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    Jeanne du Barry - Die Favoritin des Königs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Jeanne du Barry - Die Favoritin des Königs

    Das große Kino-Comeback von Johnny Depp!?

    Von Christoph Petersen

    Seit der mit einem gewaltigen Medienecho live übertragene Schlammschlacht-Prozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard in den USA mit einem überwiegenden Sieg für den „Fluch der Karibik“-Fanliebling zu Ende gegangen ist, fragt sich die ganze (Film-)Welt, ob er nach seinem zwischenzeitigen Hollywood-Ausstoß womöglich doch noch eine zweite Chance auf der großen Leinwand erhalten wird? Zumindest scheint es inzwischen nicht länger 100-prozentig ausgeschlossen, dass Depp nicht doch noch einmal als Captain Jack Sparrow ans Steuer der Black Pearl zurückkehren wird. Aber nun hat erst einmal die französische Schauspielerin und Regisseurin Maïwenn („Poliezei“) die Gunst der Stunde genutzt und den (ehemaligen) Megastar in ihrem Kurtisanen-Kostümfilm „Jeanne du Barry“ als König Ludwig XV. besetzt.

    Die Besetzung mit einem derart prominenten Namen dürfte den Kostüm-Sponsor Chanel ebenso gefreut haben wie die u. a. aus Saudi-Arabien stammenden Geldgeber, die den Film mit einem ausgesprochen opulenten Budget von 22,5 Millionen Dollar ausgestattet haben. Aber wie schlägt sich Johnny Depp in seiner ersten Rolle nach seiner Rückkehr – zumal er sie auch noch in französischer Sprache und oft schwer geschminkt absolvieren muss? Dass er dabei zumindest ein Stück weit wie ein ablenkender Fremdkörper wirkt, das lässt sich in der aktuellen Situation wohl kaum vermeiden. Aber darüber hinaus macht er einen ordentlichen Job – vor allem in jenen Szenen, in denen er als König einen geradezu schelmischen Spaß daran entwickelt, dass sich seine titelgebende Geliebte über die oft absurden Traditionen und Rituale des Hofes hinwegsetzt.

    Dass es Jeanne du Barry (Maïwenn) wagt, dem König beim Verbeugen in die Augen zu schauen, ist nur einer von vielen eigentlich unverzeihlichen Regelverstößen am Hofe…

    Die aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Jeanne Bécu (Maïwenn) nutzt ihren Charme, ihre Intelligenz und ihre offenherzige Art, um die gesellschaftliche Leiter im Frankreich der 1760er Jahre immer weiter emporzusteigen. Irgendwann erregt sie dabei sogar das Aufsehen von König Louis XV. (Johnny Depp), der vor allem ihre so natürliche wie selbstbewusste Art schätzt und sie nach dem Tod seiner Frau zur Favoritin unter seinen Mätressen kürt. Am Hof in Versailles erregt ihr forsches Auftreten zwar jede Menge Missgunst und Neid …

    … aber auch Bewunderung: Wenn die feinen Frauen nur lange genug mit der Nase gerümpft haben, fangen sie dann doch an, den gerade noch so ungehörigen Kleidungsstil der Königskurtisane zu kopieren. Doch auch wenn der König ihr Kleider, Schmuck und sogar ganze Schlösser schenkt, ist Jeanne klar, dass ihr Schicksal an einem seidenen Faden hängt: Würde sie die Gunst des Königs verlieren, wäre sie wohl selbst ihres Lebens nicht mehr sicher! Und die erst elfjährige Marie Antoinette (die Hamburgerin Pauline Pollman), die aktuell zwar noch in Österreich weilt, aber in den kommenden Jahren an den Königshof nach Frankreich kommen soll, könnte ihr ebenfalls noch sehr gefährlich werden…

    “Pretty Woman“ in Versailles

    Auch wenn Johnny Depp in der Berichterstattung rund um den Film wenig überraschend im Zentrum steht, ist „Jeanne du Barry“ über weite Strecken vor allem eine One-Woman-Show: Maïwenn inszeniert sich in der Titelrolle als eine Art historisches Vorbild von Julia Roberts in „Pretty Woman“ – nur dass sie es mit ihrem entwaffnend-natürlichen Charme nicht nur in die Business-High-Society, sondern gleich bis an den Königshof in Versailles bringt. Das ist eine wahre Geschichte, klingt aber trotzdem märchenhaft – und wenn die neidischen Töchter des Königs als karikaturesk überhöhte Biester an die bösen Stiefschwestern aus dem Zeichentrick-Klassiker „Cinderella“ gemahnen, verfestigt sich dieser Eindruck sogar noch.

    „Jeanne du Barry“ beginnt für die aufgeschlossene Titelheldin zwar direkt mit einer Orgie und auch mit dem uralten Le Duc de Richelieu (Pierre Richard) geht es noch einigermaßen rau zur Sache, aber die Beziehung mit dem auch sonst großzügig herumhurenden König verläuft dann trotzdem in erstaunlich biederen Bahnen. Das hätte man gerade von einem Maïwenn-Film nun wirklich nicht erwartet und könnte durchaus mit Forderungen ihres prominenten Co-Stars zu tun haben. Stattdessen entwickeln die beiden eine regelrecht ansteckende kindliche Freude am gepflegten höfischen Regelbruch: Es sieht schließlich auch zu affig aus, wie selbst seine erwachsenen Kinder stets rückwärts im trippelnden Entenmarsch den Raum verlassen müssen, wenn der König anwesend ist.

    Nach diesem „orgiastischen“ Auftakt gibt sich der Rest des Films dafür, dass es um die Beziehung zwischen einem König und seiner Kurtisane geht, erotisch erstaunlich handzahm.

    Apropos merkwürdige Hofregeln: Bevor sie überhaupt ins Schlafzimmer des Königs vorgelassen wird, muss die seit ihrer Heirat Jeanne du Barry heißende Protagonistin erst einmal eine herabwürdigende gynäkologische Untersuchung (mit wenig vertrauenerweckenden Apparaturen) über sich ergehen lassen. Irgendwo steckt da sicherlich auch eine moderne Message – zumal sich Jeanne zwar konsequent frei gibt und keine Angst hat, dem Hofstaat auch mal vor den Kopf zu stoßen, aber dabei eben trotzdem völlig abhängig von der Gunst des Königs bleibt. Aber „Jeanne du Barry“ ist tonal viel zu sprunghaft und uneinheitlich, als dass die ganze tragische Fallhöhe der Figur greifbar werden würde.

    Johnny Depp und seine offenbar aus einem Disney-Märchen entsprungen Filmtöchter sind da einfach viel zu harmlos, um sie als Gefahr allzu ernst zu nehmen – und auch andere eigentlich hochdramatische Szenen wie der Duell-Tod von Jeannes heißgeliebtem Ziehsohn werden eher nebenbei mit abgefrühstückt. Da können selbst die in 35mm an Originalschauplätzen gedrehten Bilder nur bedingt helfen – und sowieso tut man gut daran, sich vor allem am rebellischen Humor der „Plötzlich Prinzessin!“-artigen Fisch-aus-dem-Wasser-Szenen zu erfreuen und den Rest am besten nicht allzu ernst zu nehmen.

    Fazit: „Jeanne du Barry“ macht immer dann Laune, wenn Johnny Depp und Maïwenn einen diebischen Spaß dabei haben, sich als König und Kurtisane über die ebenso strengen wie affigen Benimmregeln am Hofe hinwegzusetzen. Immer wenn’s mal dramatischer werden soll, bleibt das Kostüm-Epos allerdings enttäuschend flach.

    Wir haben „Jeanne Du Barry“ beim Cannes Filmfestival 2023 gesehen, wo er als Eröffnungsfilm gezeigt wurde.

     

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