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    Darum ist "Holidate" auf Netflix eine schrecklich-widerliche Weihnachts-Rom-Com

    Romantische Komödien wie aktuell „Prinzessinentausch 2“ gehören fest zu Weihnachten. Dass sie so beliebt sind, hat Netflix längst als Erfolgsmodell erkannt. Auch „Holidate“ wurde zum Hit – völlig unverständlich für FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher.

    Netflix

    +++ Meinung +++

    Ich mag kitschige Weihnachts-Romantik-Komödien. Die sind selten weltbewegend, aber man kann gemütlich zu zweit mit der Decke auf der Couch gekuschelt einen Winter-Sonntag-Nachmittag mit ihnen verbringen. Die oft gezeigte heile Welt, die Gewissheit, dass die Hauptfiguren am Ende trotz aller (meist eher konstruierter) Widrigkeiten zusammenkommen, der Kitsch-Bombast und die typischen skurrilen Nebenfiguren, die sonst niemand in seinem Freundeskreis hat, können charmante Realitätsflucht sein.

    Netflix hat längst erkannt, dass nicht nur ich, sondern Millionen Kundinnen und Kunden da immer einschalten – und haut jedes Weihnachten gleich mehrere dieser Filme raus – mal besser (ich mochte „Prinzessinnentausch“), mal schlechter („A Christmas Prince“ war leider sehr übel).

    Das ist natürlich auch 2020 so, wo es im Wochentakt neue Filme gibt. Gerade ist „Prinzessinentausch 2: Wieder vertauscht“ erschienen, doch ich möchte hier über den bereits seit Ende Oktober (es geht immer früher los) verfügbaren „Holidate“ sprechen. Den fand ich nämlich nicht nur schrecklich, sondern auf eine gewisse Weise sogar widerlich.

    Wir sind besser als ihr

    In „Holidate“ finden zwei Feiertag-ist-Partnerzeit-Muffel (Emma Roberts & Luke Bracey) zusammen und werden zu Holidates. Heißt: Ohne Verpflichtungen und Anspruch auf mehr gehen sie an allen Feiertagen zusammen aus, um dort nicht mehr peinliche Dates haben zu müssen oder als Single von allen Mitleid zu bekommen. Natürlich funkt es früher oder später zwischen ihnen und alles wird verdammt kompliziert...

    So weit so normal, was „Holidate“ aber von den üblichen Weihnachts-Rom-Coms unterscheidet: Während viele Filme das Genre umarmen, noch eine Prise Kitsch obendrauf streuen, wird hier in jeder Sekunde klar: Wir verachten das Genre! Wir sind besser als ihr!

    Das stetige Augenzwinkern

    Regisseur John Whitesell („Big Mama's Haus“), Drehbuchautorin Tiffany Paulsen („Nancy Drew“) und Produzent McG („3 Engel für Charlie“) sind immer darum bemüht, deutlich zu machen, wie anders ihr Werk und ihre Hauptfiguren sein sollen. Dabei geht es ihnen weniger darum, nur ihr Paar als Zyniker zu charakterisieren, sondern sie holen immer wieder zu einem einfach abwertenden und augenzwinkernden Seitenhieb gegen das Genre aus.

    Das führt zu einer ungemein-unangenehmen Selbstreferenzialität - vor allem deutlich beim Filmhöhepunkt. Als Heldin Sloane sich in einer Einkaufsmall eingesteht, dass sie ihren Holidate-Partner Jackson liebt, eilt sie ihm nach. Natürlich bekommt er von ihren „Jackson, Jackson“-Rufen nichts mit. Doch dann erblickt sie einen Chor. Sie wird sich doch nicht deren Mikro schnappen? Im fast einzigen cleveren Moment des ganzen Films greift stattdessen plötzlich der Chor ihr „Jackson, Jackson“ auf – bevor der Moment dann wieder entkräftet wird, weil sie doch zum Mikro greift.

    Diese neue Netflix-Serie ist der pure Wahnsinn

    Das Schlimme kommt aber erst jetzt: Da mit einem Mikro vor der ganzen Welt (bzw. hier den Feiertags-Shoppern) die Liebe gestehen, natürlich das Paradebeispiel für den cheesy Rom-Com-Moment ist, muss das sofort mit einem Augenzwinkern kommentiert werden – und so versichern die beiden Hauptfiguren sich sofort, wie schlimm das war. Aber weil man bei „Holidate“ ober-cool ist, gibt es vorher sogar noch den Witz, dass Jackson so tut, als würde ihn das öffentliche Liebesgeständnis nicht interessieren und mit einem Schulterzucken abdreht.

    Haha, wir sind anders – und machen uns sogar den romantischen Moment für einen billigen Gag kaputt.

    Nicht einmal gut ironisch

    Ich hätte damit vielleicht was anfangen können (oder wäre zumindest weniger verärgert gewesen), wenn dieser ganze zynische, augenzwinkernde Ansatz gut gewesen wäre – aber nicht einmal das ist es. Da werden die Hauptfiguren zum Beispiel als mit Popkultur-Zitaten spielendes Duo ähnlich den „Gilmore Girls“ (nur mit weniger Liebe) eingeführt, was aber nach einer halben Stunde dann einfach vergessen wird.

    Stattdessen gibt es dann Witze darum, dass ein paar besoffene Typen mit Böllern rumspielen und es sogar noch lustig ist, wenn einem dabei der Finger wegfliegt. Und natürlich gibt es die blöden Scherze um die Nebenfiguren, die hier aber fast allesamt im Sande verlaufen – was aber auch konsequent ist, weil die beiden freudlosen Hauptfiguren ohnehin scheinbar alle Nebenfiguren hassen.

    Geheimer Superstar-Cameo in Netflix-Hit "Holidate"? Das steckt dahinter!

    Noch einmal ein ganz anderes Thema wäre natürlich, dass bei diesen Nebenfiguren dann ein paar People Of Color den weißen Protagonisten zur Seite stehen dürfen – in dem sie alle (!) einfach nur Stereotype darstellen. Das ist zwar allesamt rassistisch, aber es ist doch so ungemein lustig, wenn dann der Doktor, der scheinbar indischer Abstammung ist, mit der älteren Frau anbandelt, weil ja junge indische Männer angeblich oft ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit den frustrierten Ehefrauen der Nachbarschaft machen. Hohoho, aber das wäre schon wieder ein anderes Thema.

    Mein Tipp: Spart euch „Holidate“ und schaut lieber irgendeine andere der dutzend Weihnachts-Rom-Coms auf Netflix.

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