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    Warum unterscheidet sich "The Witcher" Staffel 2 so stark von der Vorlage? Showrunnerin Lauren Hissrich im Interview
    Julius Vietzen
    Julius Vietzen
    -Redakteur
    Seit dem ersten "The Witcher"-Spiel ist Julius ein Fan, der natürlich auch die anderen Spiele, Bücher & Geschichten sowie die Serien verschlungen hat.

    Wir haben „The Witcher“-Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich zu den Änderungen gegenüber der Buchvorlage in Staffel 2 ausgefragt und außerdem bereits ein paar spannende Details zur dritten Staffel „The Witcher“ auf Netflix erfahren.

    Netflix

    In der ersten Staffel „The Witcher“ wurde einzelne Kurzgeschichten von Autor Andrzej Sapkowski adaptiert und mit einer losen, ziemlich unübersichtlich durch die Dekaden springenden Handlung verbunden. Die zweite Staffel „The Witcher“ versprach hingegen eine relativ simple Adaption des ersten „The Witcher“-Romans „Das Erbe der Elfen“ zu werden – doch wer das Buch kennt und die neuen Folgen gesehen hat, merkt schnell, dass das nicht der Fall ist.

    In unserem Interview mit Lauren Schmidt Hissrich geht es daher ausführlich um die Gründe für die zahlreichen Änderungen – und tatsächlich hat uns die „The Witcher“-Showrunnerin auch schon ein paar spannende Details zur bereits bestätigten dritten Staffel verraten.

    FILMSTARTS: Auf den ersten Blick ist „The Witcher“ Staffel 2 eine Kombination des ersten Romans „Das Erbe der Elfen“ und Kurzgeschichten wie „Ein Körnchen Wahrheit“, aber eigentlich läuft die Handlung sehr anders ab. Warum habt ihr die Buchvorlage hinter euch gelassen?

    Lauren Schmidt Hissrich: Wir wollen natürlich immer bei der Buchvorlage anfangen und so sind wir auch bei Staffel 2 vorgegangen. Ich habe mich schon bei Staffel 1 mit Produzent Tomasz Baginski über die zweite Season unterhalten, der mit den Büchern aufgewachsen ist. Und er meinte damals schon, dass er neugierig ist, wie wir „Das Erbe der Elfen“ anpacken, weil darin nicht viel passiert. Das Buch legt stattdessen den Grundstein für die anderen Bände, wir erfahren viel über die politische Landschaft, über die Figuren, über die Familie Geralt-Yennefer-Ciri.

    Als wir uns also für Staffel 2 im Writer's Room getroffen haben, haben wir „Das Erbe der Elfen“ in seine Einzelteile zerlegt und wussten, welche Elemente wir brauchen und welche uns wichtig waren. Das beste Beispiel: Wir wollten, dass Geralt mir Ciri nach Kaer Morhen reist, wo er aufgewachsen ist, damit sie sicher ist und ihr Training beginnen kann. Wir wollten Geralt mit seinen Hexer-Brüdern sehen und Vesemir kennenlernen, der Geralts Vorbild ist. Wir wollten, dass Triss nach Kaer Morhen kommt und sich um Ciri kümmert. Und Yennefer muss natürlich auch Teil der Geschichte werden.

    Netflix

    Das waren die Grundpfeiler unserer Geschichte. Und dann haben wir überlegt, was uns noch fehlt. Und das waren vor allem zwei Dinge: Zum einen Yennefer, die erst nach zwei Dritteln des Buches auftritt und bis dahin keine wirkliche Rolle spielt. Man hört, dass ihr etwas passiert ist und Geralt denkt eine Zeit lang, dass sie tot ist, aber dann taucht sie auf einmal auf. Aber wir haben uns gefragt: Was ist bis dahin passiert? Sie sollte ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Herausforderungen bekommen.

    Zum anderen wollten wir, dass Geralt seine eigene Wandlung durchläuft. In den Büchern kümmert er sich um Ciri, er beschützt sie und trainiert sie, aber was genau heißt das eigentlich? Triss übernimmt das Training ja bald und dann übernimmt es Yennefer. Was macht Geralt also? Unser Publikum wäre sicher enttäuscht, wenn Henry Cavill nur wenig Bildschirmzeit hätte. Also haben wir nach etwas gesucht, das Geralt machen könnte. Und bei Staffel 1 hat es uns sehr gefallen, wenn Geralt im Investigativ-Modus unterwegs ist.

    Also hat es für uns Sinn ergeben, dass er neben dem physischen Training auch versucht herauszufinden, was hinter Ciris außergewöhnlichen Fähigkeiten steckt. Das hat seine Geschichte vorangetrieben und wir haben bald gemerkt, dass wir diesen Handlungsstrang mit dem von Yennefer verbinden können, dass die beiden also ähnliche Dinge erleben. Und dass sie nicht einfach auftaucht, nachdem Geralt ihr einen Brief geschrieben hat.

    Netflix / Jay Maidment

    FILMSTARTS: Ist das auch der Grund, warum Istredd erneut eine so große Rolle spielt? Er tritt ja eigentlich nur in einer Kurzgeschichte („Ein Eissplitter“) auf...

    Lauren Schmidt Hissrich: Ganz genau. In Staffel 1 haben wir entschieden, dass wir Istredd schon vor seinem ersten Auftritt in den Büchern kennenlernen, ähnlich wie bei Yennefer und Ciri. Er ist so eine interessante Figur, weil er Yennefer schon kannte, bevor sie die große Zauberin Yennefer von Vengerberg wurde.

    Die andere Sache mit Istredd ist aber: Er ist gewissermaßen unser Geschichtslehrer. Die Bücher von Andrzej Sapkowski erzählen so dicht geschrieben den Hintergrund dieser Welt, von den Monolithen, von der Sphärenkonjunktion und wie das alles zusammengehört. Wir wollen eine Figur, die diese Welt erkundet und erforscht. Wenn es also etwa um die Monolithen ging und was diese mit Ciri zu tun haben, war das ein idealer Weg, Istredd zurückzuholen.

    Und natürlich war es toll, Istredd und Geralt aufeinandertreffen zu lassen, weil beide merken, dass sie in Yennefer verliebt sind. Diese Szene war eine meiner Lieblingsszenen als Autorin, aber Royce Pierreson und Henry hatten auch sehr viel Spaß, sie zu spielen, weil so viel ungesagt bleibt. Sie reden über Geschichte, aber es schwingt wahnsinnig viel anderes mit.

    Die Elfen und "The Witcher" Staffel 3

    FILMSTARTS: Auch die Elfen um Francesca Findabair spielen in Staffel 2 eine wesentlich größere Rolle als in den Büchern. Was war die Idee dahinter?

    Lauren Schmidt Hissrich: Schon in der zweiten Folge von Staffel 1 haben wir am Beispiel von Filavendrel gezeigt, wie schwer es die Elfen in „The Witcher“ haben. Damals gab es eine kurzen Überblick über die Geschichte der Elfen. Wir mochten diese Episode und Tom Canton als Filavendrel sehr. Wir haben deswegen direkt überlegt, wie wir die Elfen wieder in die Story einflechten können. 

    Die Scoia'tael werden immens wichtig in Zukunft, angefangen mit Staffel 3.

    Besonders für mich war das auch wichtig, weil ich weiß, wohin sich unsere Geschichte entwickelt: Ich wollte die Scoia'tael vorbereiten [so heißen die nicht-menschlichen Widerstandskämpfer, die in den Büchern und Spielen eine wichtige Rolle spielen]. Die Scoia'tael werden künftig immens wichtig, angefangen mit Staffel 3. Doch ich wollte unserem Publikum eine Basis für die Entwicklung der Elfen zwischen Staffel 1 und Staffel 3 geben.

    Und nachdem wir Mecia Simson als Francesca besetzt haben, wollte ich sie natürlich in so vielen Episoden wie möglich sehen [lacht]. Wir wollten aber auch erkunden, warum den Elfen die Suche nach Dol Blathanna so wichtig ist, ihrem gelobten Land, ihrem Zufluchtsort. Diese Suche wollten wir nachvollziehbar machen. Also lebt das Publikum mit diesen Figuren, während sie durch den Wald ziehen, man sieht, wie sie behandelt werden, man sieht, wie sie von Nilfgaard unterstützt werden und zum ersten Mal ein Zuhause haben, wenn auch nur kurzzeitig.

    Ich schreibe jetzt seit einigen Monaten an Staffel 3 und kann sagen: Das macht die Geschichte der Scoia'tael einfach viel nachvollziehbarer und viel interessanter.

    Das Jaskier-Problem

    FILMSTARTS: In Staffel 2 treffen wir zwei Figuren wieder, die weder Hexer noch Zauberinnen sind, aber trotzdem nicht wirklich gealtert sind: Danica (Imogen Daines) und Jaskier (Joey Batey). Du hast bereits nach Staffel 1 offen zugegeben, dass Jaskier in mehr als 20 Jahren Handlungszeit nicht altert. Habt ihr darüber nachgedacht, dass in Staffel 2 zu ändern?

    Lauren Schmidt Hissrich: Aber Jaskiers Haare sind doch viel länger geworden! [lacht] Wir haben tatsächlich darüber gesprochen, aber ganz im Ernst: Das ist ein Fehler, den wir in Staffel 1 gemacht haben. Die ganze Zeit ist in Staffel 1 vergangen, während Staffel 2 mehr oder weniger direkt an das Ende der vorherigen Season anschließt und eine viel geringere Handlungszeit hat. Und wir haben entschieden, zu diesem Fehler zu stehen. Er hätte damals altern sollen, und Jaskier jetzt innerhalb einiger Wochen um Jahre altern zu lassen, wäre auch nicht die Lösung.

    Was wir also stattdessen gemacht haben: Anstelle von grauen Haaren oder Falten ist er zu einer reiferen Figur geworden. Er sieht auch etwas anders aus, seine Haare sind länger, er kleidet sich anders. Er bewegt sich mit neuer Selbstsicherheit und Autorität. Und er hat ein neues Durchsetzungsvermögen.

    Netflix

    FILMSTARTS: Wo wir schon vom reifer und erwachsener sprechen: In Staffel 2 gibt es deutlich weniger Sex und nackte Haut, was für sich genommen weder gut noch schlecht ist, aber wie ich finde von einer gewissen Weiterentwicklung zeugt. War das immer der Plan oder wie kam es dazu?

    Lauren Schmidt Hissrich: Es war nicht wirklich ein bewusster Plan. Bei Staffel 1 hatten wir eine Regel für Sex und nackte Haut: nämlich, dass sie die Story vorantreiben, so wie die Kampfszenen. Ich sage immer: Wenn Leute Sex haben müssen, damit eine Szene überhaupt interessant wird, muss ich eine bessere Autorin werden. Sex, nackte Haut, auch Gewalt: All das, und wie explizit man es zeigt, muss vom Ton der Szene und dem ganzen Drumherum bestimmt werden. Ansonsten ist es unnötig und dient nur dazu, das Publikum zu schocken.

    In Staffel 3 wird die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer sich dann weiter vertiefen.

    In Staffel 1 dienten die Sexszenen also vor allem dazu, Geralt zu etablieren. Er sollte jemand sein, der Sex mit verschiedenen Leuten hatte, aber sich nie gebunden hat, bis er Yennefer trifft. Und mit Yennefer wollten wir dann ihre Liebe und gegenseitige sexuelle Anziehungskraft zeigen. In Staffel 2 gab es dafür keine erzählerische Notwendigkeit. Und ich hätte mich nicht wohl damit gefühlt, einfach nur eine Nackt- oder Sexszene einzufügen, um unserem Publikum so etwas zu bieten.

    In Staffel 3 wird die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer sich dann weiter vertiefen. In der kommenden Season könnte es also wieder wesentlich organischer eine Sexszene oder dergleichen geben.

    Das erwartet uns in "The Witcher: Blood Origin"

    FILMSTARTS: Ich weiß, dass du noch nichts über „The Witcher: Blood Origin“ verraten kannst, aber wir hören in Staffel 2 Folge 5 bereits einiges über die Sphärenkonjunktion und die Erschaffung des ersten Hexers und ich bin sehr neugierig darauf, wie genau das zeitlich zusammenpasst...

    Lauren Schmidt Hissrich: Was ich sagen kann: Es ist toll, dass wir in „Blood Origin“ die Chance haben, einen Aspekt zu erkunden, für den wir in der Hauptserie keine Zeit haben. Die Konjunktion wird in den Büchern auch nie wirklich genauer beschrieben, sie wird nur erwähnt, ohne dass man ein genaues Verständnis dafür bekommt.

    In Folge 5 unterhalten sich Geralt und Istredd darüber, was genau damals passiert ist. Sind hier wirklich unterschiedliche Sphäre verschmolzen? Gibt es da draußen noch mehr Sphären? Eine ganze Unterhaltung über ihre Vermutungen. Aber wir dachten: Es ist noch viel besser, in der Zeit zurückzureisen und die ganze Sache unmittelbar und mit neuen Figuren zu erleben, um zu verstehen, was mit der Welt passiert ist.

    In 'Blood Origins' wird es einen netten Twist für die Fans geben.

    Und zu der Sache mit dem ersten Hexer: Das ist ein Twist in „Blood Origin“. Es ist nicht so einfach wie man denkt, denn du hast völlig recht: Von den zeitlichen Abläufen her passt das nicht zusammen. So wie Vesemir die Erschaffung des ersten Hexers beschreibt, kann das nicht im Umfeld der Sphärenkonjunktion passiert sein. Da wird es einen netten kleinen Twist für die Fans geben...

    „The Witcher“ Staffel 2 ist seit dem 17. Dezember 2021 bei Netflix verfügbar. „The Witcher: Blood Origin“ soll im Laufe des Jahres 2022 erscheinen.

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