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    Hässlicher Look und öde Inszenierung: Deshalb kann ich eure Begeisterung für "Dune 2" nicht im Geringsten nachvollziehen
    Michael Bendix
    Michael Bendix
    -Redakteur
    Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

    Die Begeisterung für „Dune 2“ scheint keine Grenzen zu kennen – ich hingegen saß nicht nur gelangweilt, sondern auch visuell völlig unterwältigt im Kinosaal.

    Alle Welt ist hin und weg von „Dune: Part Two“: Der zweite Eintrag in Denis Villeneuves Science-Fiction-Saga nach dem gleichnamigen Roman von Frank Herbert hat auf Anhieb die vorderen Ränge der IMDb Top 250 geentert, auf dem Sozialen Cinephilen-Netzwerk Letterboxd wiederum kommt der Film aktuell auf einen sensationellen Bewertungsdurchschnitt von 4,5 von 5 Sternen (bei 891.000 abgegebenen Stimmen). Wenn man ebendort durch die Kommentare scrollt, reiht sich Superlativ an Superlativ: Von lebensverändernden Leinwanderlebnissen, überlebensgroßer Kinokunst und dem besten Sci-Fi-Film aller Zeiten ist da die Rede. Und auch bei uns kommt „Dune: Zwoter Teil“ mehr als nur gut weg – FILMSTARTS-Redakteurin Joana Müller vergab in ihrer Kritik die seltene Maximalwertung von 5 von 5 Sternen.

    Ich werde mit diesem Text vermutlich einige Fans vor den Kopf stoßen und stelle mich mental schon mal auf eine Reihe wütender „Film nicht verstanden“-Kommentare ein, dabei gönne ich euch die Freude an Villeneuves „Dune“-Universum wirklich von Herzen – ich teile sie bloß nicht, und nachvollziehen kann ich sie auch nicht so recht. Kleiner Disclaimer: Die Art von Science-Fiction-Kino, die „Dune“ repräsentiert, ist nicht unbedingt mein Leib-und-Magen-Genre. Doch auch wenn mich kaum etwas weniger interessieren könnte als die jüngsten „Star Wars“-Serien: Warum die Originaltrilogie von George Lucas als bahnbrechend gilt, leuchtet mir vollends ein. Auch David Lynchs vielgescholtener „Dune“-Version von 1984 kann ich so manches abgewinnen. Aber wenn es um aktuelle Blockbuster geht, stehe ich meist ratlos da – und „Dune 2“ macht da keine Ausnahme.

    Marvel oder "Dune"? Ich habe auf beides keine Lust mehr

    Ich beginne mal mit dem Positiven: Ganz wunderbar gefallen hat mir der sogenannte Sandwalk von Paul Atreidis (Timothée Chalamet) und Chani (Zendaya), der als eine Art romantischer Ausdruckstanz funktioniert und einen Anflug visueller Poesie in den Film bringt. Auch die vielbesprochene Schwarz-Weiß-Sequenz auf dem Harkonnen-Planet Giedi Prime (mehr dazu hier) zählt für mich zu den (spärlichen) Höhepunkten, und das nicht nur wegen der immer großartigen Léa Seydoux. Während die Farbe hier ganz aus dem Film verschwindet, gewinnt er an Leben, Bewegung – und Seltsamkeit.

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    Ein seltener Lichtblick in "Dune 2" - die Schwarz-Weiß-Szene auf Giedi Prime

    Darüber hinaus ist mir allerdings nahezu unbegreiflich, wieso „Dune: Part Two“ als monumentales Kino gehandelt wird – und ich kann es mir eigentlich nur damit erklären, dass die Zeit der großen, grenzverschiebenden Leinwand-Ereignisse seit geraumer Zeit vorbei ist und es schlicht an Alternativen mangelt. Im Grunde gibt es aktuell nämlich nur noch zwei Arten von Blockbustern, wobei die hyperironischen, immergleichen Cashgrabs (mittlerweile eher: Geldgräber) von Marvel & Co. und der sterile, bleierne Ernst von Regisseuren wie Christopher Nolan oder Denis Villeneuve für mich nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Denn von beidem möchte ich eigentlich nichts mehr sehen.

    Das soll monumentales Kino sein?

    Villeneuves „Dune“-Filme wollen als politische Allegorie gelesen werden, es geht um koloniale Ausbeutung und religiösen Fundamentalismus, irgendwo verstecken sich auch eine ambivalente Charakterstudie und sogar eine Liebesgeschichte. Was sie explizit nicht sein wollen: die fabulierfreudigen Genrefilme, die ebenfalls in dem Stoff angelegt sind – dafür muss man sich wohl an die David-Lynch-Variante halten.

    Die inhaltliche Schwere übersetzt Villeneuve in inszenatorische Schwerfälligkeit, und all die bizarren Maskeraden und Fantasiebegriffe wirken umso lächerlicher, je verkrampfter der Kanadier zu verschleiern versucht, dass in „Dune“ eben auch Camp und Jahrmarkt stecken. Bis auf Javier Bardem in einer undankbaren Comic-Relief-Rolle agieren sämtliche Figuren durchweg freudlos, und auch außerhalb des Gladiatorenkampfes in Schwarz-Weiß hat Villeneuve viel Wert darauf gelegt, möglichst wenig Farbe in den Film zu lassen – etwa indem er über leblose Sand- und Steinlandschaften zusätzlich einen hässlichen Beigefilter legt. Das soll nun das Nonplusultra des zeitgenössischen Überwältigungskinos sein?

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    Wüstenbilder mit Beigefilter – in "Dune 2" zu viel des Guten

    Überhaupt: Wo William Wyler für die Massenszenen in „Ben Hur“ vor 65 Jahren noch 50.000 (!) Statist*innen auffahren ließ, beobachten wir nun Chalamet aus der Vogelperspektive, wie er durch eine Armada von hundertfach duplizierten CGI-Männchen schreitet, die sich an den Bildrändern teils nicht mal mehr bewegen („Hauptsache, es sieht viel aus“) – wann ist es passiert, dass so etwas allen Ernstes als „monumental“ durchgeht?

    "Lang" bedeutet nicht automatisch "episch"

    Ein weiteres Missverständnis: dass „lang“ automatisch „episch“ bedeutet. Zumindest in meinem Verständnis hat „Dune: Part Two“ wenig Episches im Sinne einer breiten, weitschweifigen Erzählung. Um ehrlich zu sein frage ich mich vielmehr, wie es sein kann, dass die Geschichte in – beide Teile zusammengenommen – fünfeinhalb Stunden noch nicht weiter gekommen ist. Den ersten „Dune“-Film habe ich als 150-minütige Exposition, als schier nicht enden wollendes Worldbuilding in Erinnerung. Im zweiten passiert nun vergleichsweise viel, doch die einzelnen Sequenzen stehen eher klobig nebeneinander als sich zu einem flüssigen Ganzen zu verbinden. In beiden Fällen war das Ergebnis bei mir das gleiche: Langeweile, Desinteresse, ein Gefühl des Ausgesperrtseins.

    Zumal ein emotionaler Anker auch diesmal fehlt, irgendein Element, das die Charaktere von symbolischen Platzhaltern zu Figuren macht. Es hätte die Beziehung zwischen Paul und Chani sein können, doch Villeneuve fürchtet augenscheinlich nichts mehr, als dass ihm irgendjemand Kitsch vorwerfen könnte – also verbannt er alles, was entfernt an ein menschliches Gefühl erinnert, präventiv aus dem Film.

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    Emotionen sind auch in Pauls und Chanis Beziehung eine Seltenheit

    Stattdessen erklären die Figuren sich und uns in ermüdenden Dialogszenen den Plot durch (es entbehrt schon nicht einer gewissen Ironie, dass Villeneuve ausgerechnet bei der Promotion für DIESEN Film erklärt hat, er halte Dialoge für unfilmisch), und um Größe zu suggerieren, wird einfach der obligatorische Dröhn-Score von Hans Zimmer auf Anschlag gedreht – immer und immer wieder, bis in Kombination mit den motivisch wenig variantenreichen Bilderwelten nur noch Redundanz übrig bleibt.

    Ich wünsche mir fürs Kino zurzeit kaum etwas mehr als eine Blockbuster-Vision, die wirklich dazu in der Lage ist, mich zu erstaunen, zu überrollen, zu fesseln und zu bewegen. Von Villeneuve erwarte ich sie allerdings genauso wenig wie von Marvel.

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