einigen beeindruckenden Schauwerten.

    Marokko, 1942: Der kanadische Geheimdienstoffizier Max Vatan (Brad Pitt) soll in Casablanca gemeinsam mit der französischen Résistance-Kämpferin Marianne Beausejour (Marion Cotillard) den deutschen Botschafter (Anton Blake) ermorden. Die Attentäter tarnen sich als Ehepaar, infiltrieren die deutsche Szene vor Ort und besorgen sich über den Nazi-Offizier Hobar (August Diehl) eine Einladung zu einer hochrangig besetzten Feier der Deutschen: Bei der Veranstaltung töten sie den Botschafter und jeden, der sich ihnen sonst noch in den Weg stellt. Beim Mann-und-Frau-Spielen haben sich Max und Marianne unterdessen ineinander verliebt. Sie fliehen nach London in den Dunstkreis des britischen Geheimdiensts S.O.E. und heiraten. Doch dann ziehen dunkle Wolken über dem Familienglück auf, denn Marianne gerät unter Verdacht, eine Doppelagentin und deutsche Spionin zu sein…

    Er schuf in den 1980er und 1990er Jahren Filme für die Ewigkeit („Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“, „Contact“), verzettelte sich in den 2000ern zunehmend mit seiner Motion-Capture-Fixierung („Der Polarexpress“, „Die Legende von Beowulf“, „Eine Weihnachtsgeschichte“), hatte aber in den 2010ern ein Einsehen und legte mit dem knalligen Flieger-Drama „Flight“ ein gutes Comeback hin. Doch seitdem scheint Zemeckis‘ Näschen für Erfolgsprojekte ein wenig verstopft zu sein. „The Walk“ floppte böse und auch „Allied - Vertraute Fremde“ enttäuschte an den nordamerikanischen Kinokassen. Letzteres mag unter anderem daran gelegen haben, dass der Film für viele Zuschauer einfach zu altmodisch daherkommt. Dabei ist ironischerweise gerade das Klassische der Geschichte und auch der Besetzung eine der auffälligsten Stärken des Films, auch wenn „Allied“ natürlich nicht an ein so ikonisches Werk wie „Casablanca“ (von 1942) herankommt, dem die Macher hier mehr als einmal Reverenz erweisen.

    Es gibt nur wenige andere zeitgenössische Darsteller, die noch so sehr dem Bild des Filmstars alter Prägung entsprechen wie Brad Pitt („Fight Club“, „Sieben“) und Marion Cotillard („Inception“, Oscar für „La Vie En Rose“). Sie scheinen sich in den prachtvollen Studiokulissen, in denen die 40er Jahre mit einer Extraprise Hollywood-Glamour zum Leben erweckt werden, vollkommen zu Hause zu fühlen. Pitt überzeugt als eiskalter Spion mit liebender und verletzlicher Seite ebenso wie Cotillard als undurchsichtige Widerstandskämpferin. Das Paar steht klar im Zentrum, aber immerhin absolviert auch der deutsche Vollblutmime August Diehl („23“, „Inglourious Basterds“) einen prägenden Kurzauftritt als in Marokko stationierter Nazi. Unter den übrigen Nebendarstellern sticht Jared Harris („Lincoln“) als Max‘ britischer Vorgesetzter und Freund Frank Heslop hervor, der bei aller professionellen Nüchternheit, die von den Agierenden an den Tag gelegt wird, viel Menschlichkeit und Wärme ausstrahlt.

    Auch Robert Zemeckis leistet einen gewichtigen Beitrag zu einem sehenswerten Film: In der besten Sequenz überschlagen sich bei einer Party im Hause der Vatans die Ereignisse, während ein abgeschossener deutscher Bomber auf die Gesellschaft zustürzt. So eindringlich und spannend ist „Allied“ allerdings nicht immer, denn zuweilen trägt der Regisseur einfach zu dick auf: Wenn sich Pitt und Cotillard während eines tobenden Sandsturms im Auto lieben und oder wenn im Bombenhagel über London ein Kind zur Welt kommt, dann wird die Grenze zwischen melodramatischer Intensität und plakativem Kitsch überschritten. Zemeckis trifft nicht immer den genau richtigen Ton und auch dramaturgisch holpert gerade zu Beginn ein bisschen. Das nimmt dem ständigen Spiel der Tarnungen und Täuschungen vor allem im ersten Teil des Films in Marokko ein wenig Spannung und Emotionalität. Die späteren Szenen in England sind hingegen, hier werden die entscheidenden Fragen wirkungsvoll zugespitzt: Wer hintergeht wen und was ist hier eigentlich echt?

    Fazit: Robert Zemeckis‘ Agenten-Thriller „Allied - Vertraute Fremde“ ist Starkino der alten Schule - ein weitgehend stark inszeniertes Weltkriegsmelodram vor großer Kulisse.

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