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    Du neben mir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Du neben mir
    Von Andreas Staben

    Das Allumfassende des etwas kryptischen Originaltitels „Everything, Everything“ von Buch und Film passt ganz gut zu der unstillbaren Sehnsucht der Protagonistin, die wegen einer seltenen Krankheit ans Haus gefesselt ist. Aber der deutsche Titel des Romans von Nicola Yoon bringt das tragische Dilemma, um das es hier geht, trotzdem noch besser auf den Punkt: „Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt“. Wenn man den tollen Titel nun für die Filmversion hierzulande einfach auf ein ebenso knappes wie nichtssagendes „Du neben mir“ herunterkürzt, dann ist das bereits ein erstes Indiz dafür, was bei der Kinoadaption von Regisseurin Stella Meghie („Jean Of The Joneses“) und Drehbuchautor J. Mills Godloe („Für immer Adaline“) zu kurz kommt: Aus einer sehr persönlich erzählten Teenager-Liebesgeschichte wird eine allzu nüchtern inszenierte, deutlich stärker formelhaft wirkende Teenager-Liebesgeschichte mit einem im Filmzusammenhang fragwürdigen Twist. Von diesen dramaturgischen Holprigkeiten lassen sich die beiden jungen Hauptdarsteller Amandla Stenberg („Die Tribute von Panem“) und Nick Robinson („Jurassic World“) allerdings nicht weiter stören. Sie ergänzen sich ideal und sorgen dafür, dass die großen Gefühle zumindest punktuell zu ihrem Recht kommen.

    Die 18-jährige Maddy Whittier (Amandla Stenberg) leidet an einem Schweren kombinierten Immundefekt (SCID). Bei dieser seltenen und unheilbaren Krankheit kann bereits ein kleiner Schnupfen tödliche Folgen haben, jeder physische Kontakt mit der Außenwelt kann für Maddy lebensgefährlich sein. Deshalb lebt die junge Frau streng isoliert, darf das Haus nicht verlassen und auch keinen Besuch empfangen. Einzig ihre Mutter und Ärztin Pauline (Anika Noni Rose), die Haushälterin Carla (Ana de la Reguera) sowie deren Tochter haben Zugang zu ihr. Als nebenan neue Nachbarn einziehen, fällt Maddy beim Blick aus dem Fenster sofort der gleichaltrige Olly Bright (Nick Robinson) ins Auge. Die beiden freunden sich an, doch bald reichen ihnen Textnachrichten und Telefongespräche nicht mehr. Sie wollen sich unbedingt persönlich treffen, aber das hat Maddys Mutter verboten...

    Selten wurde das altbekannte „Gegensätze ziehen sich an“ so unverhohlen durchexerziert wie in „Du neben mir“ (wobei ihre unterschiedliche Hautfarbe mit keinem Wort erwähnt wird). Maddy trägt weiß und Olly trägt schwarz, ihr Lieblingsbuch ist das lebensbejahende „Der kleine Prinz“, seins der pessimistische „Herr der Fliegen“, ihre liebste Farbe ist aquamarin, seine selbstverständlich schwarz. Die Szene, in der die beiden einen Fragebogen beantworten, sich ihre Vorlieben und Weltsichten offenbaren und bei allen scheinbar extremen Unterschieden auch ein tiefes Verständnis und eine tiefe Zuneigung füreinander entdecken, ist eine der besten des Films. Denn hier wird das Überdeutliche von den Schauspielern mit einem Augenzwinkern versehen, ohne dass dabei das Herzklopfen auf der Strecke bleibt.

    Denn die Nähe zwischen den beiden schwer verliebten Teenies darf eben keine körperliche sein - und wie schwer es ihnen fällt, damit umzugehen, das zeigt sich in den verhuschten Gesten, in den aufgeregt leuchtenden und doch traurigen Augen von Amandla Stenberg genauso wie in der ehrlichen, aber angestrengten „Schwamm drüber“-Ritterlichkeit von Nick Robinson. Schon wenn sie ihn durch ihr großes Fenster das erste Mal sieht und er eben nicht wie ein ganz normaler Junge, sondern wie DER unerreichbare Traum-Boy auf seinem Skateboard gleichsam durchs Bild schwebt, dann trifft der genretypische Kitsch auf die brutale Wahrheit eines unüberwindbaren Hindernisses.

    Das erste Drittel des Films mit der zarten Romanze, die keine sein darf, ist das stärkste, aber auch in „Du neben mir“ ist das Unmögliche schließlich nicht ganz so unmöglich wie es zunächst scheint und das bringt erzählerische Probleme mit sich. Es ist natürlich begrüßenswert, wenn eine solche Geschichte auch eine Prise Hoffnung bereithält, aber ohne zu viel verraten zu wollen: Die entsprechenden Wendungen sind hier nicht nur unelegant eingefädelt, sondern bringen den ganzen Film thematisch und tonal ins Wanken. Und wer darüber hinwegsieht, muss dann verwundert feststellen, dass die Flucht nach Hawaii und die Fantasieerfüllung dort fast genauso keimfrei rüberkommt wie die Szenen im steril-schicken Edelgefängnis daheim. Gelegentlich platziert Regisseurin Stella Meghie die beiden jungen Liebenden auch in überdimensionierten Modellen etwa einer Bibliothek (der Modellbau ist ein Hobby von Maddy). Dort bewegen sie sich wie zwei lebendig gewordene Puppen in einer künstlichen Umgebung – das ist der stärkste Inszenierungseinfall des Films, doch selbst in der vermeintlichen Freiheit werden die Akteure hier nicht aus dem Korsett der Künstlichkeit entlassen.

    Fazit: Allein die beiden fabelhaften Hauptdarsteller hauchen dieser dramaturgisch unausgegorenen Teenie-Romanze Leben ein.

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