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    Free Birds
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Free Birds
    Von Christoph Petersen

    Mit Disney Animation („Die Eiskönigin“), Pixar („Die Monster Uni“), Blue Sky („Ice Age“), DreamWorks („Kung Fu Panda“), Sony Animation („Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“) und Illumination Entertainment („Ich – Einfach unverbesserlich“) kämpfen inzwischen bereits sechs Major Player um die Vorherrschaft auf dem US-amerikanischen Animationsmarkt. Die Folge ist ein Kinostart-Kalender, in dem sich die animierten Filme gegenseitig kaum noch Raum zum Atmen lassen. Und dann gibt es neben den üblichen Verdächtigen ja auch noch außerhalb des Studiosystems entstandene Werke, die ebenfalls um ihr Recht kämpfen. Um überhaupt eine Chance zu haben, müssen diese Filme unbedingt etwas Außergewöhnliches bieten, zum Beispiel eine besonders griffige Idee wie die von Truthähnen, die in der Zeit zurück zum ersten Thanksgiving reisen, um zu verhindern, dass ihre Vorfahren auf der Festtagstafel landen. Aber während Regisseur Jimmy Hayward in „Free Birds“ neben seiner eingängigen Prämisse auch sonst die Freiheiten einer unabhängigen Produktion mutig ausspielt (man kann halt frecher sein, wenn man auf keinen Markenkern Rücksicht nehmen muss), hat er mit den Grundlagen des Animationskinos und des Geschichtenerzählens ganz allgemein doch so seine liebe Mühe.

    Auf seinem Hof wurde Schwarzseher Reggie (Stimme: Owen Wilson / Rick Kavanian) von den anderen gutgläubigeren Truthähnen verstoßen, weil er der einzige war, der vorausgesagt hat, dass der Bauer ihnen nur so viel Futter gibt, um sie zu leckeren Festtagsbraten heranzuzüchten. Aber seitdem der Außenseiter vom US-Präsidenten (Regisseur Jimmy Hayward) im Rahmen einer alljährlichen Thanksgiving-Tradition begnadigt wurde und seine Tage nun in Camp David vornehmlich mit Pizzaessen und Telenovelaschauen verbringt, ist Reggie das Schicksal seiner weniger privilegierten Artgenossen sowieso herzlich schnuppe. Das ändert sich erst, als Reggie von dem pflichtbewussten Jake (Woody Harrelson / Christian Tramitz) von der Truthahn-Befreiungs-Front gekidnappt wird. Dessen Plan: Er will mit Hilfe einer Zeitmaschine zurück zum ersten Thanksgiving reisen und dort verhindern, dass Truthähne überhaupt jemals auf der Festtagstafel der Siedler landen…

    Nicht nur altehrwürdige Thanksgiving-Traditionen kriegen in „Free Birds“ ihr Fett weg, auch sonst holzen sich die Macher wild durch die amerikanische (Pop-)Kultur: von schrecklich-schlechten mexikanischen Telenovelas über ein „Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit“-Zitat bis hin zur hier wohl unvermeidlichen „Angry Birds“-Anspielung. Unser persönlicher Favorit: Als ein US-Soldat im gelben Schutzanzug ausgewählt wird, zur außer Kontrolle geratenen Zeitmaschine vorzudringen, ziehen die Drehbuchautoren eines der nicht erst seit „Lethal Weapon“ legendärsten Actionfilm-Klischees durch den Kakao: „Ich hab’ doch nur noch zwei Wochen bis zur Pensionierung!“ Aber selbst wer die Frage beiseitelässt, ob dieser Humor Marke „Cartoon Network“ nicht am jungen Zielpublikum völlig vorbeigeht, muss am Ende das Fazit ziehen: In diesem Fall siegt Frechheit ausnahmsweise nicht – denn ein paar freche Pointen allein reichen für 90 Minuten einfach nicht!

    Und abgesehen vom trockenen Humor halten die Macher von „Free Birds“ kaum Trümpfe in der Hand. Die Qualität der Animationen und dabei vor allem der Hintergründe kann mit Pixar & Co. absolut nicht mithalten – so wirkt es antiquiert, wenn sich in den Szenen im Wald kaum ein Blatt im Wind bewegt. Die reichlich eingestreute Action besteht praktisch nur aus wild umherlaufenden Truthähnen und wirkt deshalb schnell ideenlos (und ist dazu in manchen Szenen auch noch unnötig düster und brutal). Das Allerwichtigste aber: Die Figuren lassen den Zuschauer völlig kalt! Selbst die zentrale Freundschaft zwischen Reggie und Jack fühlt sich zu keiner Sekunde echt an und das emotionale Potenzial der Liebesgeschichte mit Truthenne Jenny (Amy Poehler / Nora Tschirner) wird einem nicht einmal sonderlich lustigen Running Gag (immer wenn sie nervös ist, spielt ihr linkes Auge verrückt) geopfert. Aber zumindest gegen die „vegetarische“ Botschaft des Films kann doch dann keiner was sagen? Oh doch! Reggie will zu Thanksgiving lieber Pizza statt Truthahn servieren – und passend dazu wurde „Free Birds“ von Chuck E. Cheese’s gesponsert, einer Fast-Food-Kette, die Pizza verkauft (selbstverständlich auch mit Fleisch): Tod dem Thanksgiving-Truthahn! Lang lebe das Product Placement!

    Fazit: Die Idee ist vielversprechend und der Humor zum Teil schön schräg – aber die lieblosen Figuren und die im Vergleich zur Konkurrenz detailarmen Animationen ziehen „Free Birds“ deutlich nach unten.

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