Mehrere Handlungsstränge verweben sich im Unterweltmilieu von Basin City: Der hulk-ähnliche Marv (Mickey Rourke) rächt den Tod seiner Geliebten, der Hure Goldie; ein herzkranker Polizist (Bruce Willis) widmet sein Leben dem Schutz eines jungen Mädchens; die organisierten Huren wehren sich gegen ihre Freier.
Die zwei guten Punkte zuerst: 1. Bruce Willis schafft es als einziger Schauspieler, dass man sich mit ihm wenigstens zeitweise identifizieren kann, und das trotz grauenvollem Drehbuch - Bruce Willis zeigt hier mal wieder, dass er einer der besten (und inzwischen nicht mehr unterschätzten) Schauspieler seiner Generation ist. 2. Die in Schwarzweiß gehaltenen Aufnahmen bringen überzeugend die düstere Atmosphäre von Sin City hervor, ganz gemäß der Comicvorlage. Die Bildersprache ist gewaltig, nur leider wird das emotionale Potenzial, das diese Bilder generieren könnten, völlig verschenkt.
Und damit kommen wir schon zum wesentlichen Makel des Films: "Sin City" lässt keine Identifikation mit den Figuren zu (mit Ausnahme des Polizisten, und das ist dem Können von Bruce Willis zu verdanken). Die Figuren bleiben unter ihrer düster-theatralischen Oberfläche eindimensional und uninteressant. Die Motivation einer Figur wie Marv ist nicht nachvollziehbar, sein Leidensweg lässt einen gleichgültig, sein Ende ist nur noch grotesk. Das Drehbuch ist platt bis über die Schmerzgrenze hinaus; Raymond Chandler würde sich im Grab umdrehen bei Platitüden wie "Ein alter Mann stirbt. Ein junges Mädchen lebt. Das ist ein guter Tausch." Uuuaaah.
"Sin City" lebt daher nicht von der Identifikation des Zuschauers mit den Figuren, sondern von der sadistisch-voyeuristischen Lust, dass diesen Figuren Gewalt angetan wird. "Ich schlug in sein Gesicht, bis sich seine Schädelknochen in den Boden bohrten" sei hier nur als Beispiel genannt. In keinem anderen Film wird soviel Blut verspritzt, werden so viele Körper verstümmelt, es wird an allen Ecken und Enden gestorben und beinah gestorben. Aber selbst diese Fülle an Gewalt lässt kalt, da die Figuren und ihre Schicksale kalt lassen. Es ist stattdessen das schiere Quantum an Gewalt alleine, diese Dauerpräsenz von Qual und Tod in allen Varianten, was schließlich einen Eindruck macht: Man ekelt sich - während man sich gleichzeitig langweilt und sich darüber ärgert, dass man hier Geld bezahlt hat.
Dass Quentin Tarantino an "Sin City" als Regisseur beteiligt ist, ist traurig - in "Kill Bill" und "Pulp Fiction" gab es Figuren, mit denen man mitfühlen konnte, und die Gewaltorgien waren damit nicht Selbstzweck. Aber "Sin City" ist nur noch das Abbrennen eines Feuerwerks an bloßer Gewalt - und was sagt uns das über unsere Gesellschaft, wenn sowas für einen Kultfilm taugt??