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    "Ich musste monatelang ihren miesen Charakter ertragen": Diese Ikone machte dem Regisseur von "Der Name der Rose" das Leben schwer
    Michael Bendix
    Michael Bendix
    -Redakteur
    Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

    Nach dem Erfolg von „Der Name der Rose“ widmete sich Jean-Jacques Annaud unter anderem einer Verfilmung von Marguerite Duras' preisgekröntem Roman „Der Liebhaber“. Doch die Autorin und der Regisseur hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen...

    Jean-Jacques Annaud, der Schöpfer von Hits wie „Am Anfang war das Feuer“, „Der Bär“ und vor allem „Der Name der Rose“, mag es im gehobenen Alter von 80 Jahren mittlerweile etwas ruhiger angehen – das hält ihn allerdings nicht davon ab, Erinnerungen an seine vor fast 50 Jahren begonnene Regie-Laufbahn auf zum Teil bemerkenswert offene Art und Weise mit der Öffentlichkeit zu teilen.

    In einem fast achtstündigen (!) Interview mit der französischen Zeitschrift Les Années Laser ließ er seine Karriere ausführlich Revue passieren und sparte dabei nicht mit mal amüsanten, mal überraschenden Anekdoten – bei denen die Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat, nicht immer gut wegkommen. Für einen Oscar-Preisträger, der bei „Der Name der Rose“ vor seiner Kamera stand, hatte er beispielsweise wenig schmeichelhafte Worte übrig.

    Das gilt auch für eine andere Person: Die Rede ist von Marguerite Duras, der berühmten Schriftstellerin („Der Schmerz“), Drehbuchautorin („Hiroshima, mon amour“) und Regisseurin („India Song“), deren autobiografischen Roman „Der Liebhaber“ Annaud im Jahr 1992 auf die Leinwand brachte.

    Ursprünglich sollte Michael Cimino („Die durch die Hölle gehen“) das Buch verfilmen, während Annaud eine Adaption von „So lebt der Mensch“ anstrebte – nachdem allerdings beide mit ihren jeweiligen Projekten fremdelten, tauschten sie die Literaturverfilmungen aus (Cimino gelang es allerdings nicht, seinen Film zu finanzieren).

    Doch Annaud sträubte sich zunächst, die Regie bei „Der Liebhaber“ zu übernehmen – und zwar wegen der Autorin der Buchvorlage: „Nach allem, was ich über die Persönlichkeit von Marguerite Duras wusste, kam es nicht in Frage, dass ich mit dieser Nervensäge arbeiten würde.“ Der Grund, weshalb er den Posten schließlich doch übernahm, ist ziemlich makaber: Der spätere „Sieben Jahre in Tibet“-Macher erfuhr, dass Duras im Krankenhaus liege und in einem schlechten Zustand sei.

    „Das ist nicht sehr glorreich von mir, aber ich dachte sofort: ,Na gut, wenn sie nicht mehr da ist, habe ich wenigstens meine Ruhe'“, erklärt Annaud. „Doch entgegen allen Erwartungen erholte sich Marguerite Duras vollständig.

    In unzähligen Treffen in ihrer Wohnung musste ich also monatelang ihren miesen Charakter ertragen, ihre völlige Unkenntnis dessen, was eine Adaption ist, ihre absurden Forderungen, ihre Geldgier, ihre Besessenheit davon, ihr Buch Wort für Wort wiedergegeben zu sehen, ihre Forderung, dass ich die 20 schrecklichen Seiten, die sie als Drehbuch geschrieben hatte, genau befolgen möge, und ihre systematische Ablehnung von allem, was ich vorschlug.“

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    Zwar mildert Annaud seine Generalabrechnung mit der 1996 verstorbenen Literatur-Ikone ein wenig ab, indem er einräumt, „dass es einige wunderbare Momente gab, weil sie sehr lustig war.“ Aber: „Zwischen ihrem Wunsch, Isabelle Adjani in der Hauptrolle zu haben, dem schäbigen Kleid, das sie für die Heldin gekauft hatte, und ihrer Entscheidung, den Film an der Marne statt am Mekong zu drehen, war es eine sehr schmerzhafte Erfahrung.“

    Marguerite Duras über "Der Liebhaber": "Ein Haufen Scheiße"

    In manchen Punkten konnte sich Annaud letztlich durchsetzen. So besetzte er die Hauptrolle der jungen Französin, die in Saigon eine Affäre mit einem deutlich älteren, wohlhabenden Chinesen (Tony Leung Ka-fai) beginnt, mit der Newcomerin Jane March, deren Karriere allerdings nur einen Film später (dem Erotik-Thriller-Flop „Color Of Night“ mit Bruce Willis) wieder zum Erliegen kam.

    „Der Liebhaber“ aber war in Frankreich ein respektabler Erfolg und erhielt überwiegend positive Kritiken. Was Duras von dem Film hielt, ist nicht überliefert – sehr wohl allerdings, wie sie zu ihrem gefeierten Roman stand, der die Grundlage lieferte: „‚Der Liebhaber‘ ist ein Haufen Scheiße“, gab sie einmal zu Protokoll (via The Conversation). „Es ist ein Flughafenroman. Ich habe ihn geschrieben, als ich betrunken war.“

    Auch hinter den Kulissen des Milliarden-Hits „Joker“ (2019) gab es übrigens dicke Luft. Was genau passiert ist, erfahrt ihr im folgenden Artikel:

    Anspannung hinter den "Joker"-Kulissen: Darum gab es Ärger zwischen Robert De Niro und Joaquin Phoenix

    Ein ähnlicher Artikel ist auf unserer französischen Schwesternseite AlloCiné erschienen.

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