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    Love & Friendship
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Love & Friendship
    Von Christoph Petersen

    Dass man den Namen Jane Austen heutzutage zuerst mit großen Gefühlen, traumhaften Kostümen und vielleicht sogar einem Hauch von Kitsch in Verbindung bringt, liegt vor allem an den erfolgreichen Leinwandumsetzungen ihrer Werke (von Douglas McGraths „Emma“ mit Gwyneth Paltrow bis hin zu Joe Wrights „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightley). Was in den Verfilmungen hingegen oft nicht oder zumindest weniger ausgeprägt rüberkommt, sind der ungeheuer präzise Blick für die Zwänge der Adelsgesellschaft und die virtuos-bissige Sprache, mit der sie deren Vertreter häufig regelrecht zerlegt. Aber damit ist nun Schluss: 26 Jahre nachdem er den New Yorker High-Society-Nachwuchs in seinem ebenso liebevollen wie unerbittlichen Regiedebüt „Metropolitan“ entlarvt hat, liefert Whit Stillman mit „Love & Friendship“ nun eine kongeniale Kinoadaption von Austens Briefroman-Frühwerk „Lady Susan“, in der er die skalpellscharfen Dialoge der damals erst 19-jährigen Autorin noch einmal zusätzlich anspitzt, sodass sie nun wie Diamant durch die patriarchalische britische Gesellschaft des späten 18. Jahrhunderts schneiden.

    Die verhältnismäßig junge Witwe Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale) sucht im England der 1790er Jahre nach passenden (sprich: wohlhabenden) Ehemännern für ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) und für sich selbst, um ihren luxuriösen Lebensstil aufrechterhalten zu können. Da sie erst kürzlich aus dem Manwaring-Anwesen herausgeschmissen wurde, nachdem sie sich an den verheirateten Hausherrn, Lord Manwaring (Lochlann O'Mearáin), herangemacht hat, befindet sich Lady Susan nun auf dem Weg nach Churchill, dem Landhaus ihres Schwagers Charles Vernon (Justin Edwards) und seiner Frau Catherine (Emma Greenwell), die sehr genau um den Ruf des Gastes als ebenso zielstrebige wie versierte Verführerin weiß…

    Auch ohne Liebesgeschichte im Zentrum (aber dafür mit einem irreführend harmlosen RomCom-Titel) befindet sich „Love & Friendship“ mit einem US-Einspielergebnis von mehr als 14 Millionen Dollar (bei einem Budget von nur drei Millionen) aktuell unter den Top 5 Independent-Hits des Jahres 2016 – und das liegt wohl vor allem daran, dass der Film einfach unglaublich witzig ist (und zwar auf eine Weise, dass man im Kino tatsächlich immer wieder laut losprustet). Freilich ist es ein extrem trockener, entlarvend bissiger und erquickend bösartiger Humor, wenn Kate Beckinsale („Underworld“) als Lady Susan fast schon im Sekundentakt vordergründig höfliche Bonmots abfeuert, von denen das Gegenüber zwar in der Regel durchschaut, wie heimtückisch sie in Wahrheit gemeint sind, gegen die aber trotzdem niemand etwas einwenden kann, weil sie viel zu geschickt den gesellschaftlichen Konventionen angepasst sind. Und manchmal ist die ihren (vor allem männlichen) Gesprächspartnern intellektuell meist meilenweit überlegene Protagonistin auch einfach nur gemein, wobei auch das dem Zuschauer ein ähnliches diebisches Vergnügen bereitet wie der „vollendetsten Verführerin in ganz England“ selbst:

    Ein Mann tritt an die Gruppe heran: „Lady Susan. Lady Susan.

    Lady Susan: „Wie wagen Sie es, mich anzusprechen? Ich werde Sie auspeitschen lassen.

    Der Mann wendet sich verdutzt ab.

    Alicia Johnson (Chloë Sevigny): „Kanntest du den?

    Lady Susan: „Ich kenne ihn gut. Mit einem Fremden würde ich niemals so sprechen.

    Trotz dieser berechnenden Art, die man Lady Susan übrigens nie übelnimmt, denn wo die Männer die alleinige Macht haben, bleiben ihr eben nur ihre Worte, lässt Kate Beckinsale zwischendurch immer wieder den menschlichen Kern hinter ihren kalten, herabwürdigenden Kommentaren durchschimmern – und diese rar gesäten Momente sind dafür nur umso kraftvoller. Um sie herum haben sich zwar eine Menge hochkarätiger Schauspieler wie Chloë Sevigny (oscarnominiert für „Boys Don’t Cry“) oder Stephen Fry (Golden-Globe-nominiert für „Oscar Wilde“) versammelt, aber es liegt in der Natur des Stoffes (ihre Figuren sind der Protagonistin schlicht nicht ebenbürtig), dass sie kaum mehr sind als Stichwortgeber für Beckinsale, die hier jede Vorlage mit einer solch unverschämt-frechen Selbstverständlichkeit verwandelt, dass man fast schon heulen könnte, wie sträflich unterfordert die Schauspielerin im vergangenen Jahrzehnt mit Nebenrollen in Filmen wie „Contraband“ oder „Total Recall“ doch gewesen sein muss. Einzig Tom Bennett („Mascots“) kann ihr immer mal wieder die Show stehlen: Er verkörpert mit einer solch wahrhaftigen Inbrunst den liebenswürdigen Hohlkopf Sir James Martin, dass einem gar nichts anderes mehr übrigbleibt, als ihn sprach- und fassungslos anzustarren. Jede einzelne Szene mit ihm ist zum Wegschmeißen komisch.

    Fazit: Die bisher beste (weil bissigste) Jane-Austen-Verfilmung überhaupt.

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