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    El Olivo - Der Olivenbaum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    El Olivo - Der Olivenbaum
    Von Sascha Westphal

    Die Zusammenarbeit zwischen dem Filmemacher Ken Loach und dem Autor Paul Laverty gehört zu den fruchtbarsten Kollaborationen im Kino der vergangenen 20 Jahre. Seit „Carla’s Song“, ihrem ersten gemeinsamen Film, der 1997 in die deutschen Kinos gekommen ist, haben die beiden fast so etwas wie ihr eigenes Genre geschaffen. Sie erzählen von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit und rücken dabei immer jene Menschen ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, die sich irgendwie durchschlagen müssen. Als im Mai 2016 in Cannes ihre neueste Arbeit „Ich, Daniel Blake“ mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, ging ein Aufschrei durch die Medien: Diese Art eines klassenbewussten, linken Kinos, in dem sich Komik und Protest keineswegs ausschließen, ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Aber gerade das macht Paul Lavertys Drehbücher so wichtig. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob er sie nun für Ken Loach oder wie im Fall von „El Olivo – Der Olivenbaum“ für die spanische Regisseurin Icíar Bollaín schreibt. Allerdings fügen sich in dieser sozial engagierten Komödie Kritik und Emotion längst nicht so bruchlos ineinander wie in Loachs Arbeiten „Looking for Eric“ oder „Angel’s Share – Ein Schluck für die Engel“.

    Alma (Anna Castillo) ist eigentlich immer wütend. Nur wenn sie mit ihrem Großvater, der langsam nicht nur sein Gedächtnis, sondern auch seinen Lebenswillen verliert, zusammen ist, scheinen ihre Dämonen etwas zur Ruhe zu kommen. Um ihm zu helfen, fasst die gut 20-Jährige einen wahnwitzigen Plan. Vor einigen Jahren hatte ihr Vater einen 2.000 Jahre alten Olivenbaum verkauft, um ein Restaurant direkt am Strand zu eröffnen. Dieser Baum hatte für Alma und ihren Großvater immer eine besondere Bedeutung. Er stand für ein Leben im Einklang mit der Natur und für eine Welt, in der Geld eben nicht alles ist. Also will Alma den Baum, der mittlerweile in Düsseldorf in der Zentrale eines großen Energiekonzerns steht, nun zurückholen. Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Um sich die Unterstützung ihres Onkels Alcachofa (Javier Gutiérrez) und ihres Freundes Rafa (Pep Ambròs) zu sichern, tischt sie beiden ein dreistes Märchen auf.

    In Ken Loachs Filmen sind die Sympathien des Filmemachers meist klar verteilt. Schließlich verstehen er und Laverty sich als Anwälte der Leute, die das gegenwärtige politische und wirtschaftliche System längst abgehängt hat. Ihnen zumindest im Kino etwas von ihrer Würde zurückzugeben, ist das große Verdienst dieser beiden Erzähler. Icíar Bollaín, die 2010 bereits „Und dann der Regen“ gemeinsam mit Paul Laverty fertigstellte, schwebt etwas Ähnliches vor. Ihre Figuren sind die Verlierer eben dieser neoliberalen Goldgräberstimmung, die Spanien in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts mit der Einführung des Euro erfasst hat. Alles schien möglich, doch die großen Träume sind genauso wie die wirtschaftliche Blase geplatzt.

    Nur die Schulden aus den vermeintlichen Boomjahren sind Alcachofa und seinem Bruder, Almas Vater, geblieben, und von denen werden sie sich kaum mehr befreien können. Aber was noch schwerer wiegt: Mit ihren großen Ambitionen haben sie zugleich auch die Zukunft der Generationen nach ihnen verspielt. So wird Anna Castillos Alma, die sich kaum unter Kontrolle hat, zur Stellvertreterin der Jugend Spaniens. Ihre Wut und ihre Sehnsucht nach einer Vergangenheit, in der noch nicht alles zerstört war, spiegelt kongenial die Stimmung eines ganzen Landes wider. Und genau darin liegt die Stärke von „El Olivo“. Icíar Bollaín und Paul Laverty fangen im ersten Drittel des Films die deprimierende Wirklichkeit Südeuropas ein, ohne in Larmoyanz oder simple Agitprop-Muster zu verfallen. In der Hinsicht erinnert ihre Zusammenarbeit sogar ein wenig an Miguel Gomes‘ „1001 Nacht“-Trilogie.

    Allerdings verzichten Bollaín und Laverty ganz auf alles Selbstreflexive. Das Erzählen wird bei ihnen nie zum Thema. So präzise sie die Gegenwart schildern, so märchenhaft ist ihre Antwort auf die bestehenden Probleme. In dem Moment, in dem Alma und ihre beiden Helfer in Richtung Düsseldorf aufbrechen, entwickelt sich „El Olivo“ zu einer durchaus liebenswerten, aber letzten Endes doch sehr stereotypischen Feel-Good-Komödie. Den aufrechten Spaniern steht ein undurchsichtiger deutscher Konzern entgegen, der wirklich jedes Klischee nicht nur erfüllt, sondern gleich übererfüllt. Zudem erhalten die drei Unterstützung von der Netzgemeinde, die Alma gleich in einen Star der sozialen Medien verwandelt. Auch das ist amüsant und treffend beobachtet. Doch der Handlungsstrang verliert sich im Ungefähren und schließlich steht Almas Geschichte nur noch für sich und scheint von allen anderen Aspekten des Films entkoppelt. Das raubt „El Olivo“ am Ende einen guten Teil seiner politischen und gesellschaftlichen Relevanz.

    Fazit: Der zweite gemeinsame Film von Icíar Bollaín und dem Ken Loach-Drehbuchautoren Paul Laverty beginnt zwar stark, läuft am Ende aber etwas ins Leere.

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