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    The Peanut Butter Falcon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Peanut Butter Falcon

    Keine Shia-LaBeouf-Show

    Von Lars-Christian Daniels

    Egal ob Barry Levinsons Klassiker „Rain Man“, Andrei Konchalovskys Tragikomödie „Homer und Eddie“ oder der diesjährige Oscar-Abräumer „Green Book“: Die Filmgeschichte ist voll von kurzweiligen Roadmovies, in denen sich zwei Hauptfiguren anfangs nicht sonderlich mögen, deren Verhältnis zueinander sich aber durch ein gemeinsames Abenteuer nachhaltig verändert. Auch „The Peanut Butter Falcon“ unter Regie von Tyler Nilson und Mike Schwartz funktioniert nach eben diesem Erfolgsrezept: Die Filmemacher schicken einen kriminellen Krabbenfischer und einen aufgeweckten jungen Mann mit Down-Syndrom auf einen turbulenten Trip durch die rauen Sumpflandschaften North Carolinas, vor deren Kulisse es allerlei Herausforderungen zu meistern gilt. Neben der erfrischenden Leistung von Newcomer Zachary Gottsagen in der Hauptrolle und seinem großartigen Zusammenspiel mit Shia LaBeouf („Borg/McEnroe“), der hier mal nicht im Vordergrund steht, besticht „The Peanut Butter Falcon“ mit Situationskomik und kuriosen Wendungen, wirkt dabei aber stellenweise zu formelhaft und enttäuscht mit einem halbgaren Ende.

    Der Krabbenfischer Tyler (Shia LaBeouf) hat nicht nur seinen Bruder Mark (Jon Bernthal) verloren, sondern auch seine Lizenz. Als er vom skrupellosen Fischereibetreiber Duncan (John Hawkes) und dessen Handlanger Ratboy (US-Rapper Yelawolf) unsanft vor die Tür gesetzt wird, steckt er kurzerhand deren Lager in Brand und macht sich aus dem Staub. Was Tyler nicht ahnt: Unter einer Plane seines Motorboots hat sich der 22-jährige Zak (Zachary Gottsagen) versteckt, der nur mit einer Unterhose bekleidet aus einem Altenheim geflohen ist, in das man ihn wider Willen wegen seines Down-Syndroms gesteckt hat. Statt sein Leben mit pflegebedürftigen Rentnern zu verbringen, träumt Zak von einer Karriere als Wrestling-Star: Sein großes Vorbild ist der Profi-Catcher „Salt Water Redneck“ (Thomas Haden Church), der nach Ende seiner Karriere eine Wrestlingschule im gut 100 Meilen entfernten Ayden eröffnet hat. Während Tyler den geistig behinderten Mann bei seiner Flucht zunächst als Klotz am Bein sieht, entwickelt sich zwischen den beiden schon bald eine ungewöhnliche Freundschaft. Gemeinsam schlagen sie sich den Weg durch die Pampa nach Ayden – doch Duncan und Ratboy sind ihnen ebenso auf den Fersen wie Zaks Betreuerin Eleanor (Dakota Johnson)…

    Ein ungleiches Team

    Hast du Geld?“, fragt der mittellose Tyler seinen nur mit einer Unterhose und einem verwaschenen T-Shirt bekleideten Weggefährten Zak, und der antwortet trocken: „Nein, ich hab kein Geld. Ich hab ja noch nicht mal Taschen.“ Es sind pointierte Dialoge wie diese und viele weitere aberwitzige Situationen, die „The Peanut Butter Falcon“ vor allem in der ersten Filmhälfte, in der sich die ungleichen Ausreißer beschnuppern und ausgiebig kennenlernen dürfen, zu einer oft brüllend komischen Angelegenheit machen. Dabei müssen die Filmemacher Tyler Nilson und Mike Schwartz, die ihr gemeinsames Langfilmdebüt über ihre eigene Produktionsfirma Lucky Treehouse realisiert haben, zunächst mal eine Gratwanderung meistern: Einen übergewichtigen jungen Menschen mit Trisomie 21 und einer Vorliebe für Erdnussbutter halbnackt durch die Sümpfe zu jagen, ohne ihn dabei der Lächerlichkeit preiszugeben, muss man erst einmal hinbekommen.

    Nilson und Schwartz gelingt das mit Bravour, was aber auch an der sympathischen Leistung von Hauptdarsteller Zachary Gottsagen liegt: Zu keinem Zeitpunkt des Films hat man das Gefühl, der Schauspieler mit Down-Syndrom würde eine vordefinierte Rolle spielen – vielmehr macht sein unbekümmerter Auftritt die wendungsreiche Odyssee von Beginn an zu einer unheimlich authentischen Angelegenheit. Mit seinem entwaffnenden Selbstbewusstsein, einer Schlagfertigkeit, die man ihm zunächst kaum zutrauen würde, und seinem köstlichen „Straßen-Sprech“ stiehlt Zak gleich reihenweise Szenen. Da kann man schon mal darüber hinwegsehen, dass manche Gags schon Sekunden im Voraus zu erahnen sind (Stichwort: Rückstoß der Schrotflinte) und im Drehbuch des wendungsreichen Roadmovies einige Logiklöcher klaffen. Bereits der Erfolg von Tylers einleitender Flucht durchs Schilf setzt schließlich eine an Blindheit grenzende Kurzsichtigkeit seiner rabiaten Häscher voraus – später werden die Flüchtigen dann beim Durchqueren eines Flusses von einem röhrenden Krabbenkutter „überrascht“, den wohl selbst ein Schwerhöriger aus vielen Kilometern Entfernung wahrgenommen hätte.

    Viele schräge Vögel

    Ansonsten setzen die Filmemacher voll auf die erfolgserprobten Elemente, die man auch in vielen anderen Roadmovies findet, wenngleich sich Zak und Tyler vorwiegend auf dem Wasser fortbewegen: Aus zwei anfangs grundverschiedenen Charakteren, die unter normalen Umständen kaum in Kontakt gekommen wären, werden im Laufe der Zeit Freunde, die durch dick und dünn gehen und die sich aus der einen oder anderen misslichen Lage befreien müssen. Dabei dürfen auch die üblichen schrägen Vögel nicht fehlen, denen Tyler und Zak bei ihrer Odyssee nach Ayden begegnen: Neben einem schüchternen Gemischtwarenhändler (Bruce Henderson) mit selbstgebranntem Schnaps unter der Theke und dem blinden Geistlichen Jasper (Wayne Dehart) ist hier vor allem der abgehalfterte Ex-Wrestler Clint zu nennen, der sich extra für seinen Edelfan Zak noch einmal in seine Kampfmontur als „Salt Water Redneck“ wirft. Schauspieler Thomas Haden Church – gewohnt charismatisch – kennen wir noch gut aus einem anderen Roadmovie: Alexander Paynes Meisterwerk „Sideways“ hat es bei FILMSTARTS 2015 auf Platz 6 der besten Roadmovies aller Zeiten geschafft.

    Von der Klasse dieser Genreperle ist „The Peanut Butter Falcon“ unterm Strich aber ein ordentliches Stück entfernt: Im enttäuschenden Schlussdrittel wird aus der Männerfreundschaft ein Trio – und mit Altenpflegerin Eleanor stößt eine Figur zu den Flüchtigen, die deutlich eindimensionaler ausfällt als die beiden Männer und die auch stets genau das tut, was man von ihr erwarten würde (zum Beispiel den mahnenden Zeigefinger heben oder sich in Draufgänger Tyler vergucken). Spätestens ab diesem Zeitpunkt wirkt „The Peanut Butter Falcon“ viel formelhafter und kitschiger, als es bis dato der Fall ist – das große Finale bei einem Wrestling-Event in der Pampa (Kurzauftritt von Ex-WWF-Star Jake „The Snake“ Roberts inklusive) gerät dann auch noch sehr albern und der Schlussakkord des Films ist fast schon ein Ärgernis. Zwar muss nicht jeder Handlungsstrang immer in Gänze auserzählt werden, doch stehlen sich die Filmemacher hier dermaßen halbgar aus der Affäre, dass nach dem Abspann so mancher Zuschauer mit einem absolut unbefriedigenden Gefühl zurückbleiben dürfte.

    Fazit: In „The Peanut Butter Falcon“ gehört die Show nicht Shia LaBeouf, sondern Newcomer Zachary Gottsagen. Das sympathische Roadmovie ist kurzweilig und witzig – zumindest bis zum letzten Drittel.

    Wir haben „The Peanut Butter Falcon“ auf dem Filmfest Hamburg 2019 gesehen.

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