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    Damit niemand den Twist dieses Horror-Klassikers errät, ließ der Regisseur die Vorlage aus dem Verkehr ziehen
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Heute wäre es völlig undenkbar, Hitchcock hingegen erachtete es als absolut notwendig: Im Vorfeld seines Horror-Klassikers „Psycho“ ließ er alle Kopien der Romanvorlage aufkaufen. Doch er tat noch mehr, um den Twist zu bewahren!

    Universal Pictures

    Geht es um Spoiler, leben wir in widersprüchlichen Zeiten: Einerseits gehören Spoiler-Warnungen zum Alltag in Artikeln, Podcasts und Videos – und das in einem einst ungewohnten Ausmaß. Andererseits besteht enorme Nachfrage an Spoiler-Vorberichterstattung: Wenn Comics oder Romane verfilmt werden, will sich ein nennenswerter Teil des Publikums schon Monate oder gar Jahre im Voraus darüber informieren, was im Film passieren könnte.

    Daher wäre es kaum denkbar, dass ein Film wie Alfred Hitchcocks Horror-Klassiker „Psycho“ heutzutage das Publikum mit seinen Twists durch die Bank weg schockiert. Würden doch Fans der Buchvorlage selbstgefällig raunen, genau gewusst zu haben, was passiert. Ebenso wie alle Ungeduldigen, die sich „Das passiert im Roman zum kommenden Horror-Hit!“-Videos angeschaut haben.

    Was sich noch schwerer vorstellen lässt, ist dass ein Regisseur heutzutage dieselben Methoden wie Hitchcock anwendet, um den Twist seines Films zu bewahren. Denn „Psycho“ basiert auf Robert Blochs gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1959 – und damit sein Publikum im Unklaren bleibt, ließ Hitchcock sämtliche im Umlauf befindlichen Kopien aufkaufen! So nahm Hitchcock allen Interessierten die Möglichkeit, sich auf seinen nächsten Film vorzubereiten, indem sie sich dessen Geschichte vorab durchlesen.

    Wie eine Buchkritik den Verlauf des Horrorkinos beeinflusste

    Die Anekdote, dass Hitchcock dafür sorgte, dass der „Psycho“-Roman überall ausverkauft war, ist nicht der einzige außergewöhnliche Schritt auf dem Weg von Buchvorlage zum oft kopierten und nie erreichten Horror-Klassiker: Wir haben es einer Kritik zu verdanken, dass der unter die Haut gehende Schocker mit Janet Leigh und Anthony Perkins zustande kam!

    Denn es war Hitchcocks Assistentin Peggy Robertson, die überhaupt erst auf „Psycho“ aufmerksam wurde – und das einzig und allein, weil sie in der New York Times eine positive Kritik des Krimi- und Thriller-Experten Anthony Boucher gelesen hat. Von ihr angestachelt, besorgte Robertson sich das Buch und zeigte es ihrem Chef – der mit dem Stoff jedoch zunächst auf Ablehnung stieß.

    Paramount Pictures, das Studio, mit dem Hitchcock zu jener Zeit eine Partnerschaft unterhielt, beschäftigte eine Abteilung, deren Aufgabe es war, aktuelle Bucherscheinungen auf ihre Filmtauglichkeit zu überprüfen – und die hatte „Psycho“ bereits als untauglich eingestuft. Klingt nach Hollywood-Legende, ist aber Hollywood-Historie! So fasst es zumindest Hitchcock-Experte Stephen Rebello in seinem Hinter-den-Filmkulissen-Standardwerk „Alfred Hitchcock And The Making Of Psycho“ zusammen.

    Eintrittsverbot für Unpünktliche!

    Bekanntermaßen gelang es Hitchcock schlussendlich, Paramount von „Psycho“ zu überzeugen – wenngleich er dafür immense Kompromisse einging: Der Film musste mit einem winzigen Budget von 800.000 Dollar Budget in Schwarz-Weiß gedreht werden. Außerdem musste der Star-Regisseur auf einen Großteil seiner üblichen Gage verzichten – als weitere Sparmaßnahme griff er auf die Crew seiner TV-Serie „Alfred Hitchcock präsentiert“ zurück.

    Als „Psycho“ allen Hürden zum Trotz im Kasten war, setzte der Suspense-Meister seine Anti-Spoiler-Maßnahmen fort: Er ordnete Kinos an, bei „Psycho“ eine strenge Einlasspolitik zu verfolgen – ab Filmbeginn durfte niemand mehr in den Saal gelassen werden. Ein Albtraum für notorisch unpünktliche Kinobesucher*innen. Das Paradies für alle, die sich regelmäßig über Leute aufregen, die mitten im Film durch die Reihen stolpern und genervt „Ich dachte, die Werbung geht länger!“ stöhnen.

    Und solltet ihr euch nun wundern, inwiefern diese Anti-Störenfried-Methode auch als Maßnahme durchgeht, die Twists in „Psycho“ zu bewahren: Als Hitchcocks Horror-Meilenstein 1960 die US-Kinos eroberte, war es in Lichtspielhäusern noch nicht verpönt, dass Leute den Saal betreten, wann immer es ihnen beliebt. Wer durch das Ignorieren der Spielzeiten beispielsweise die erste halbe Stunde eines Films verpasst hat, blieb einfach sitzen und holte den Anfang bei der nächsten Vorführung nach.

    Es dürfte sich von selbst erklären, dass bei solchen Sehgewohnheiten überraschende Wendungen massiv an Wirkung verlieren. Aber es benötigte Hitchcocks „Zwangserziehung“, damit sich das Publikum seinen Kinobesuch nicht weiter auf diese Weise selbst verdirbt.

    Ziemlich makaber: Deshalb gab es am Set des besten Kriegsfilms aller Zeiten echte Leichen!

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