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    Bob, der Streuner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bob, der Streuner
    Von Antje Wessels

    Katzen. Die putzigen Vierbeiner können uns Menschen mit einem Augenaufschlag oder einem Pfötchentapser um den Finger wickeln. Davon zeugen nicht nur die Abermillionen klickträchtigen Katzenvideos auf YouTube und der Kultstatus der stets schlecht gelaunten Grumpy Cat, sondern auch etliche Spielfilme, in der die Stubentiger ihren Charme spielen lassen - von der plüschigen Actionkomödie „Keanu“ bis zum passend betitelten „Voll verkatert“, in dem sich „House Of Cards“-Fiesling Kevin Spacey zum Kater macht. Und manchmal retten die Samtpfoten sogar Leben, wie der drogensüchtige Brite James Bowen im Jahr 2008 am eigenen Leib erfuhr. Der obdachlose Straßenmusiker war ganz unten, als sich eines Abends ein von ihm später Bob getaufter Straßenkater an seine Fersen geheftet und eine Wende zum Besseren eingeleitet hat. Regisseur Roger Spottiswoode („Der Morgen stirbt nie“) hat in seinem optimistischen Drama „Bob, der Streuner“ nun den dazugehörigen Tatsachenroman für die Leinwand adaptiert und daraus das bewegend-wahrhaftige Porträt eines Mannes und seines Katers sowie der innigen Liebe zwischen ihnen gemacht - wobei er die niederschmetternden Momente keineswegs ausspart.

    Der drogenabhängige James Bowen (Luke Treadaway) weiß nicht mehr, wann er die Kontrolle über sein Leben verloren hat. War es, als er seinen Job verlor? Als er aus seiner Wohnung geschmissen wurde? Oder als daraufhin der Kontakt zu seiner Familie abbrach? Mittlerweile lebt der talentierte Musiker auf der Straße und erspielt sich mit seiner Gitarre ein bisschen Geld. Doch dann muss er den Drogentod eines Freundes mit ansehen und will sein Leben radikal ändern. Er meldet sich für ein Entzugsprogramm an und bekommt von seiner Sozialarbeiterin sogar eine kleine Wohnung zur Verfügung gestellt. Trotzdem ist es ihm zunächst gar nicht recht, als sich ein streunender Straßenkater in seine vier Wände verirrt. Doch Bob lässt sich nicht abschütteln. Fortan folgt er seinem neuen Herrchen auf Schritt und Tritt und nimmt während James‘ Musiksessions in den Londoner Einkaufsstraßen auf dessen Schultern Platz. Das ungleiche Duo wird von Tag zu Tag beliebter, James findet wenig später sogar einen richtigen Job und lernt mit Belle (Ruta Gedmintas) eine sympathische junge Frau kennen. Doch dann erlebt er einen Rückfall…

    „Bob, der Streuner“ ist ein ungewöhnlicher Film. In der Geschichte von Bob und James trifft ein herzerwärmender Weihnachtsmärchen-Charme auf die harte soziale Realität und Roger Spottiswoode lässt diese so gegensätzlichen Töne in seiner Leinwandadaption ungebremst aufeinander prallen: Der ehemalige Bond-Regisseur fängt die Abgründe von James‘ „Drogenkarriere“ so brutal-ungeschönt ein (für Kinder ist der Film kaum geeignet), dass sich die heftig anzusehenden Szenen des kalten Entzugs selbst vor einem „Trainspotting“ nicht zu verstecken brauchen. Und die Aufeinandertreffen zwischen James und seinem abweisenden Vater Jack (Anthony Head) sind von einer ähnlich verstörenden Herzlosigkeit geprägt. Dass „Bob, der Streuner“ auf der anderen Seite immer wieder so liebevoll, sanft und subtil romantisch ist, verleiht den niederschmetternden dramatischen Szenen eine umso stärkere Wirkung. Auf einen Fortschritt nach vorn folgen für James zunächst immer zwei Schritte zurück, er erlebt eine Gefühlsachterbahn, für die jener oft bemühte Gegensatz „Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“ endlich einmal wirklich passt.

    Bemängelten wir erst vor Kurzem noch den fehlenden Mut, mit echten Katzen zu drehen, als die Macher von „Voll verkatert“ lieber auf Computeranimationen zurückgriffen, spielt in „Bob, der Streuner“ nicht einfach nur eine echte Katze mit, sondern der Titelheld verkörpert sich sogar selbst – und er besitzt die charismatische Persönlichkeit eines geborenen Filmstars. Wenn sich Spottiswoode immer wieder Zeit lässt, um das Geschehen an der Seite des Katers zu beobachten oder wenn er gelegentlich sogar direkt die Perspektive des Vierbeiners einnimmt, wird Bob zur stillen Triebfeder der Ereignisse. Ob der rotfellige Racker nun schnurrend auf einer Couch liegt, mit James durch die Fußgängerzone läuft oder einfach nur seine Umgebung beäugt, er stiehlt sämtlichen anderen Darstellern die Schau, obwohl Ruta Gedmintas („The Strain“) als James‘ On-Off-Freundin (und Katzenhaarallergikerin!) Belle ebenso ungekünstelt agiert wie Luke Treadaway („Unbroken“) als James, der nicht bloß Bob, sondern auch den ganzen Film mühelos auf seinen Schultern trägt.

    Fazit: Ungeschönt und traurig, aber doch wunderschön – in dieser unwahrscheinlichen Mischung aus „Once“ und „Trainspotting“ spielt Regisseur Roger Spottiswoode gekonnt auf der Klaviatur des Gefühlskinos.

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