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    Das reinste Vergnügen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das reinste Vergnügen

    Vom Umzugshelfer zum Stripper

    Von Jochen Werner

    In „Das reinste Vergnügen“ wird Gina Henderson (Sally Phillips), eine eher schüchterne, in einer lieblosen Ehe und einem trostlosen Job gefangene Frau in den mittleren Jahren, damit beauftragt, ein bankrottes Umzugsunternehmen zu liquidieren. Auch wenn die kleine Männerclique, die sie dort erwartet, ihr von Anfang an sympathisch ist, kann sich die angepasste Angestellte doch zunächst nicht entscheiden, die Regeln ihnen zuliebe ein wenig zu beugen. Das ändert sich erst, als sie Tom (Alexander England) eher ungewollt in seinem Zweitjob wieder begegnet: Ginas Freundinnen aus dem Schwimmverein haben sich nämlich entschlossen, ihr ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk zu machen und den jungen Mann als Stripper gebucht.

    Tom (Alexander England) ist nicht nur zum Putzen da...

    Die beste Geschäftsidee ihres Lebens kommt der überforderten Gina dann allerdings erst, als sie Tom stattdessen damit beauftragt, in der bereits bezahlten Zeit ihre Wohnung zu putzen. Wäre es nicht für so manch eine ihrer Hausfrauenfreundinnen auch ein Genuss, einmal einem Mann beim Putzen zuschauen zu können? Schließlich sind diese wie sie selbst in einer recht traditionellen ehelichen Rollenverteilung gefangen.

    Kurzerhand schmeißt Gina ihren Job hin, übernimmt gemeinsam mit dem bisherigen Boss Steve (Erik Thomson) die Leitung des besagten Umzugsunternehmens und schult die Möbelpacker zu Putzkräften um. Nur dass sich unter den Kundinnen rasch herumspricht, unter welchen Umständen Tom zu seinem neuen Beruf kam, woraufhin diese ganz andere Erwartungen an ihre Buchung entwickeln – Erwartungen, denen Tom nur zu gerne entgegenkommt…

    Bekanntes Thema, charmant verpackt

    Das Thema männliche Sexarbeit stand mit „Meine Stunden mit Leo“ bereits kürzlich im Mittelpunkt einer Best-Ager-Arthouse-Komödie, die einer vornehmlich weiblichen Zielgruppe zwei Dinge näherbringen sollte: Erstens, dass es auch im reiferen Alter natürlich und befreiend ist, sexuelle Bedürfnisse zu formulieren und auszuleben. Und zweitens, dass selbstbestimmte Sexarbeit völlig okay und keineswegs als Ausbeutung zu betrachten ist.

    Zwei Lektionen, die nicht falsch sind und bei denen man sich höchstens fragen könnte, ob man das Publikum nicht ein wenig unterschätzt, wenn man ihnen solche grundlegenden Erkenntnisse nochmal als bahnbrechende Neuigkeiten verkauft. Doch es gibt eben immer noch Zuschauer*innen, die sich mit diesen gesellschaftlich erfreulicherweise nicht mehr komplett tabuisierten, aber ein wenig verpönten Themen noch nicht so recht auseinandergesetzt haben. Man muss Filmen wie diesem demnach wohl auch eine Art Bildungsauftrag unterstellen.

    Und diesen erfüllt „Das reinste Vergnügen“ tatsächlich auf eine verblüffend charmante, weitgehend spritzige Art und Weise, obwohl inhaltlich nicht viel Überraschendes passiert. Gina wird von der Putzservice-Kleinunternehmerin rasch zur nur anfangs widerstrebenden Leiterin eines Callboy-Service, der von der weiblichen Kundschaft begeistert angenommen wird. Bald schon beginnt sie die zunächst noch verdruckst verschwiegenen erotischen Dienstleistungen stolz anzupreisen – und in manchem bezahlten Stelldichein wechseln dann gar die Rollen, denn auch die einstigen Umzugshelfer müssen in ihren neuen Job als sexuelle Dienstleister erst hineinfinden und lernen (so auch der Originaltitel), „wie man eine Frau befriedigt“.

    Der Cast ist die größte Stärke des Films.

    Im jüngeren Arthousekino liegt der Vergleich zwischen „Das reinste Vergnügen“ und „Meine Stunden mit Leo“ nah, auch wenn das Kinodebüt der australischen TV-Regisseurin Renée Webster deutlich weniger zeitgenössisch und woke daherkommt als dieser Film. Doch im Grunde knüpft die australische Produktion viel eher an eine lange Tradition leicht schlüpfriger, humanistischer Arthouse-Sexkomödien im britischen Kino an, die in Filmen wie „Ganz oder gar nicht“ (1997), „Kalender Girls“ (2003) oder auch „In guten Händen“ (2011) ihre bekanntesten Vertreter hat. Insofern darf man hier sicher nichts Revolutionäres erwarten, was diese Form des leicht verdaulichen, geschmackssicheren und durch und durch harmlosen Komödienkinos mit universell gültiger Botschaft allzu sehr in Frage stellen würde.

    Wenn man das aber akzeptieren kann, liefert „Das reinste Vergnügen“ im Rahmen der Begrenzungen seines Genres durchaus verlässlich ab. Das liegt vor allem an seinem gut besetzten und hervorragend aufgelegten Ensemble. Insbesondere die bisher wohl vor allem als Sidekick in den „Bridget Jones“-Filmen bekannte Sally Phillips trägt den Film mit ihrer schalkhaft-verschmitzten Performance, aber auch der restliche Cast überzeugt bis in die kleinsten Nebenrollen hinein mit einer Spielfreude, die „Das reinste Vergnügen“ allen Klischees und aller Harmlosigkeit zum Trotz zu einer weitgehend vergnüglichen Angelegenheit macht.

    Fazit: Auch wenn Renée Webster das Genre der leicht schlüpfrigen Best-Ager-Sex-Komödie keineswegs neu erfindet, gerät „Das reinste Vergnügen“ dank eines bestens aufgelegten Ensembles über weite Strecken charmant und vergnüglich. Manche mögen die Botschaften allzu harmlos aufbereitet finden, aber allen anderen sei der Film für 107 Minuten Kinospaß durchaus ans Herz gelegt.

     

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