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    Mein neues bestes Stück
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mein neues bestes Stück
    Von Antje Wessels

    Mit dem deutschen Titel „Mein neues bestes Stück“ hat man der französischen Komödie „Si j’étais un homme“ – zu Deutsch: „Wenn ich ein Mann wäre“ – keinen Gefallen getan, erinnert er doch an jene schlüpfrigen und meist wenig lustigen Lustspiele, die Anfang der 2000er gefühlt im Wochentakt von den Privatsendern in die Primetime gepresst wurden. Auf den ersten Blick passt der Film von und mit Audrey Dana („French Women – Was Frauen wirklich wollen“) mit seiner Geschichte einer Frau, die eines Morgens plötzlich mit einem Penis zwischen den Beinen aufwacht, zwar nur eine marginale Abwandlung einer typischen Körper- oder Geschlechtertauschkomödie zu sein, wie wir sie schon viel zu oft gesehen haben. Aber nachdem 2016 bereits Vivian Naefe in „Seitenwechsel“ eine schematische „Mann und Frau tauschen die Rollen“-Story mithilfe engagierter Darsteller in einen soliden und sympathischen Film verwandelt hat, setzt Audrey Dana mit „Mein neues bestes Stück“ noch einen drauf: Sie umkurvt nicht nur die meisten Vorurteile gegenüber Genderswitch-Comedys geschickt, sondern gibt obendrein auch noch einen stimmigen Kommentar zum Thema Gleichberechtigung ab.

    Für Jeanne (Audrey Dana) bricht eine Welt zusammen, als ihr Ehemann nach einer zweimonatigen Beziehungspause die Scheidung verlangt. Zu allem Überfluss verliert sie dann auch noch das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder verliert und ist endgültig überzeugt, dass sie gegen die Männer nichts zu bestellen hat. „Ohne Schwanz kommt man in dieser Welt nicht weit!“, resümiert sie eines Abends und bekommt am nächsten Morgen die Quittung für ihr Selbstmitleid, als sie plötzlich mit einem Penis zwischen ihren Beinen erwacht. Schockiert konsultiert sie ihren Gynäkologen Doktor Pace (Christian Clavier), der von Jeannes Geschichte fasziniert ist und verspricht, ihr zu helfen. Doch bevor dieser eine passende Lösung gefunden hat, verändern sich Jeannes Wahrnehmungen und Empfindungen. Seit sie untenrum ein Mann ist, reagiert sie immer häufiger auf weibliche Reize, aber gleichzeitig schlägt in ihrer Brust weiterhin ganz unzweifelhaft das Herz einer Frau.

    „Mein neues bestes Stück“ ist keine Körpertauschkomödie im engeren Sinne, dafür fehlt alleine schon der Tauschpartner. In dieser vermeintlichen Einschränkung liegt zugleich eine der entscheidenden Stärken von Audrey Danas Geschichte: Die Konzentration auf eine einzige Hauptfigur, die zudem nicht plötzlich von einer Frau zum Mann wird, sondern stattdessen beide Geschlechter in sich vereint, erlaubt der Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin die ganz großen Klischee-Stolpersteine elegant zu umgehen. Zwar erlaubt sich die gebürtige Pariserin auch den ein oder anderen – pardon – Schwanzgag, aber die sind in der geschilderten Situation schließlich nicht zufällig so naheliegend, für das entsprechende mehr oder weniger alberne Verhalten wären wir in ähnlicher Lage womöglich alle anfällig.

    Vor allem nutzt Audrey Dana ihre Prämisse aber, um kräftig verschiedene Frauen- und Männerbilder durcheinanderzuwirbeln: In ihrem Film ist Platz für alleinerziehende, sitzengelassene Väter und für offensive Frauen auf der Suche nach Sexdates, aber auch für unverblümte Chauvinisten und sexuell unsichere weibliche Mauerblümchen. Jeanne wird zum Sinnbild für das befreiende, sukzessive Verschwimmen beider Geschlechterrollen, gefällt sich als verführerische Femme Fatale ebenso wie als heldenhafter Macho, der für eine Frau die schweren Getränkeflaschen aus dem obersten Regal holt (und erntet dafür prompt Spott von der besten Freundin). Und am Ende steht die Erkenntnis, dass seelisches Wohlbefinden und Zufriedenheit eben nicht vom Geschlecht abhängt.

    „Mein neues bestes Stück“ lebt von der leidenschaftlichen Darbietung von Audrey Dana, die sich nach ihrem Langfilmdebüt „French Women“ hier zum zweiten Mal selbst inszeniert. Ihre Performance reicht vom ergreifenden, emotionalen Tiefpunkt in der Position der sitzengelassenen Ehefrau bis hin zur Attitüde einer toughen Businesswoman, die sich ganz selbstverständlich auf Augenhöhe mit den Männern bewegt. Christian Clavier („Monsieur Claude und seine Töchter“) gibt dazu den zwischen Verzweiflung und Faszination changierenden Arzt mit Esprit und Charme, während Eric Elmosnino („Verstehen Sie die Béliers?“) als Jeannes schmieriger Kollege Merlin beweist, dass man sich nicht von ersten Eindrücken abschrecken lassen sollte. Die Wandlung des offensiven Schürzenjägers hin zum vom Schicksal gebeutelten Familienvater gerät mitreißend und verhilft „Mein neues bestes Stück“ zu einer Extraportion Emotionalität. Bei so viel glaubhafter Bodenständigkeit ist es wirklich schade, dass ausgerechnet das Finale dann doch in allzu generischen Bodyswitch-Komödien-Bahnen verläuft. Dafür ist die allerletzte Schlusspointe ein echter Brüller.

    Fazit: Der schauderhafte deutsche Titel wird der über weite Strecken clever erzählten Genderswitch-Komödie „Mein neues bestes Stück“ nicht gerecht: Die hinreißend aufspielende Audrey Dana vertritt hier mit viel Elan und ohne erhobenen Zeigefinger die Überzeugung, dass es vollkommen egal ist, mit welchem Geschlecht jemand geboren wurde.

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