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    Warum "Yesterday" für mich nicht funktioniert – erklärt anhand einer einzelnen Figur!

    Ich habe eine Theorie: Die Qualität einer romantischen Komödie lässt sich daran ablesen, wie sie mit „dem Anderen“ umgeht. Danny Boyles „Yesterday“ ist ein weiteres passendes Beispiel dafür...

    Universal Pictures

    +++ Meinung +++

    Achtung: Dieser Artikel enthält Spoiler für „Yesterday“

    Yesterday“, geschrieben von Drehbuchautor Richard Curtis, den ich persönlich für Filme wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder „Alles eine Frage der Zeit“ eigentlich sehr schätze, handelt von dem erfolglosen Singer-Songwriter Jack Malik (Himesh Patel), der quasi über Nacht zum Superstar aufsteigt. Allerdings nicht mit seinen eigenen Songs, sondern mit denen der Beatles, an die sich nach einem weltweiten Stromausfall (fast) niemand außer Jack mehr zu erinnern scheint...

    Yesterday

    Eine geniale Prämisse, keine Frage. Aber dann hat sich das für mich alles irgendwie doch nur wie die x-te Die-dunkle-Seite-des-Ruhms-Geschichte angefühlt – inklusive der obligatorischen Jugendliebe, die im Angesicht des plötzlichen Erfolgs (unbeabsichtigt) zur Seite geschoben wird. Lily James („Baby Driver“) ist als Kleinstadt-Lehrerin Ellie Appleton auf „durchschnittlich attraktiv“ runtergeschminkt und frisiert, sieht aber natürlich selbst so noch umwerfend aus.

    Irgendjemand muss dem Helden ja im Weg stehen

    Aber meine spezifische Kritik richtet sich gar nicht gegen eine der beiden Hauptfiguren, sondern gegen „den Anderen“. In romantischen Komödien gibt es in der Regel schon aus rein dramaturgischen Gründen einen Nebenbuhler - entweder gleich zu Beginn, wenn die Angebetete etwa schon verheiratet ist, oder später, wenn sie sich einem anderen Liebhaber zuwendet, weil der Protagonist am Ende des zweiten Akts mal wieder Mist gebaut hat. Schließlich braucht man Hindernisse, die der romantische Held überwinden kann, damit die Liebe am Schluss dann auch wirklich etwas wert ist ...

    ... nur sollten diese Hindernisse im selben Moment auch nicht so hoch sein, dass sie beim Drehbuchschreiben lästig werden. Man stelle sich vor: Der Nebenbuhler ist ein echt cooler Typ, von dem das Publikum das Gefühl hat, dass er eigentlich viel besser mit der weiblichen Hauptfigur zusammenpasst – solch eine Ambivalenz gilt es in einem Mainstream-Film natürlich mit allen Mitteln zu vermeiden! Und so sind Nebenbuhler oft von Beginn an entweder solche Arschlöcher oder Waschlappen, dass diese Gefahr gar nicht erst entsteht. Alternativ können sie sich auch als Plottwist kurz vor Schluss als heimtückische Sadisten mit geheimer Agenda entpuppen, das erfüllt denselben Zweck.

    Hier so mies wie selten: “Der Andere“

    In „Yesterday“ ist „der Andere“ der lokale „Musikproduzent“ Gavin (Alexander Arnold), der Jack in seinem direkt an einer Bahntrasse gelegenen „Tonstudio“ dabei hilft, seine erste Platte aufzunehmen. Ein skurriler kurzer Auftritt und als solcher tatsächlich ganz nett. Aber dann müssen ja 45 Minuten später irgendwie die Einsätze in die Höhe getrieben werden – und so eröffnet Ellie dem tourenden Jack am Telefon, dass sie jetzt mit Gavin zusammen sei. WTF?

    Nicht nur glaubt man das eh schon für keine Millisekunde – es wird auch bei seinen folgenden Auftritten an der Seite von Ellie penibel darauf geachtet, Gavin als die wohl asexuellste Figur der Kinogeschichte darzustellen (auch in den Marketing-Fotos zum Film sieht man ihn nur einmal von hinten und zwar in dem Bild über diesem Artikel): Ja, er hat einen dramaturgischen Zweck und deshalb muss das jetzt so sein. Aber bitte liebes Publikum, nehmt ihn bitte nicht für eine Sekunde als ernstzunehmenden Konkurrenten (sprich jemanden, der mit Lily tatsächlich Sex hat) wahr. Weniger inspiriert kann man so eine Figur kaum aus dem Drehbuch-Baukasten in sein Skript copy-&-pasten.

    Bloß keine gemischten Gefühle

    Aber selbst da hört es nicht auf. Denn man will ja nicht, dass sich der Zuschauer wegen „des Anderen“ schlechtfühlt, wenn er für den tatsächlichen Helden der Geschichte verlassen wird. Hat man sich oben für die Arschloch-Variante entschieden, hat man an dieser Stelle kein Problem – da applaudiert das Publikum schließlich, wenn „der Andere“ (am besten noch mit einem erniedrigenden Arschtritt) in die Wüste geschickt wird. Aber bei „Yesterday“ haben wir es ja mit der Waschlappen-Variante zu tun – und da muss man sich eben noch was einfallen lassen, warum das in Wahrheit alles gar nicht so schlimm für ihn ist. Früher haben solche Figuren gen Ende gerne mal erkannt, dass sie in Wahrheit eh schwul sind – Problem gelöst.

    Richard Curtis und Regisseur Danny Boyle gehen in „Yesterday“ allerdings gleich doppelt auf Nummer sicher: Nicht nur sieht Gavin großzügig ein, dass Ellie ja eh viel besser zu Jack passt (und spricht das sogar genau so aus). Man sieht in der nächsten Szene auch noch, dass er anschließend mit Ellies ebenfalls nicht unattraktiver Mitbewohnerin zusammengekommen ist. Die ist im ganzen vorherigen Film allerdings nur ein oder zwei Mal ganz kurz vorgekommen – und damit offenbar überhaupt nur in der Geschichte, damit Gavin am Schluss auch jemanden abbekommt. Dass das für ein „anständiges“ Happy End überhaupt so sein muss, finde ich ja schon schrecklich altmodisch. Aber hier wurde auch noch eine dramaturgische Krücke für eine dramaturgische Krücke in den Film eingebaut ...

    ... wie wäre es stattdessen aber, lieber einfach interessante Figuren zu schreiben, die über ihre reine Funktion hinausgehen? Dass Richard Curtis genau das sehr wohl beherrscht, hat er in seiner langen und erfolgreichen Karriere schließlich schon oft genug bewiesen.

    „Yesterday“ läuft seit dem 11. Juli in den deutschen Kinos.

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