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    Dating Queen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Dating Queen
    Von Asokan Nirmalarajah

    Kein Mann hat der amerikanischen Komödie in den vergangenen Jahren so sehr seinen  Stempel aufgedrückt wie Judd Apatow. In wechselnden Funktionen hat der Ehemann der Schauspielerin Leslie Mann einige der erfolgreichsten Hollywood-Komödien der 2000er und 2010er Jahre (mit-)verantwortet. Er führte unter anderem Regie bei „Jungfrau (40), männlich, sucht…“ und „Beim ersten Mal“, außerdem war er als Produzent an Hits wie „Brautalarm“ und den „Anchorman“-Filmen beteiligt. Stars wie Seth Rogen, Jonah Hill und James Franco verdanken ihm ihren Durchbruch. Nun holt Apatow die hierzulande noch recht unbekannte Stand-Up-Komikerin und Sketchkomödiantin Amy Schumer („Inside Amy Schumer“) ins Kino: Sie schrieb das Drehbuch zu seiner fünften Regiearbeit „Dating Queen“ und spielt darin die wortgewaltige, vielschichtig gezeichnete Protagonistin. Gemeinsam umschiffen Apatow und Schumer die Klischees der romantischen Komödie mit erfrischend geerdeten Figuren und unterlaufen ironisch die gängigen Rollenmuster von Single-Frauen und –Männern: „Dating Queen“ ist ein cleverer, witziger, tragikomischer und zeitgemäßer Liebesfilm.

    Familienvater Gordon (Colin Quinn) hat die undankbare Aufgabe, seinen zwei kleinen Töchtern erklären zu müssen, warum es zur Scheidung von ihrer Mutter kam und behauptet, dass Monogamie für niemanden eine glückliche Lösung sei. 23 Jahre später hat seine ältere Tochter Amy (Amy Schumer) die väterliche „Weisheit“ verinnerlicht. Während ihre jüngere Schwester Kim (Brie Larson) mit einem biederen Geschäftsmann verheiratet ist und einen Stiefsohn aufzieht, schmeißt sich die sorglose Amy rauchend, saufend und kiffend ins Dating-Getümmel New Yorks. Obwohl Amy mit dem fitnessbesessenen Muskelprotz Steven (John Cena) liiert ist, geht sie regelmäßig fremd und berichtet ihrer Freundin Nikki (Vanessa Bayer) im Büro des Lifestyle-Magazins „S’nuff“ von ihren abenteuerlichen One Night Stands. Doch dann setzt es sich ihre Chefin Dianna (Tilda Swinton) in den Kopf, die sportfeindliche Amy auf das Porträt eines aufsteigenden Sportmediziners anzusetzen. So lernt die jüngst von Steven getrennte Amy widerwillig den zurückhaltenden Arzt Aaron (Bill Hader) kennen, der sie auch nach einem One-Night-Stand noch weiter treffen möchte. Doch mit der sich anbahnenden Liebesbeziehung ist die vor jeder Verantwortung in ihrem Leben davonrennende Amy extrem überfordert…

    Mit „Dating Queen“ wagt sich Autorenfilmer Judd Apatow, der bisher vor allem für seine gelegentlich als „sexistisch“ kritisierten  Bromance-Filme bekannt ist, auf neues Terrain. Erstmals führt er Regie bei einem Film, der in New York spielt und zu dem er nicht das Skript geschrieben hat. Und zum ersten Mal steht klar eine Frau im Zentrum: Apatow vertraut da ganz auf die Vorlage der Drehbuchdebütantin Amy Schumer, die in die Geschichte autobiografische Details wie ihre Beziehung zum an multipler Sklerose erkrankten Vater einstreut. Ihr humorvoller wie berührender Umgang mit der eigenen Biografie in einem Interview mit Howard Stern hatte Apatow vor einiger Zeit auch auf Schumer aufmerksam gemacht. Er bot ihr danach an, einen Stoff aus ihrer Feder zu produzieren und nahm selbst im Regiestuhl Platz, als er das Potential in ihrer aberwitzigen Coming-of-Age-Story einer liebenswert sarkastischen New Yorker Single-Frau in ihren Dreißigern sah. Schumer nimmt den Rohbau der typischen romantischen Komödie - vom ersten Kennenlernen über das erste Date, den ersten Sex und die Montage einer glücklichen Beziehung bis zum Streit, den vorübergehenden Bruch der Beziehung und das Happy End in letzter Sekunde - und füllt ihn mit komplizierten Figuren, bissig-derbem Humor und jeder Menge ironischer Schlenker.

    Amy Schumers Humor ist unverblümt und schonungslos auch gegen sie selbst und ihre Figur. Mit zynischen Kommentaren lässt sich die Film-Amy über ihr romantisches Erwachen aus und ihre allmähliche Wandlung von der egoistischen Kindfrau zur selbstbewussten, beziehungsreifen Erwachsenen wird bei jeder Gelegenheit ironisiert. Ein Hauch Sentimentalität, eine Prise echte Gefühle und eine Spur Romantik bleiben dabei wie immer bei Apatow dennoch erhalten und auch dank Schumers perfekter Chemie mit dem wunderbar aufgelegten Bill Hader („The Skeleton Twins“) gelingt die Gratwanderung zwischen komischer Übertreibung und realistischer Darstellung einer Beziehung. Die Liebesgeschichte mit den weitgehend vertauschten Geschlechterrollen wird durch abschweifende Nebenhandlungen, ulkige Gastauftritte (unter anderem von Daniel Radcliffe, Marisa Tomei, Matthew Broderick und diversen US-Sport-Stars) und schräge Einfälle aufgelockert. Amy Schumer präsentiert sich dabei als begnadete Schauspielerin in den unterschiedlichsten Komödienregistern (das Spektrum reicht von der zotigen Possenreißerin beim Sex bis zum Auftritt als humor- und gefühlvolle Grabrednerin). Und die ungemein starken Nebendarsteller bilden das Sahnehäubchen – vor allem die fantastisch böse Tilda Swinton („Snowpiercer“), der überraschend feinfühlig-witzige Wrestler John Cena und der beeindruckend souveräne Basketballstar LeBron James (als er selbst) stechen heraus.

    Fazit: Amy Schumer empfiehlt sich mit der verspielten, verdorbenen und intelligent gegen den Strich gebürsteten RomCom „Dating Queen“ als nächste große Komödien-Hoffnung des US-Kinos.

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