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    Cloudy Mountain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Cloudy Mountain

    Ein krawalliger Katastrophen-Knaller!

    Von Teresa Vena

    Der chinesische Regisseur Li Jun sollte angesichts seiner Fähigkeit, spektakuläre Action- und Katastrophenfilme zu inszenieren, die es an Spannung und Aufwand mit jedem der „Mission Impossible“-Teile und sonstigen US-amerikanischen Großproduktionen aufnehmen können, eigentlich schon viel bekannter sein. Stattdessen hat sich sein Wirkungskreis bisher auf das eigene Land konzentriert, wo er vor allem fürs Fernsehen tätig ist. Seine Kinospielfilme „Tik Tok“ (2016) und „Hunt Down“ (2019) waren in China dennoch enorme Box-Office-Erfolge, genauso wie sein neuester Katastrophen-Kracher „Cloudy Mountain“, der nun endlich auch einen deutschen Kinostart erhält.

    Das Potenzial dazu, sich auch hierzulande einen gewissen Fankreis zu erarbeiten, hat der Film zweifelsohne. Dafür sorgt neben des bildgewaltig inszenierten Nervenkitzels insbesondere das Schauspielerensemble, das aus einer ganze Reihe charismatischer Charakterdarsteller*innen besteht. Dazu zählt auch Chen Shu, Schauspielerin und Tänzerin, die als einzige auch international aktiv ist, zum Beispiel in Ridleys Scott „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“, wo sie als Mitglied der chinesischen Raumfahrtbehörde auftritt. Bei Li spielt sie nun ebenfalls wieder die Rolle einer hochkompetenten, resoluten Frau, die sehr ehrgeizig ist, aber selbstverständlich das Herz am rechten Fleck hat.

    Immer wenn man glaubt, die Gefahr sei gebannt, legt der wütende Berg mit einer weiteren Katastrophe nach.

    Die Strecke für einen neuen Hochgeschwindigkeitszug führt durch einen Berg. Der Bau des Tunnels dauert bereits zehn Jahre und bindet eine große Zahl von Ressourcen. Die Leitung dieses staatlichen Prestigeprojekts obliegt Ding Yajung (Chen Shu), für die ein Scheitern nicht in Frage kommt. Als sich aber ein Erdbeben ereignet und die Geologen Hong Yizhou (Zhu Yilong) und Lu Jiaojin (Jiao Junyan) auf genauere Untersuchungen drängen, gerät das gesamte Vorhaben in ernsthafte Gefahr.

    Es folgt eine ganze Reihe von mehr oder weniger heftigen Erdbeben und Erdrutschen. In der nahegelegenen Stadt öffnet sich ein Senkloch und verschlingt unter anderem ausgerechnet Yizhous Vater Yunbing (Huang Zhizhong), der angereist war, um seinen Sohn zu besuchen. Yunbing, ein pensionierter Eisbahnpionier, weiß sich allerdings zu helfen und nimmt die Rettung der gemeinsam mit ihm verschütteten Personen kurzerhand selbst in die Hand. Schon bald kämpft sich auch sein Sohn zu ihm durch, zu dem er ein mehr als angespanntes Verhältnis hat. Sie werden ihre Rivalität aber überwinden müssen, um ihr und das Leben vieler anderer zu retten…

    Spannend ab der ersten Minute

    Der Film hält sich gar nicht erst lange mit der Inszenierung einer vermeintlichen Idylle auf, die in der Folge tragisch zerstört wird und für deren Wiederherstellung die Held*innen der Geschichte dann kämpfen werden. Bereits nach wenigen Minuten rumpelt und kracht es im Berg, es fallen Felsbrocken herunter, der verbliebene Hohlraum füllt sich mit Wasser, und die darin gefangenen Arbeiter drohen zu ertrinken. Sofort bietet sich dem jungen Protagonisten Yizhou die Gelegenheit, sich zu beweisen. Nach kurzem Zögern, das auf ein Jugendtrauma zurückzuführen ist, handelt er aber entschlossen und hat als einziger die geniale Idee, wie alle gerettet werden können. Die Zeichnung seines Charakters ist bereits in den ersten Szenen abgeschlossen: Er ist tapfer, aber auch stur, nicht wirklich teamfähig und im Grunde leichtsinnig.

    Deswegen ist die Handlung auch nicht immer besonders glaubwürdig. Etwa wenn Yizhou mit dem Geländewagen über Stock und Stein rast, ein Auge auf die Straße gerichtet, eins auf den Minicomputer, den er mit einer Hand auf dem Beifahrersitz bedient und mit dem er ständig irgendwelche geologischen Daten auswertet. Irgendwann überschlägt er sich, zerrt sich aber aus den Trümmern hervor und rennt mit wenigen erkennbaren Schrammen weiter, um Hals über Kopf in die Felsspalte zu schlüpfen, in der er seinen Vater mit den anderen verschütteten Menschen vermutet. Allerdings folgt hier eine spektakulärere Actionszene nach der anderen so gnadenlos Schlag auf Schlag, dass man sich mitreißen lässt, Lücken in der Logik der Erzählung spielen da schnell keine Rolle mehr. Das passiert auf dermaßen geschickte Weise, dass fast schon der Eindruck entsteht, alles in Echtzeit mitzuerleben.

    Hong Yizhou (Zhu Yilong) ist der allzu draufgängerische Action-Held, wie wir ihn seit vielen Jahrzehnten aus dem Hollywood-Blockbuster-Kino gewöhnt sind.

    Glaubt man, ein Krisenschauplatz sei unter Kontrolle, tut sich ein neuer auf. So wechselt die Handlung zwischen mindestens drei Hauptebenen hin und her. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Berg, der zu einem weiteren, vielleicht sogar zum wichtigsten Protagonisten wird. Durch die beeindruckende Animation und die umfangreichen Spezialeffekte gelingt es, die nötige Bedrohlichkeit auszuarbeiten. Immer wieder breitet sich ein Gefühl der Höhe und Monumentalität sowie gleichzeitig der Enge, wenn die Figuren irgendwo eingesperrt sind, aus.

    Das Abenteuer steht eindeutig im Vordergrund des Films und macht zweifelsohne seinen großen Reiz aus. Aber wie bei den meisten Katastrophenfilmen kommt auch hier das Melodramatische nicht zu kurz. So geizt „Cloudy Mountain“ nicht mit Pathos. Das zeigt sich beispielsweise in der Vater-Sohn-Versöhnung oder ähnlichen Szenen von übersteigerter Opferbereitschaft, die man selbstverständlich zum Wohle der Gemeinschaft in Kauf nimmt. Darüber sieht man als Action-Fan aber nur zu gern hinweg.

    In Sachen Patriotismus stellt China selbst Hollywood in den Schatten

    Allerdings hat der Film zugleich auch eine äußerst ausgeprägte patriotische Seite, die in einer schwer erträglichen propagandistischen Botschaft mündet. Es liegt in der Natur des Genres, dass die porträtierten Helden unfehlbar sind und sich für eine höhere Sache einsetzen. US-amerikanische Filme machen es vor, wenn es darum geht, die eigene Nation als stark und ehrenhaft darzustellen. Hier geschieht dasselbe einfach auf chinesische Verhältnisse übertragen. Fragwürdig wird es aber dann, wenn der Film den Eisenbahnpionieren Chinas gewidmet ist, die sich freiwillig und mit großem Mut dem Fortschritt des Landes verpflichtet haben sollen, während man in der historischen Realität von weitaus wenigen rühmlichen Umständen unter einer repressiven Führung ausgehen muss.

    Wie andere patriotische Mega-Kassenschlager wie „The Battle at Lake Changjin“ vom Meisterregisseur-Trio Chen KaigeTsui Hark und Dante Lam ist auch „Cloudy Mountain“ am Ende ein quasi-offener Propagandafilm. Ob einem der gnadenlos effektiv unterhaltende Blockbuster deshalb weniger Spaß machen sollte, sei jedem selbst überlassen. Aber es ist schin wichtig, dass man sich dessen zumindest bewusst ist.

    Fazit: Als Abenteuer- und Katastrophenfilm überzeugt „Cloudy Mountain“ auf der ganzen Linie. Durch seinen inhaltlichen Bezug auf die Folgen des Klimawandels, zu denen eine vermutete zukünftige Häufung von Naturkatastrophen gehören, bettet sich „Cloudy Mountain“ zudem in die aktuellen Diskussionen ein. Allenfalls die kaum zu leugnende chinesische Staatspropaganda trübt den Spaß gegebenenfalls ein wenig.

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