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    Jetzt auf Netflix streamen: Dieser geniale Found-Footage-Horror ist so unangenehm, dass es weh tut
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Ob "Rosemaries Baby", "Halloween", "Cannibal Holocaust" oder "Scream": Pascal liebt das Horrorkino in seiner ganzen verstörenden Schönheit.

    Wer sich vor Unwohlsein mal richtig winden möchte, sollte sich unbedingt „Creep“ anschauen, der im Abo von Netflix zur Verfügung steht. Der Found-Footage-Horror mit Mark Duplass in der Hauptrolle geht dorthin, wo es weh tut – und wirkt lange nach.

    Blumhouse Productions / Netflix

    +++ Meinung +++

    Es gibt soziale Situationen, aus denen möchte man direkt und sehr schnell fliehen. Zum Beispiel, wenn man sich das Lachen auf einer Beerdigung vor der gesamten Trauergemeinde verkneifen muss. Oder der Moment beim ersten Date, der einem deutlich macht, dass man sich einfach nichts zu sagen hat, weil das Gespräch in unangenehmer Stille festhängt. Der Found-Footage-Horror Creep“, der im Abo von Netflix zur Verfügung steht, ist ein Film, der genau diese Gefühlswelten heraufbeschwört – aber sie sind hier nur der Anfang.

    Regisseur Patrick Brice und Hauptdarsteller Mark Duplass nutzen diese unangenehmen Emotionen, um sie nach und nach mit Angst zu unterfüttern. Irgendwann kommt man hier als Zuschauer an den Punkt, an dem man einfach nicht mehr weiß, ob man lauthals lachen oder sich vor Beklemmung die Decke über den Kopf ziehen soll. Fest steht jedenfalls für mich: Wer diese 75 Minuten auf Netflix über sich ergehen lässt, wird in Zukunft noch sehr oft an sie zurückdenken müssen.

    Darum geht es in "Creep"

    Aaron (Regisseur Patrick Brice) findet im Internet eine Anzeige, in der nach einer Person gesucht wird, die sich von einem Mann namens Josef (Mark Duplass) über Tage mit einer Videokamera begleiten lassen will. Dafür stehen ihm alle 24 Stunden 1000 Dollar in Aussicht. Nachdem Aaron Josef besucht und sich nach anfänglichen Irritationen tatsächlich dazu entscheidet, den Job anzunehmen, wird die Lage zusehends undurchsichtiger. Was mit schlechten Witzen beginnt, verhärtet sich für Aaron immer massiver zu dem Eindruck, mehr und mehr in echter Lebensgefahr zu stecken.

    Das Found-Footage-Subgenre hat schon länger einen schlechten Ruf. Durch die vielen, schlechten Ableger und Nachahmer von „Paranormal Activity“ ist ein wenig in Vergessenheit geraten, wie wirkungsvoll diese Kategorie des Horrorfilms sein kann. Wer also der Meinung ist, dass Found Footage weitestgehend ausgedient hat, dem kann ich an dieser Stelle versichern: „Creep“ wird eure Meinung ändern.

    "Creep" ist eine echte Horror-Herausforderung

    Patrick Brice und Mark Duplass gelingt mit „Creep“ etwas, was den meisten Horrorfilme heutzutage vollkommen abgeht: Das Kreativduo entfacht eine vollkommene Unvorhersehbarkeit. Josefs Verhalten unterliegt hier oftmals einer Willkür, die gleichermaßen amüsiert wie provoziert. Wenn dieser beim ersten Treffen plötzlich nackt vor Aaron steht und von diesem verlangt, dass er ihn beim Baden mit seinem imaginären Sohn filmen soll, dann verschlägt es einem schon die Sprache.

    Und in dieser Tonalität geht es fortwährend weiter. Immer wenn es scheint, die Situation normalisiert sich langsam, unternimmt Josef etwas, um die für wenige Minuten gewonnene Sicherheit wieder zu torpedieren: Beim gemeinsamen Waldspaziergang rennt er urplötzlich ansatzlos in die Wälder, um Aaron allein auf der Lichtung zurückzulassen.

    Psychopath oder einsame Seele?

    In „Creep“ wird lange Zeit nicht mit offenen Karten spielt, was auch an der sensationellen Leistung von Multitalent Mark Duplass (der auch als Schriftsteller und Musiker aktiv ist) liegt. Duplass schürt immer wieder Zweifel daran, was Josefs wahre Absichten gewesen sind, als er die Stellenanzeige ins Internet setzte. Mag er auch noch so wahnsinnig wirken, so gibt Mark Duplass dieser Figur doch durch sein facettenreiches Spiel auch eine unverkennbare Tragik. Josef ist eine einsame Seele.

    Mitleid und Bedrohung halten sich bei ihm gewissermaßen die Waage, was es umso komplizierter (und spannender!) macht, die Figur Josef irgendwie greifen zu können. „Creep 2“, der ebenfalls auf Netflix verfügbar und eine wirklich gelungene Fortsetzung ist, baut diesen Aspekt sogar noch aus, obwohl man sich am Ende von „Creep“ (fast) darüber im Klaren sein darf, woran man bei Josef wirklich ist. Deswegen ist das „Creep“-Doppel nicht nur als Found-Footage-Horror packend. Beide Filme funktionieren auch als ambivalente Charakterstudien.

    Dazu kommt: In „Creep“ sorgt das erratische Verhalten von Josef für Jump Scares, die so brachial ausfallen, dass sie gnadenlos ins Parodistische ausschlagen: Immer wieder springt Josef hinter irgendwelchen Ecken hervor und brüllt in die Kamera. Einfach so. Das ist ein großer Spaß und ein Seitenhieb auf andere, deutlich weniger gelungene Found-Footage-Filme.

    Der neue Netflix-Film vom "Creep"- und "Creep 2"-Regisseur

    Wer „Creep“ und „Creep 2“ geschaut hat und auf den Geschmack von Patrick Brice gekommen ist, bekommt schon ab 1. Oktober auf Netflix die Möglichkeit, seinen neusten Film zu sehen. Dieser trägt den Titel „JEMAND ist in deinem Haus“. Es geht um einen Killer, der sich beim Ermorden hinter einer Maske versteckt, die jeweils dem Gesicht seines Opfer nachempfunden ist. Das klingt durchaus spannend, könnte Patrick Brice den klassischen Slasher hier nämlich um eine innovative Idee erweitern.

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