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    Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt
    Von Ulrich Behrens

    Wie rettet man einen Präsidenten, der sexueller Übergriffe bezichtigt wird, über die letzten zwei Wochen bis zur nächsten Wahl? Das ist die Ausgangsfrage der 1997 in nur 29 Tagen gedrehten Komödie von Barry Levinson („Good Morning, Vietnam“, 1987; „Tödliches Spielzeug“, 1992; „Banditen“, 2001), in dem mehr als deutlich behauptet wird, dass der Schein – in Gestalt der Medien und cleverer und skrupelloser Gestalten – die Wirklichkeit produziert und wirkliche Ereignisse übertünchen kann.

    Der Präsident der Vereinigten Staaten (Michael Belson) hofft auf eine ihm sicher erscheinende Wiederwahl gegen seinen Kandidaten Senator Neal (Craig T. Nelson). Zwei Wochen vor den Wahlen allerdings tickert eine Meldung durch die Medien, dass der Präsident eine Minderjährige sexuell missbraucht haben soll. Die „Washington Post“ wird diese Nachricht „Fummelei im Oval Office“ in die Schlagzeilen bringen. Einen Tag vor der Veröffentlichung sieht die Beraterin des Präsidenten Winifred Ames (Anne Heche) nur eine, letzte Chance: Sie zitiert den „Mr. Alleskleber“ Conrad Brean (Robert de Niro) ins Weiße Haus, bekannt für die Verbreitung von Gerüchten, Manipulation von Medien und Scharfmacherei im politischen Wahlkampf.

    Der überlegt kurz – denn kurz ist auch nur die Zeit, die verbleibt, um dem radikalen Imageverlust entgegenzuwirken – und sieht nur eine Möglichkeit: Die Sex-Skandal-Meldung muss durch eine wesentlich aufregendere, die Nation in Atem haltende Nachricht „übertüncht“ werden, die dem Bild des Präsidenten in der Öffentlichkeit die nötige Farbe gibt, um die Wahlen doch noch zu gewinnen. So erfindet Brean nicht nur einen B-3-Bomber, sondern auch einen Krieg mit Albanien, – ausgerechnet Albanien. Warum, fragt sich Mrs. Ames? Warum nicht, antwortet Brean. Gleichzeitig lässt er beides auf einer Pressekonferenz sofort dementieren, und schon sind Gerüchte im Umlauf, mit denen sich genug Leute auseinander setzen werden.

    Wenn man allerdings einen Krieg inszenieren will, den es gar nicht gibt, muss man den Leuten weismachen, dass es ihn gibt. Gesagt, getan. Brean nimmt Verbindung auf mit dem Hollywood-Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman), der zunächst wenig Begeisterung zeigt, sich dann aber von Brean überzeugen lässt, ein mediales Kriegsspektakel zu inszenieren, das es in sich hat. Zum Marketing-Krieg, den Motss nun in Szene setzt, gehören nicht nur ein angeblich den Albanern entkommener Kriegsheld (Woody Harrelson), sondern ebenso eine vor albanischen Terroristen geflohene Pseudo-Albanerin (Kirsten Dunst) mit Hündchen und ein von Johnny Dean (Willie Nelson) eigens kreiertes Lied als Hymne für den vermeintlichen Konflikt. Nur CIA-Agent Young (William H. Macy) zweifelt an dem angeblichen Krieg. Aber es wäre doch gelacht, nicht auch ihn für den Medienkrieg à la Brean zu gewinnen...

    Selten war eine amerikanische Komödie so schwarz, wenn es um Kritik am eigenen politischen System ging, wie Barry Levinsons „Wag The Dog“ (also etwa: Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt). Erstaunlich an dem Film ist zunächst einmal, dass er – und das in relativ kurzer Zeit inszeniert – ganz in Hollywood-Manier daherkommt. Streng durchkomponiert spielt Levinson zwar mit Altbekanntem. Die medialen und politstrategischenTricks und Schliche in puncto Manipulation der öffentlichen Meinung sind allesamt nicht wirklich neu. Allein ihre dramaturgische Kombination und die immer wieder einfließenden Bezüge zu tatsächlichen Ereignissen (Golfkrieg, Grenada) geben dem Streifen eine kräftige Würze, die dafür sorgt, dass die Grenze zwischen Realität und Fiktion undefinierbar bleibt.

    „Wag The Dog“ ist weniger eine bitterböse, die Substanz der politischen und medialen Verhältnisse prinzipiell attackierende Satire, denn eine Farce, eine Posse, eine Karikatur auf diese Verhältnisse, doch was dazu nötig ist, gelingt ihr gut. Man muss Hollywood die erstaunliche Fähigkeit attestieren, selbst aus solchen brenzligen und durchaus vorstellbaren Konstellationen Kapital zu schlagen: das der Integration, der Behauptung, dass trotz aller schrecklichen und widerwärtigen Vorgänge die Kraft der amerikanischen Mentalität immer ausreichen wird, sie zu überwinden – und sei es mittels einer Komödie. Die präsentierte Geschichte schwankt zwischen Absurdität und knallharter Realität, manchmal kaum zu unterscheiden. Das Zusammenspiel zwischen de Niro, Hoffman und Heche ist nahezu perfekt: de Niro als skrupelloser medialer Täuscher, eine Mischung aus Demagoge und modernem Märchenerzähler, der mit allen Wassern gewaschen ist, Hoffman als selbstbezogener, eitler Egomane im dandyhaften Morgenmantel, der logischerweise verlangt, als Produzent des Medienspektakels genannt zu werden, Heche als über so viel Betrug nur noch staunende und faszinierte Beraterin von Mr. President – das verspricht eineinhalb Stunden schwarzen Komödien-Genuss.

    Der Präsident selbst und sein Konkurrent tauchen nur am Rande auf, doch ebenso Brean und Motss. Sie leben im Schatten, was Motss als Hollywood-Produzent gar nicht zusagt. Was im Licht „lebt“, das sind die Bilder, die betrügerischen visuellen Schlachten, die Lüge, die Manipulation. Auch Hollywood bekommt ein bisschen Fett ab, nicht zu viel, aber so viel, wie es (für Hollywood) erträglich ist. „Why does a dog wag its tail?“ fragt Brean an einer Stelle des Films. „Because the dog is smarter than the tail. If the tail was smarter, it would wag the dog.“ Brean beweist sich und uns, wer Schwanz und wer Hund ist und wer mit wem wedelt. Nur glauben (fast) alle das Gegenteil. Die mediale Inszenierung korrespondiert mit dem Hunger nach Visualisierung. So funktioniert Öffentlichkeit. Der Zurschaustellung von Skandalen durch die einen entspricht der Voyeurismus der anderen. Eine fast perfekte Ergänzung.

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