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    Peninsula
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Peninsula

    Mehr "Mad Max", weniger "Snowpiercer"

    Von Christoph Petersen

    Der Zombie-Actionfilm „Train To Busan“ lockte bei seinem Start im Sommer 2016 circa 11,6 Millionen Besucher in die südkoreanischen Kinos. Das sind mehr als 20 Prozent der Bevölkerung des ostasiatischen Staates. In Deutschland müssten sich mehr als 18 Millionen Menschen einen Film im Kino ansehen, um ein vergleichbares Ergebnis zu erzielen – das ist in den vergangenen 60 Jahren seit Beginn der offiziellen Zählung nur „Das Dschungelbuch“ und „Titanic“ gelungen! Selbst solche Publikums-Magneten wie „Avatar“, „Harry Potter und der Stein der Weisen“ oder „Der Schuh des Manitu“ sehen da im Vergleich ganz schön alt aus. Kein Wunder also, dass nach dem animierten Prequel „Seoul Station“ nun auch noch ein Sequel zu „Train To Busan“ folgt …

    … zumal der Vorgänger eben nicht nur an den Kinokassen megaerfolgreich war, sondern nach seiner Weltpremiere auf dem Filmfestival in Cannes auch bei Kritikern und Fans hervorragend ankam: Das Konzept, ein großgedachtes Zombie-Actionfeuerwerk ausgerechnet in einem so beengten Setting wie dem titelgebenden Schnellzug von Seoul nach Busan abzufeuern, ging voll auf. Im Gegensatz dazu erweist sich die Fortsetzung „Peninsula“, erneut geschrieben und inszeniert von Sang-ho Yeon („Telekinese“), nun allerdings als unerwartet generischer Action-Blockbuster, in dem die Untoten-Horden zudem nur eine größere Nebenrolle spielen. Statt Zombies im Zug heißt es diesmal „Mad Max“ in der (ehemaligen) Millionen-Metropole.

    Die Söldner-Truppe Unite 361 lässt Gefangene in Gladiatorenkämpfen gegen Zombies antreten.

    Nach einem Prolog setzt „Peninsula“ vier Jahre nach den Geschehnissen aus „Train To Busan“ ein: Die gesamte südkoreanische Halbinsel (= Peninsula) steht noch immer unter Quarantäne. Schon kurz nach dem Ausbruch der Zombie-Epidemie haben sich die Nachbarstaaten nach einigen blutigen Zwischenfällen geweigert, weitere Flüchtlinge aus Südkorea aufzunehmen. Der ehemalige Armee-Hauptmann Jung Seok (Dong-Won Gang) hat es zwar gerade noch rechtzeitig nach Hong Kong geschafft – dafür allerdings einen hohen Preis gezahlt: Nicht nur sind seine Schwester und Nichte auf der Flucht den Zombies zum Opfer gefallen, als Immigrant ohne Aufenthaltserlaubnis kann er sich in seiner neuen „Heimat“ auch keinerlei Existenz aufbauen.

    Da klingt das Angebot natürlich verlockend: Jung Seok soll gemeinsam mit seinem einzig verbliebenen Freund Chul-min (Do-Yoon Kim) und zwei weiteren Mitstreitern nach Soul zurückkehren und dort einen Truck mit 20 Millionen US-Dollar aus dem Inneren der Stadt zum Hafen fahren. Aber das Himmelfahrtskommando endet in einer Katastrophe, als plötzlich die Seoul kontrollierende und alles nach verbliebenen Vorräten abgrasende Söldner-Truppe Unit 361 auftaucht. Gerade noch rechtzeitig wird Jung Seok gerettet – und zwar von der mit ihrem SUV durch die Zombie-Horden driftenden Teenagerin Jooni (Re Lee) und ihrer kleinen Schwester Yu-jin (Ye-Won Lee), die die Untoten mit ihrem blinkenden ferngesteuerten Auto weglockt…

    Zombies als Zierde

    Im Prolog, wenn das Virus diesmal nicht in einem Zug, sondern auf einem Schiff um sich greift, wirken die agilen Untoten, die von Geräuschen angelockt werden, aber im Dunkeln nichts sehen können, tatsächlich noch immer so furchterregend wie im ersten Teil. Aber nach einem Zeitsprung fungieren die Zombiehorden, ausgenommen eine perfide Weiterentwicklung der klassischen Gladiatorenkämpfe im römischen Kolosseum, hauptsächlich als Staffage, damit die Protagonisten auf dem Weg von A nach B etwas zum Umnieten haben. Jooni und Yu-jin sind fraglos zwei coole Figuren, mit denen man sehr gerne Zeit verbringt – aber wenn selbst eine 13-Jährige und eine Neunjährige das Über-den-Haufen-Fahren von Zombies als amüsanten Freizeitvertreib begreifen, dann ist es mit dem Schreckenspotenzial der Untoten eben nicht mehr so weit her.

    Statt der Zombies wird die Unit 361 als neue zentrale Bedrohung aufgebaut. So entwickelt sich das Sequel über weite Strecken zu einer südkoreanischen Antwort auf „Mad Max“ & Co. – und das hat neben dem das postapokalyptische Seoul plündernden Söldner-Trupp auch mit der Vielzahl an Auto-Actionszenen zu tun. Aber da zieht „Peninsula“ natürlich den Kürzeren: Die unglaubliche Kinetik eines „Mad Max: Fury Road“ wird so schnell ohnehin niemand mehr erreichen – aber hier sind die computergenerierten Effekte mitunter gar so auffällig, dass den Massenkarambolagen einfach das nötige Gewicht fehlt, um wirklich unter die Haut zu gehen. Wobei die Protagonisten auf der anderen Seite schon wieder so obszön viele Zombies umdriften, dass die Action-Sequenzen trotz solcher Abzüge in der B-Note durchaus Spaß machen.

    Wie beim Sommerschlussverkauf: Die Zombies reißen sich um Yu-jins bunt-blinkendes Fernsteuer-Auto.

    „Train To Busan“ wurde nicht nur für sein Setting und seine Action, sondern zu Recht auch für die starken Charaktere gelobt. In „Peninsula“ tritt nun ein vollkommen neues Figurenarsenal auf – und wirklich ins Gedächtnis spielen können sich davon eigentlich nur Jooni und Yu-jin: Zwei derart junge Badass-Heldinnen in einem Zombie-Blockbuster – das hätte leicht affig wirken können, funktioniert hier aber erstaunlich gut. Als zentraler Anker für Jung Seok dienen hingegen seine Schuldgefühle, weil er vor vier Jahren genau an den zwei um Hilfe bettelnden Mädchen vorbeigefahren ist, die ihm nun – ohne zu zögern – den Arsch gerettet haben. Das wirkt nicht nur arg konstruiert – der emotionale Abgrund wird auch kaum weiter ausgelotet.

    So bleibt ein abgesehen von einigen CGI-Aussetzern handwerklich richtig gut gemachter Action-Blockbuster, der seinen Pathos ohne das im Blockbuster-Segment gerade so angesagte Augenzwinkern präsentiert. In dieser Hinsicht erinnert „Peninsula“ also weniger an aktuelle „Fast & Furious“-Filme als vielmehr an solche Neunziger-Blockbuster wie „Independence Day“ oder „Armageddon“. Sprich: Wer sich einen innovativen Film wie „Train To Busan“ erhofft, wird sicher enttäuscht. Aber wer Bock auf Old-School-Blockbuster-Action mit gewaltigen Zombiehorden hat, sollte „Peninsula“ trotzdem eine Chance geben.

    Fazit: Ein kurzweilig-krachender, aber auch unerwartet generischer Action-Blockbuster aus Südkorea, dem die besondere Note des gefeierten Originals völlig abgeht.

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