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    "The Witcher" wird erwachsen: So gut ist Staffel 2 des Netflix-Fantasy-Hits
    Julius Vietzen
    Julius Vietzen
    -Redakteur
    Seit dem ersten "The Witcher"-Spiel ist Julius ein Fan, der natürlich auch die anderen Spiele, Bücher & Geschichten sowie die Serien verschlungen hat.

    Mit der 1. Staffel „The Witcher“ setzte Netflix 2019 ein Ausrufezeichen, nun geht es endlich weiter. In unserer Kritik zu den ersten 6 (von 8) Folgen erfahrt ihr, was in „The Witcher“ Season 2 besser und was schlechter ist als bei der Auftaktstaffel.

    Netflix / Jay Maidment

    Die erste Staffel „The Witcher“ überzeugte mit furios inszenierten Actionszenen, einem tollen Hauptdarsteller-Trio und einer glaubwürdig-dreckigen Fantasywelt voller Krieg und Elend. Doch wie selbst Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich heute offen zugibt, hatte Season 1 auch so ihre Probleme: etwa die sprunghafte Handlung mit ihren chaotischen Timelines, die sogar dafür sorgten, dass eine Figur wie Jaskier (Joey Batey) in mehreren Jahrzehnten Handlungszeit kein bisschen alterte.

    Daraus haben die Verantwortlichen der Netflix-Serie offenbar gelernt: Mit der zweiten Staffel wird „The Witcher“ nun erzählerisch und inhaltlich ein gutes Stück reifer und erwachsener, was einerseits sehr schön ist, andererseits auch dafür sorgt, dass sich nach einer starken Auftaktepisode etwas Leerlauf und Langeweile einschleichen, bevor Season 2 dann mit Ende der vierten Episode endlich in Schwung kommt. Und wie!

    Die Handlung von "The Witcher" Staffel 2

    Hexer Geralt von Riva (Henry Cavill) und die durch das Schicksal mit ihm verbundene Prinzessin Ciri (Freya Allan) haben endlich zueinander gefunden, doch Geralts große Liebe, die Zauberin Yennefer (Anya Chalotra), scheint nach der großen Schlacht zwischen den Nördlichen Königreichen und Nilfgaard spurlos verschwunden zu sein.

    Also brechen Geralt und Ciri in Richtung Kaer Morhen auf, denn in der Hexer-Festung soll Ciri lernen, sich zu verteidigen und ihre Ängste zu überwinden. Unterwegs erleben die beiden ein Abenteuer im Anwesen eines alten Freundes von Geralt: Nivellen (Kristofer Hivju) wurde durch einen Fluch in eine Mischung aus Mann und Wildschwein verwandelt. Und auch in Kaer Morhen erwartet die beiden kein ruhiger Winter.

    Netflix

    Unterdessen kommt Yennefer in Gefangenschaft von Fringilla (Mimi Ndiweni) wieder zu sich. Die in Diensten der Invasoren aus Nilfgaard stehende Zauberin flieht nach der vernichtenden Niederlage von Sodden mit ein paar letzten Soldaten Richtung Süden. Doch das ist noch das geringste von Yennefers Problemen...

    Ein gelungener Auftakt

    Die erste Folge der zweiten Staffel „The Witcher“ basiert größtenteils auf „Ein Körnchen Wahrheit“ aus der Kurzgeschichtensammlung „Der letzte Wunsch“ von Andrzej Sapkowski: Geralt und Ciri suchen in Nivellens Anwesen Unterschlupf vor der Kälte und merken schnell, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

    „Ein Körnchen Wahrheit“ ist im Prinzip die „The Witcher“-Variante von „Die Schöne und das Biest“ und zeigt viele der Stärken, die auch die nur lose verbundenen Folgen der ersten Staffel auszeichneten – nur dass „The Witcher“ in den neuen Episoden sogar noch einen Tick besser aussieht, wenn Geralt und Ciri hier durch einen verschneiten Wald reiten oder das verzauberte Anwesen erkunden. Und auch „Game Of Thrones“-Star Kristofer Hivju sieht als Wildschwein-Mann Nivellen verblüffend echt aus:

    Insgesamt erweist sich dieser Auftakt als überzeugende Miniatur, die das Publikum wieder in die Welt von Hexer Geralt zieht und in klassischer „The Witcher“-Manier nicht nur Monster-Action bietet, sondern auch durchaus überzeugend die Frage verhandelt, was ein Monster überhaupt ausmacht: Sind Menschen nicht sogar manchmal die schlimmeren Bestien? Und im Finale erhält die ansonsten sehr vorlagengetreue Adaption sogar noch eine moderne #metoo-Note.

    "The Witcher" wird erwachsen – und langweilig

    Mit der Ankunft in Kaer Morhen betreten dann einige neue Figuren – darunter Geralts Mentor und Vaterfigur Vesemir (Kim Bodnia) und andere Hexer – die Bildfläche und die eigentliche Haupt-Storylines von Staffel 2 beginnen. Man merkt, dass hier auch bei den Serien-Verantwortlichen ein Reifeprozess stattgefunden hat: Das ist alles gut gespielt und sauberer erzählt als die sprunghafte Struktur der ersten Staffel.

    Doch müssen Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich und ihr Team eine ganze Menge Stoff erzählen – und das benötigt seine Zeit. Weil wir Figuren in drei, vier oder noch mehr parallelen Handlungsstränge begleiten – Geralt & Ciri, Yennefer & Fringilla, die Elfen um Neuzugang Francesca Findabair (Mecia Simson), usw. – passiert so lange Zeit erstmal nicht viel außer Vorarbeit.

    In der zweiten, dritten und vierten Folge wird viel geredet und gelitten. Alle nötigen Puzzleteile werden nach und nach in Stellung gebracht, während die Action in den Hintergrund tritt. Und wenn Geralt dann doch mal gegen eines der neuen Monster antritt, ist die Sache häufig mit ein paar Schwerthieben gegessen.

    So sind die Highlights in den frühen Episoden eher kleinere, leisere Momente: Etwa wenn der in Staffel 2 wesentlich eloquentere und emotionalere Geralt mit Zauberin Triss (bekommt wesentlich mehr Leinwandzeit als in Season 1 und nutzt diese auch: Anna Shaffer) schäkert oder sich die Rivalität mit Yennefers vorherigem Liebhaber Istredd (Royce Pierreson) in bissigen Wortduellen Bahn bricht.

    Netflix

    Eine ganz neue Rolle kommt dabei auch dem eingangs erwähnten Jaskier zu, der nicht mehr wie in Staffel 1 als Sidekick von Geralt agiert, sondern als Figur mit eigener Agenda. Und Jaskier gehört auch die fraglos witzigste Szene der zweiten Staffel: ein Meta-humoriger Moment, in dem sich der erfolgreiche Barde mit einem Wächter, dessen Nichte ein großer Fan ist, über die Qualität seiner Songs streitet, als ginge es um einen aktuellen Chart-Hit.

    In Staffel 2 geht es anfangs also deutlich weniger brutal zu als noch in der vorherigen Season und auch Sex und nackte Haut werden wesentlich sparsamer eingesetzt, was für sich genommen weder gut noch schlecht ist, aber auch von einer gewissen inhaltlichen Weiterentwicklung zeugt:

    Die Figuren sind an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, an dem sich eine Sexszene sehr erzwungen anfühlen würde. Umso mehr wirken Szenen wie der Auftritt einer Gruppe von Prostituierten in Kaer Morhen oder ein gemeinsames Nacktbaden einiger Zauberinnen eher fehl am Platz.

    Auf einmal geht es schnell

    Während nach Folge 1 lange Zeit wenig passiert, überschlagen sich die Ereignisse in den Episoden 5 und 6 dann regelrecht: Die verschiedenen Storylines kommen in Schwung, ein neuer Bösewicht betritt die Bühne, es ergeben sich interessante Entwicklungen, Geheimnisse kommen ans Licht, Figuren werden in Versuchung geführt – das formulieren wir hier absichtlich so vage, um nicht zu viel zu verraten.

    Nur so viel: Die lange Vorarbeit in den vorherigen Episoden zahlt sich spätestens hier voll und ganz aus. Die zweite Staffel mag etwas brauchen, bis sie in Schwung kommt, dafür gehören die späteren Folgen dann zu den bisher besten in der Geschichte der Serie, so packend und dicht erzählt sind sie.

    Einige Unausgewogenheiten haben sich aber auch hier eingeschlichen: So kommt es in den Episoden 5 und 6 gleich mehrmals vor, dass Figuren plötzlich wie zufällig an demselben Ort auftauchen, an dem auch andere Figuren sind – ohne, dass man erfährt, wie sie dort hingelangt sind, und woher sie wussten, wo sie hinmüssen. Hier haben es sich Schmidt Hissrich und Co. etwas zu einfach gemacht und die Geschichte wird etwas zu rasant vorangetrieben.

    Blaviken 2.0

    Dafür gibt es in Episode 6 dann eine Kampfszene, die „The Witcher“-Fans sofort an das Gemetzel in Blaviken in der Auftaktfolge der ersten Staffel erinnern wird, gleichzeitig aber eine ganz eigene Geschichte erzählt:

    Kämpfte Geralt in Blaviken noch widerwillig gegen eine Gruppe von Banditen, weil es das geringere Übel war, will er seine Widersacher hier einfach nur so schnell wie möglich und mit allen nötigen Mitteln ausschalten, weil Ciri in Gefahr schwebt. Dabei hat er aber selbst kein Schwert zur Hand. Eine grandios inszenierte und choreographierte, in langen Einstellungen gefilmte Szene, bei der gut zu sehen ist, dass Henry Cavill die Stunts und Kämpfe wieder (fast) komplett selbst vor der Kamera performt hat.

    Einen Vorgeschmack darauf gibt es im unten eingebundenen Trailer ab Minute 1:18.

    Fazit: Nach gutem Auftakt brauchen die ersten sechs Folgen von „The Witcher“ Staffel 2 erst zu lange, um in Fahrt zu kommen, und überschlagen sich dann etwas. Trotzdem ist die zweite Season bis dahin eine rundere Sache als die ebenfalls schon sehr gute Auftaktstaffel.

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