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    Tatort: Bombengeschäft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Bombengeschäft

    Durch und durch durchschnittlich

    Von Lars-Christian Daniels

    2.138 Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg wurden zwischen Januar und September 2018 gefunden – und zwar allein in Nordrhein-Westfalen! Gestiegen ist die Zahl dieser Funde in den vergangenen Jahren unter anderem aufgrund der derzeitig boomenden Baubranche, und so erwartet die Kampfmittelräumdienste auch zukünftig reichlich Arbeit – deutschlandweit liegen Schätzungen zufolge schließlich noch zehntausende Blindgänger unter der Erde. Einer von ihnen wird in Thomas StillersTatort: Bombengeschäft“ in einem Kölner Neubaugebiet gefunden – und weil sich Zweifel daran ergeben, dass es sich bei der Detonation der Bombe und dem sofortigen Tod des Sprengmeisters um einen tragischen Unfall handelt, werden mit den Kommissaren aus der Domstadt zwei der beliebtesten Ermittler der Krimireihe auf den Fall angesetzt. Bei deren 75. gemeinsamen Einsatz kommen die zahlreichen Fans dann auch einmal mehr auf ihre Kosten: Stillers Sonntagskrimi ist ein „Tatort“ der alten Schule, bei dem Überraschungen allerdings ausbleiben und der ein oder andere Lapsus sich ins Skript eingeschlichen hat.

    Im Neubaugebiet „Flora Quartier“ in Köln-Nippes wird eine Fliegerbombe gefunden. Gemeinsam mit seiner Kollegin Katharina Vostell (Isabel Thierauch) gelingt es Sprengmeister Peter Krämer (Beat Marti), sie zu entschärfen – doch als die beiden auf das Gelände des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zurückkehren, kommt Krämer bei einer Explosion ums Leben. Tragischer Unfall oder gezielter Mord? Gerichtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) findet Hinweise, dass der Tote von einer Handgranate in Stücke gerissen wurde. Neben Krämers Kollegen Joachim Maiwald (Adrian Topol) gerät auch dessen Vater, der Dienststellenleiter Maiwald Senior (Ralph Herforth), unter Verdacht. Oder hat der an den Rollstuhl gefesselte Alexander Haug (Sascha Alexander Geršak), der bei einem Einsatz im Bosnienkrieg von Krämer allein gelassen wurde, etwas mit dem Anschlag zu tun? Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) fühlen auch Krämers Witwe auf den Zahn: Die Bosnierin Alena (Alessija Lause) hat ihren Mann ebenfalls im Krieg kennengelernt und noch immer mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen. Außerdem unter Verdacht stehen der Bauunternehmer Raimond Gebel (Marco Hofschneider) und der vorbestrafte Sascha Feichdinger (Thomas Darchinger), der wie die Krämers ein Haus im „Flora Quartier“ kaufen wollte…

    Die Maiwalds gehören zu den Tatverdächtigen.

    Glück im Spiel, Pech mit den Eiern“, scherzt der um ein Bein und seine Hoden gebrachte Alexander Haug nach einer Glückssträhne am Spielautomaten – und dieser Gag ist bei weitem nicht das einzige Beispiel dafür, mit welch entwaffnendem Galgenhumor der Rollstuhlfahrer seiner körperlichen Einschränkung begegnet. Der von Sascha Alexander Geršak („Gladbeck“) charismatisch gespielte Ex-Kampfmittelbeseitiger ist die spannendste Figur im 1089. „Tatort“ – was neben seinem köstlichen Zynismus aber auch daran liegt, dass die anderen Nebenfiguren mit Ausnahme von Witwe Alena Krämer nur mit sehr grobem Pinselstrich skizziert werden. Mehr als ein, zwei Eigenschaften gesteht Regisseur und Drehbuchautor Thomas Stiller („Die Haut der Anderen“) ihnen nicht zu, so dass sich vieles in Klischees erschöpft: Da gibt es den profitgierigen Bauunternehmer Gebel, der nicht an der Lebenssituation, sondern nur am Kontostand und am polizeilichen Führungszeugnis seiner Kunden interessiert ist, den spielsüchtigen Joachim Maiwald, der seinem Vater beweisen will, dass er an der Sprengkapsel doch etwas auf die Reihe bekommt, und natürlich den gemütlichen Assistenten „Jütte“ (Roland Riebeling), der auch bei seinem vierten Einsatz am Rhein vor allem an einer möglichst ungestörten Mittagspause und einem frühen Feierabend interessiert ist.

    Für dramaturgische Experimente – Ausnahmen wie der doppelbödige „Tatort: Weiter, immer weiter“ oder der vielgelobte „Tatort: Franziska“ bestätigen die Regel – war der Sonntagskrimi aus Köln noch nie bekannt, und auch im „Tatort: Bombengeschäft“ läuft wieder alles nach Plan: eine Leiche zum Auftakt, ein Besuch bei der Spurensicherung, ein paar Stippvisiten am Arbeitsplatz des Toten und schließlich die Recherchen in dessen privatem Umfeld, ehe schließlich aus einem halben Dutzend Tatverdächtiger der Mörder ausgewählt wird. All das will sonntags eine achtstellige Zahl an Zuschauern im bodenständigen Krimi aus Köln sehen und all das bekommt das Publikum hier auch geliefert. Wer in der Hoffnung auf überraschende Wendungen, fesselnden Suspense oder zumindest auf einen verblüffenden Twist auf der Zielgeraden eingeschaltet hat, guckt allerdings in die Röhre: Das konstruierte Finale in der Baugrube des Neubaugebiets gerät sogar zur unfreiwilligen Lachnummer, weil es so bemüht und realitätsfern ausfällt, dass sich die beabsichtigte Dramatik hier auch trotz des aufdringlichen Soundtracks nicht einstellen will.

    Ein gemächlicher Krimi

    Ansonsten gestalten sich die Inszenierung und das Erzähltempo – vor einer spannend arrangierten nächtlichen Sequenz in Krämers Schlafzimmer abgesehen – eher gemächlich: Die Kommissare fassen ihre Erkenntnisse nach jedem Besuch im Umfeld des Mordopfers beim Gang zu Freddys Oldtimer oder am Reißbrett im Präsidium noch schnell zusammen – angesichts der vielen Figuren könnten denkfaulere Zuschauer ja den Anschluss oder den Überblick verlieren. Dem erfreulich unverbrauchten Thema Kampfmittelbeseitigung gewinnen die Filmemacher dabei aber weniger ab, als man anfangs meinen sollte: Nach dem ersten Besuch auf Krämers Dienststelle gerät dessen Arbeitsalltag schon bald wieder in den Hintergrund. Denn statt sich zum Beispiel intensiv damit zu befassen, welch immenser psychischer Belastung ein Bombenentschärfer in einer Extremsituation standhalten muss, wird das ganze durch Haugs (mindestens einmal zu viel bemühten) Hoden-Gag ironisiert oder gleich ganz ausgeklammert. So geht es in diesem Krimi am Ende doch nur wieder um die Liebe, ums Geld und um teuren Wohnraum in Großstädten – und das sind nun wahrlich keine Themen, die man im „Tatort“ noch nicht gesehen hätte.

    Fazit: Thomas Stillers „Tatort: Bombengeschäft“ bietet solide Krimikost – aber weit weniger Sprengstoff, als sein Titel es vermuten lässt.

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