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    Es ist ein Elch entsprungen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Es ist ein Elch entsprungen
    Von Björn Helbig

    Nachdem das Weihnachtsmerchandising mittlerweile schon ab Oktober Kaufhäuser infiziert, hat dieser Virus nun auch verfrüht die Kinos angesteckt. Das cineastische Weihnachten beginnt dieses Jahr am 3. November, denn dann startet Ben Verbongs Film „Es ist ein Elch entsprungen“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Andreas Steinhöfel, in den deutschen Kinos. Wir wissen bereits aus Gaius Julius Caesars „De Bello Gallico“, dass Elche über keine Kniegelenke verfügen, und dass germanische Jäger deswegen Bäume ansägten, damit diese umfielen, sobald sich ein Elch gegen sie lehnte. Der gestürzte und nicht mehr zum Aufstehen befähigte Elch konnte somit mühelos erlegt werden. In Verbongs „Es ist ein Elch entsprungen“ erfahren wir weiterhin, dass Elche mit Hilfe von Flugpulver fliegen können und dass sie dafür zuständig sind, die Testfahrten mit dem Schlitten des Weihnachtsmanns durchzuführen.

    Kurz vor Heilig Abend: Der zehnjährige Bertil Wagner (Raban Bieling) hat es nicht leicht, denn zum einen wird er öfters von seinen Mitschülern gehänselt, zum anderen fühlt er sich einsam, weil sein Vater (Arthur Klemt) sich auf einer Forschungsreise im ewigen Eis befindet. Dabei wünscht Bertil sich von ganzem Herzen, dass er seinen Vater wenigstens Weihnachten sieht. Bertils Leben ändert sich, als ein Elch durch das Dach des Hauses kracht, in dem Bertil mit seiner Mutter Kirsten (Anja Kling) und seiner zwölfjährigen, neunmalklugen Schwester Kiki (Sarah Beck) wohnt. Und – oh Wunder! – der Elch kann sprechen und stellt sich als Mr. Moose vor. Er sei der Testflug-Elch des Weihnachtsmannes, aus der Bahn getragen worden und in Folge dessen abgestürzt. Familie Wagner regagiert ungläubig, aber schnell freunden sie sich mit dem sprechenden Elch an. Vor allem Bertil wächst der sprechende Paarhufer rasch ans Herz. Zu schade nur, dass der Weihnachtsmann (Mario Adorf), der irgendwo über Irland abgestürzte, schon unterwegs ist, um seinen Elch – rechtzeitig zum Weihnachtsfest – abzuholen. Doch bis dahin gilt es für Familie Wagner, noch einige Probleme zu bewältigen, denn Gefahr droht von ihrem Vermieter, dem Großgrundbesitzer und Jäger Pannecke (Jürgen Tarrach), welcher schon sehr lange davon träumt, einmal einen Elch zu schießen.

    Was erwartet der Zuschauer von einem Weihnachtsfilm? Möglicherweise möchte er einfach in die richtige, ruhige Stimmung versetzt werden. Dem Alltagseinerlei, der Arbeit, dem Stress zu entkommen und für die Festtage über die richtige Gesinnung zu verfügen, ist nicht immer leicht, aber das „Hilfsmittel“ Weihnachtsfilm kann ihm unter Umständen dabei helfen. Vielleicht möchte sich er durch einen Weihnachtsfilm aber auch einfach verzaubert und an Zeiten erinnert werden, als das Weihnachtsfest noch eine gewisse, mythisch-religiöse Kraft hatte. Oder er verspricht sich von diesem Filmgenre einfach zwei geruhsame Stunden mit seiner Familie.

    „Es ist ein Elch entsprungen“ wirkt auf den ersten Blick – betrachtet man die Grundidee, betrachtet man die Story – wie ein einigermaßen netter, harmloser Film. Vordergründig ohne Ecken und Kanten, mit dem Eltern ihren Kindern vielleicht eine Freunde machen könnten, Kurz: Ein Film, der in der Lage ist, die Erwartungen an einen Weihnachtsfilm zu erfüllen. Wir haben viel Schnee, eine schöne Landschaft, einen sprechenden Elch, den Weihnachtsmann etc. pp. Also, warum funktioniert „Es ist ein Elch entsprungen“ bei genauerem Hinsehen trotzdem nicht? Weder als stimmungsvoller Weihnachtsfilm noch als guter Film generell?

    An der beliebten gleichnamigen Vorlage von Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel kann es eigentlich nicht liegen. Ebenso wenig an den Darstellern. So ist doch z.B. Mario Adorf („Die Blechtrommel“, „Lola“ u.v.m.) beinahe ein Garant für anspruchsvolle Darstellerleistung. Auch Jürgen Tarrach hat schon mehrmals, z.B. bei „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ oder zuletzt bei Silentium, seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen können. Es liegt mithin nicht an den Schauspielern, dass Verbongs Film wenig überzeugt – es sind zum einen viel mehr dessen facettenlose Charaktere. Raban Bieling („Die wilden Kerle 1-3“) als Bertil ist einfach nur nett und freundlich. Emotionen, die auf den Zuschauer übergreifen könnten, schienen ihm nicht erlaubt. Seine von Sarah Beck gespielte Schwester Kiki, ebenfalls bekannt aus „Die wilden Kerle“, ist einfach neunmalklug. Ihre Mutter Kirsten Wagner (Anja Kling, „Das fliegende Klassenzimmer, (T)Raumschiff Surprise – Periode 1) ist einfach nur ins Nervöse reichende überfordert. Neben den Charakteren krankt der Film zum anderen aber auch daran, dass eines seiner zentralen Momente nicht plausibel wird. Die Rede ist von der Freundschaft zwischen Bertil und Mr. Moose. Diese ist nämlich letztendlich völlig unbegründet und schlicht nicht nachvollziehbar. Es funkt sozusagen zwischen beiden nicht. Das mag wohl auch daran liegen, dass der meist nur halb ins Bild ragende Animatronic Mr. Moose zu wenig Charisma hat, um die Gefühle, die Bertil für ihn hegen soll, zu legitimieren. Da hilft auch der Produktionshinweis nichts, dass Mr. Mooses Mimik der von Walter Matthau nachempfunden sein soll.

    Aber vielleicht noch schwerer als die wässrigen Charaktere und die nicht überzeugende Beziehung zwischen Kind und Wiederkäuer, wiegt die kaum vorhandene Spannung und der nur selten geglückte Humor des Films. Es ist von vornherein klar, dass alles gut ausgehen wird. Daran besteht seltsamerweise nie ein Zweifel. Die kleinen Problemchen, die Familie Wagner lösen muss, bis dann letzten Endes alle Wünsche in Erfüllung gehen, sind entweder kaum der Rede wert, oder – schlimmer noch – wirken aufgesetzt. Fast so als gälte es, noch etwas Zeit zu schinden, bis der Film vorbei sein darf. So bleibt eine direkte Konfrontation zwischen Mr. Moose und dem Jäger Pannecke – der potenziell spannendste Handlungsstrang – einfach aus. Der Elch verliert lediglich seinen Beutel mit Flugstaub, den Bertil und seine Schwester dann auf umständliche Weise aus Panneckes Schlösschen stehlen müssen. Die fehlende Spannung wäre aber zu verschmerzen, zumal es sich ja um einen Kinderfilm handeln soll, wenn wenigstens der Humor stimmen würde. Aber auch hier – Fehlanzeige. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum der studierte Pädagoge Verbong („Das Sams“, „Das Sams in Gefahr“) denkt, ein ständig rülpsender Elch und ein betrunkener Weihnachtsmann wäre die Art von Witz, mit dem man Kinder (geschweige denn ganze Familien) glücklich machen kann.

    Daneben, dass es „Es ist ein Elch entsprungen“ nicht schafft, eine weihnachtliche Atmosphäre aufzubauen und auch in Sachen Spannung und Humor nicht wirklich punkten kann, soll hier noch moniert werden, dass der Film auch einige Passagen enthält, von denen man vermuten kann, dass sie nur bedingt für Kinder geeignet sind. Als z.B. Bertil von Schulkameraden gehänselt und von Mr. Moose „gerettet“ wird, hält die Kamera genüsslich darauf, wie sich einer der Aggressoren aus Angst vor dem Elch in die Hosen macht. Ist das pädagogisch wertvoll? Außerdem wird der Jäger Pannecke durchweg als Bösewicht inszeniert. Dabei handelt es sich bei ihm auch um eine tragische Figur, denn schließlich leidet er darunter, dass die Dorfjugend immer wieder seinen Hühnerstall mit Silvesterknallern in die Luft jagt. Außerdem ist er unglücklich verliebt in Bertils Mutter. Der Film zeigt aber keinerlei Mitleid oder Verständnis mit dieser Figur. Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte man sich bei solchen Filmstellen gewünscht. Oder soll die pädagogische Botschaft sein, dass es gute und böse Menschen gibt und die bösen immer bekommen, was sie verdienen? Diese Einstellung von Verbongs Film will jedenfalls weder recht zum Weihnachtsfest noch zu kindergerechter Unterhaltung passen.

    In großen Teilen ist „Es ist ein Elch entsprungen“ spannungsarm, wenig lustig aber dennoch einigermaßen freundliche, erträgliche Familienunterhaltung. Der Film enttäuscht nicht übermäßig, wird aber auf keinen Fall begeistern. Es reicht für einen Weihnachtsfilm nicht aus, einfach die üblichen Elemente zusammenzurühren, um die richtige Stimmung zu erreichen. Auch wenn es nicht unmöglich ist, dass die Jüngsten der Jungen dem Film tatsächlich einiges abgewinnen können, werden doch die meisten Kinder von ihm unterfordert sein. Ein bisschen Schnee, ein Elch und fertig ist der Weihnachtsfilm – so einfach ist es eben nicht. Aufgrund einiger moralisch zweifelhafter Passagen, sollten sich Eltern lieber zweimal überlegen, ob sie ihre Sprösslinge in „Es ist ein Elch entsprungen“ schleppen. Möglicherweise bietet das weihnachtliche Fernsehprogramm oder die Videothek ihres Vertrauens bessere „Familienunterhaltung“.

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