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    Action-Hit auf Netflix: Fällt eigentlich niemandem auf, was in "Extraction 2" nicht stimmt?
    Daniel Fabian
    Daniel Fabian
    -Redakteur
    Aufgewachsen mit den Filmen von Jackie Chan, geht bis heute kaum ein Kampfsport-Reißer an ihm vorbei – ob aus Hongkong, Indonesien oder England.

    „Tyler Rake: Extraction 2“ bietet satte, handgemachte Action und einen Superstar, der alles gibt – und legt damit beim Publikum eine Punktlandung hin. FILMSTARTS-Redakteur Daniel kann sich der Begeisterung aber leider nur bedingt anschließen.

    Eines gleich vorweg: Ich liebe satte Action. Und wenn die Macher*innen auch noch Wert darauf legen, dass CGI nur zum Einsatz kommt, wenn es gar nicht anders geht, kriege ich direkt Schnappatmung. Da kann der Plot auch ruhig mal zur Nebensache verkommen – solange man in den Actionszenen mitfiebert, passt das schon. Doch genau dort liegt der Hund bei „Tyler Rake: Extraction 2“ begraben.

    Man merkt Regisseur Sam Hargrave vor allem bei seinem zweiten „Extraction“-Film deutlich an, aus welcher Nische er kommt. Und das bringt sowohl Positives als auch Negatives mit sich. Verglichen mit den meisten Actionfilmen, die Netflix in Eigenregie produziert, kommt Tyler Rakes zweite Mission fast schon einer Offenbarung gleich. Warum der Film bereits als eines der Action-Highlights des Jahres gehandelt wird, erschließt sich mir dennoch nicht. Aus mehreren Gründen.

    Die Action fetzt – aber…

    Sam Hargrave ist ein erfahrener Stuntman, der an einigen der größten Blockbuster der jüngeren Vergangenheit mitgearbeitet hat – von „Pirates Of The Caribbean - Fremde Gezeiten“ bis „Avengers: Endgame“. Und ähnlich wie „John Wick“-Mastermind Chad Stahelski versteht er es, sein im Zuge seiner Arbeit vor der Kamera gewonnenes Know-How auf dem Regiestuhl einzusetzen. „Extraction 2“ bietet handgemachtes Spektakel und einige der wohl aufwändigsten Action-Choreographien der jüngeren Vergangenheit – mit einem schlicht unfassbaren, über 20 Minuten langen Take ohne sichtbaren Schnitt. Das ist allerhöchste Handwerkskunst – die es allerdings auch richtig einzusetzen gilt.

    So beeindruckend der One-Shot auch umgesetzt ist, so sehr verliert er am Ende seine Wirkung. Denn Sinn und Zweck solcher Aufnahmen ist es, eine immersive Erfahrung für das Publikum zu schaffen – als wären es selbst mittendrin. Und das kann durchaus funktionieren: Gareth Evans setzte bei „The Raid 2“ situativ auf ähnliche Aufnahmetechniken, und am Ende etwa des großen Finales sitze ich jedes Mal aufs Neue völlig außer Puste auf dem Sofa, als hätte ich mich gerade höchstpersönlich mit Iko Uwais gekloppt.

    In „Extraction 2“ funktioniert das Element allerdings nicht, weil es vom der Erzählung dienenden Stilmittel zum Gimmick wird, das lediglich dem Selbstzweck dient. Anstatt einen ins Geschehen zu versetzen, geschieht genau das Gegenteil: Die Kameraführung drängt sich geradezu in den Vordergrund und läuft der (leider einfach zu flapsigen Story) im Handumdrehen den Rang ab.

    Und so bekam ich schnell das Gefühl, dass die Macher vor allem jene Szene drehten, um einfach mal etwas „Krasses“ abzuliefern, etwas, über das geredet werden wird. Der beeindruckend choreographieren, gefilmten und gespielten Sequenz an sich tut das zwar keinen Abbruch. Mitgerissen wurde ich davon allerdings nicht. Stattdessen drängte sich mir alle 30 Sekunden die Frage auf, ob nun (endlich!) der erlösende Schnitt kommen würde.

    So hat einer der besten Science-Fiction-Filme der letzten 20 Jahre "Tyler Rake: Extraction 2" auf Netflix beeinflusst

    Dabei merkt man Hargrave eben nicht nur seine Stunterfahrung an, sondern auch seine Herkunft als Regisseur. Vor „Extraction“ drehte dieser nämlich ausschließlich Kurzfilme. Und als Kurzfilm würde jener One-Shot ganz hervorragend funktionieren – als ein wildes, chaotisches Szenario, in das man ohne Vorwarnung reingeschmissen wird und aus dem man sich gemeinsam mit dem Protagonisten den Weg frei bahnen will. Der Film um jene technisch brillante Szene herum verabsäumt es aber schlichtweg, ihr Bedeutung zu verleihen.

    Abgesehen davon fehlt den Actionszenen schlicht der inhaltliche Aspekt sowie die Abwechslung. Es kracht unentwegt. Und das ermüdet nicht nur wahnsinnig, sondern wird ebenso schnell belanglos. Ähnlich wie in den „Transformers“-Filmen von Michael Bay: Denn wenn irgendwann einfach alles spektakulär ist, ist es am Ende gar nichts mehr. Stattdessen verschwimmt die Action in einem riesigen Brei aus großen Ideen, die übers Ziel hinausschießen.

    Die "Avengers"-Macher haben's versaut!

    Das Hauptproblem: Es dauerte keine neun Minuten, da hatte mich der Film bereits verloren. Verantwortlich dafür waren etwa unsägliche Dialoge bevor sowie nachdem Tyler Rake ins Leben zurückkehrt, zum anderen aber schlichtweg auch viele kleine Details, die mich immer wieder mit derselben Frage konfrontierten: Wie kann so etwas bei einem solch großen Film, an dem so viele Menschen mitarbeiten, nur passieren?

    Ein Beispiel: Wenn bei ungefähr acht Minuten und 45 Sekunden eine Heugabel durch einen Hals gebohrt wird, durchdringen lediglich die beiden mittleren Spitzen das Fleisch, während die äußeren am Hals vorbeigehen und stets sichtbar sind. Als die Heugabel kurz darauf in die Erde gesteckt wird, sieht es ganz so aus, als wäre das Ding mitsamt des halben Stiels in Blut getränkt worden.

    Diese fehlende Liebe zum Detail durchdringt den ganzen Film und legt immer wieder nahe, dass hier offenbar niemand eine zumindest halbwegs glaubwürdige Geschichte erzählen will. Denn das Drehbuch von Joe und Anthony Russo („Avengers: Endgame“, „Avengers: Infinity War“) gibt nicht nur nicht genug her, um zwei unterhaltsame Stunden vollzukriegen. Es schwankt auch tonal derart, dass nie klar ist, was der Film denn nun sein will. Spaßiges Spektakel, knallhartes Brett, emotionales Drama oder doch irgendwas dazwischen? Dieser Mix geht vorne und hinten nicht auf – und das ist das Hauptproblem des Films:

    Noch so famos inszenierte Actionszenen bekommen eben erst dann Gewicht, wenn ihnen inhaltliche Bedeutung zukommt. Ergibt das Drumherum aber schon keinen Sinn oder ist langweilig, interessiert einen am Ende auch das Spektakel nicht mehr. Und so ist „Extraction 2“ ein hier und da wahnsinnig kompetent inszenierter, aber schwach erzählter Actionfilm, der sicherlich seine Momente hat. Die vielen Baustellen sollten Sam Hargrave und Co. in einem möglichen „Extraction 3“ dann hoffentlich beseitig haben…

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