Wer in seinem Leben schon einige Italo-Western gesehen hat, weiß, dass man es hier nicht gerade mit einem Genre zu tun bekommt, in dem Harmonie an erster Stelle steht. Helden sucht man vergebens, oftmals bekommt man es mit desillusionierten Pistoleros zu tun, die völlig verlernt haben, was es bedeutet, Mensch zu sein. Stattdessen wird ausschließlich über Gewalt kommuniziert. Oftmals aber gibt es dennoch ein gewisses Maß Restglauben an das Gute, an das moralisch Richtige.
In „Leichen pflastern seinen Weg“ von Sergio Corbucci („Django“) aber sieht es – selbst für einen Italo-Western – in dieser Hinsicht ziemlich düster aus. Hier nämlich regiert der pure, bis auf den Kern freigelegte Nihilismus. Kein Wunder, dass es Corbucci mit seinem Meisterwerk auch nach 55 Jahren immer noch auf bedrückende Art und Weise gelingt, seinen Zuschauer*innen einen noch lange nachwirkenden Schlag in die Magengrube zu verpassen.
Ihr habt „Leichen pflastern seinen Weg“ bislang noch nicht gesehen? Dann könnt ihr den Schnee-Western mit Jean-Louis Tritingnant und Klaus Kinski in den Hauptrollen heute, am 18. April um 23.50 Uhr bei ZDFNeo nachholen.
Die ultimative Rache-Geschichte
In „Leichen pflastern seinen Weg“ konfrontiert Sergio Corbucci seine Zuschauer*innen in einzigartiger Unnachgiebigkeit mit der Gewalt der menschlichen Natur. Das Duell zwischen Silence und Loco ist in Sachen Unversöhnlichkeit wohl die ultimative Rache-Geschichte im Italo-Western. Hier gibt es keine Sieger, sondern nur den Tod. Bahnbrechend dabei: Der zutiefst hassenswerte Auftritt von Klaus Kinski, der als von purem Sadismus getriebener Kopfgeldjäger hier einen der abgründigsten und verabscheuungswürdigsten Antagonisten der Filmgeschichte gibt.
Dieses Aufeinandertreffen webt Corbucci – ganz dem politischen Zeitgeist entsprechend – in eine kapitalismuskritische Geschichte ein, in dem marktwirtschaftliches Kalkül endgültig dafür gesorgt hat, dass das Gesetz nicht mehr als moralische Instanz fungiert. Die Armen werden nicht geschützt, weil sich aus ihnen kein Geld schlagen lässt. Stattdessen werden sie zum Abschuss freigegeben – und die Gesetzlosen müssen plötzlich für Recht und Ordnung einstehen. In dieser Welt, die „Leichen pflastern seinen Weg“ beschreibt, ist Tugendhaftigkeit aber zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden.
Sergio Corbuccis Parabel über Gier und Grausamkeit ist eigentlich ein Horrorfilm – jedenfalls entfesselt er eine ähnlich beklemmend-düstere Stimmung, die in ihrer Ausweglosigkeit eine verstörende Brutalität offenbart, die wahrhaft unter die Haut kriecht. Neben seiner Gnadenlosigkeit aber beweist Corbucci auch, dass er ein hervorragender Handwerker ist, ein Meister, wenn es darum geht, Spannungskulissen zu verdichten. Den Rest erledigen der schaurige Score von Ennio Morricone und die famosen Bilder von Kameramann Silvano Ippoliti. Hier wird den ewigen Schneelandschaften für immer ihre Unschuld geraubt.
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Heute Abend streamen: Einer der besten Western aller ZeitenDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.