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    Nobody's Fool
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Nobody's Fool

    Fremdschämen in Manhattan

    Von Oliver Kube

    Tiffany Haddish ist eine talentierte Darstellerin, die nicht nur emotional überzeugend, sondern auch wirklich witzig sein kann. Das zeigt sie aktuell etwa in der TV-Serie „The Last O.G.“ an der Seite von Tracy Morgan. Leider wird die Kalifornierin in Kinokomödien trotzdem meist nur als aggressiv-vulgäres Ghetto-Girl gecastet, ein Charakter, den sie mittlerweile im Schlaf beherrscht. Dass sie nicht nur das Aussehen, sondern außerdem die Cleverness, den Charme sowie das Charisma für andere, anspruchsvollere und vielschichtige Parts hätte, stellt die Schauspielerin immer wieder bei Auftritten in diversen Talkshows im US-Fernsehen unter Beweis. Bis sich aber mal ein Regisseur, vielleicht vom Format eines Adam McKay, Steve McQueen oder Barry Jenkins traut, ihr eine solche Rolle zu geben, wird sich Haddish ihre Brötchen wohl noch eine Zeit mit nervig-niveauarmem Klamauk wie „Uncle Drew“, „Night School“ oder nun eben „Nobody’s Fool“ verdienen müssen. Der positivste Aspekt an der neuen Romantikkomödie von Vielfilmer Tyler Perry ist tatsächlich noch das ehrliche Engagement, mit dem sich Haddish absolut furchtlos in diesen oft zum Fremdschämen einladenden Streifen wirft.

    Die New Yorkerin Danica (Tika Sumpter) ist gebildet und attraktiv, hat einen gutbezahlten Job in einer Werbeagentur sowie loyale Freunde. Zum perfekten Glück fehlt ihr nur noch ein Mann. Seit ihr Ex-Verlobter sie kurz vor der Hochzeit sitzenließ, ist Danica unfähig, eine Bindung einzugehen – weder mit dem netten Coffeeshop-Besitzer Frank (Omari Hardwick), der offensichtlich verrückt nach ihr ist, noch mit dem geheimnisvollen Verehrer, mit dem sie seit über einem Jahr online und am Telefon flirtet. Doch dann wird ihre kleinkriminelle Schwester Tanya (Tiffany Haddish) aus dem Gefängnis entlassen und stellt Danicas streng geregelten Alltag komplett auf den Kopf. Nicht nur zieht Tanya einfach bei ihr ein und bringt die penible Ordnung der Luxuswohnung in Manhattan durcheinander, sie mischt sich auch noch gnadenlos in Danicas Privatleben ein…

    Schon während der Eröffnungsszene in Danicas Schlafzimmer, die sexy und lebendig wirken soll, aber nur plump und gestellt daherkommt, wird eines klar: Die knapp zwei Stunden Laufzeit dieses Films dürften sich verdammt in die Länge ziehen. Tika Sumpters („Ride Along“) superbrave, verklemmte Figur ist von Anfang an schlicht langweilig und von Perrys Drehbuch ohne irgendwelche interessanten Ecken oder Kanten gezeichnet. Darüber hinaus nervt der penetrante Unterton, eine offenbar erfolgreiche, intelligente Frau wie sie könne ohne einen Kerl an ihrer Seite einfach kein erfülltes Dasein führen. Mitgefühl für diese Situation will da einfach nicht aufkommen. Und wer schon mal einen der 90er-Romantik-Hits mit Jennifer Lopez oder Meg Ryan gesehen hat, weiß ohnehin spätestens nach 15 Minuten, wo der Handlungs-Hase hier langlaufen wird. Für ein wenig Pep soll deshalb die von Tiffany Haddish gespielte, krass fluchende, kiffende und saufende Knackie-Schwester sorgen. Doch bereits ihre Einführung, in der die frisch Entlassene auf dem Parkplatz des Gefängnisses wahllosen Sex mit irgendeinem hergelaufenen Heini hat, ist so überzogen geschrieben und in Szene gesetzt, dass sie dem Zuschauer anstelle eines Lachens eher eiskalte Schauer beschert.

    Die Nebenfiguren sind größtenteils Staffage und haben kaum etwas bis nichts zu tun. Das fängt an bei Danicas gutherziger Assistentin und bester Freundin Kalli (Amber Riley, „Glee“), deren wenige Dialogzeilen allzu offensichtlich allein der Exposition dienen. Der Cameo-Auftritt von Starkomiker Chris Rock („Kindsköpfe“) als notgeiler Rollstuhlfahrer mit Michael Jacksons „Thriller“-Frisur ist gleichermaßen überflüssig wie peinlich. Dazu kommen Klischeecharaktere, die in Tylers Brachial- Komödien und Seifenoper-Melodramen offenbar nie fehlen dürfen. Da wäre die abgehoben-überkandidelte sowie inkompetente Chefin (Missi Pyle, „Charlie und die Schokoladenfabrik“), für die die arme Protagonistin regelmäßig die Kohlen aus dem Feuer holt. Nicht zu vergessen Whoopi Goldberg („Die Farbe Lila“) als kratzbürstig-exzentrische Mutter der Schwestern mit kurzen Anfällen von Kalenderweisheit und einer unfassbar gruseligen Perücke aus Tina Turners Mottenkiste. Diese Typen könnten genauso gut in Perrys inzwischen unsäglicher Madea-Reihe („Das verrückte Tagebuch“ und mittlerweile zehn Sequels) sowie seinen diversen TV-Serien à la „Tyler Perry's House Of Payne“ oder „For Better Or Worse“ auftauchen.

    Trotz seiner offensichtlichen Mängel spielte der Film in den US-Kinos knapp das Doppelte seines Budgets ein und landete immerhin auf Platz drei der Box-Office-Charts. Der anhaltende Erfolg der Perry-Kreationen ist ebenso erstaunlich wie verwunderlich. Die Arbeiten des Filmemachers quellen durch die Bank über vor platten Klischees, schwachen Figuren und geschmacklosen Holzhammergags. „Nobody’s Fool“ ist nur eine weitere seiner typisch unausgegorenen Mixturen aus schnulziger Liebesschmonzette und trashig-vulgärem Humor mit klobig reingezwängtem, wenig authentisch wirkendem Sozialkommentar. Echte Emotionen kommen hier niemals auf. Beispielhaft für diese unbeholfene Seelenlosigkeit ist die finale Szene, in der die zuvor wenig glaubhaft geläuterte, doch noch zur Liebe bekehrte Danica plötzlich im strömenden Regen eine R&B-Schnulze für ihren Angebeteten vor dessen Haustür schmettert. Das Ganze soll wohl an John Cusacks legendären Ghettoblaster-Einsatz in „Teen Lover“ erinnern, ist aber viel zu lang und übertrieben ausgewalzt. So hört die Komödie genauso enttäuschend-unlustig auf wie sie begonnen hat.

    Fazit: Ein unlustiger, unausgegorener, holprig zusammengestöpselter Mischmasch aus schaler Romanze und oft peinlich vulgärem Slapstick.

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