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    Hit-Serie auf Netflix sei "gefährlich": Große Vorwürfe gegen "Inventing Anna"
    Tobias Mayer
    Tobias Mayer
    -Redakteur
    Tobias mag Netflix vor allem für Serien, darunter „Bojack Horseman“, „Noch nie in meinem Leben“ und „Black Mirror". Aber Kino geht immer vor.

    Die Serie „Inventing Anna“ über die Betrügerin Anna Sorokin gehört zu den aktuellen Hits von Netflix. Fakten mischen sich hier mit Fiktion – und eben das findet eines von Annas Opfern gefährlich. In einem Interview wird harte Kritik geübt.

    David Giesbrecht/Netflix

    „Diese Geschichte ist vollkommen wahr. Außer die Teile, die total erfunden sind.“ Mit diesen widersprüchlichen Sätzen beginnen die Folgen von „Inventing Anna“. Sie verweisen auf die Täuschungen der verurteilten Betrügerin Anna Sorokin (in der Serie: Julia Garner) und sie beschreiben, wie in der neuen Netflix-Serie mit der Wahrheit umgegangen wird.

    „Inventing Anna“ basiert auf den journalistisch recherchierten und vor Gericht aufgearbeiteten Fakten rund um Anna Sorokins Betrügereien, doch Showrunnerin Shonda Rhimes und ihr Team haben ihre Serie darüber hinaus mit eigenen Erfindungen angereichert und die echten Geschehnisse abgeändert. Die Journalistin Rachel Williams, die früher mit Anna Sorokin befreundet war, hält die Machart von „Inventing Anna“ für gefährlich.

    "Gefährliche Halbwahrheiten"

    Rachel Williams wird in der Serie von Katie Lowes gespielt. Die Journalistin hat ein langes Gespräch mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber Vanity Fair geführt. In diesem Interview kritisiert Williams drei Punkte, die sie an „Inventing Anna“ stören: Es würden problematische Halbwahrheiten verbreiten, es werde Sympathie für Anna Sorokin geweckt, die der New Yorker High Society 275.000 US-Dollar aus den Taschen zog – und auch mit der Darstellung ihrer eigenen Person ist Rachel Williams nicht einverstanden.

    Williams habe zum Zeitpunkt des Interviews zwar noch nicht die gesamte Serie geschaut, jedoch „genug, um zu wissen, wo sie widersprechen“ will. „Ich denke, man sollte darüber nachdenken, ab welchem Punkt eine Halbwahrheit gefährlicher ist als eine Lüge. Der Disclaimer [am Anfang der Folgen] gibt der Serie genug Glaubwürdigkeit, sodass Leute auch die fiktionalen Elemente einfacher glauben können. Ich meine, dass wir uns hier auf wirklich gefährlichem Gebiet bewegen. Dazu kommt, dass der echte juristische Prozess davon beeinflusst wurde.“

    Nicole Rivelli/Netflix

    Sympathie für eine Betrügerin?

    Rachel Williams stört sich auch an der Darstellung von Anna Sorokin, die sich gegenüber ihren vermeintlichen Geschäftspartner*innen als reiche Erbin Anna Delvey ausgab. Sie komme in der Serie viel zu gut weg: „Diese ganze Erzählung zu promoten und eine soziopathische, narzistische, nachweislich kriminelle Person zu zelebrieren, das ist falsch.“, so Rachel Williams gegenüber Vanity Fair.

    Netflix zahlte Anna Sorokin 300.000 Dollar für die Adaption ihrer Geschichte. Die Betrügerin verdiente mit ihren Taten also auch nach ihrer Verurteilung noch weiter und das ist ein Punkt, den Rachel Williams ebenfalls kritisiert. Williams sieht außerdem ein Problem hinsichtlich der Wirkung, die eine True-Crime-Serie wie „Inventing Anna“ auf das Publikum haben kann:

    „Der Hunger nach dieser Form der Unterhaltung drängt Medienunternehmen dazu, mehr davon zu produzieren, sodass Menschen wie Anna einen Anreiz bekommen und es so aussieht, als ob Verbrechen ein praktikabler Karriereweg ist.“

    Rachel Williams selbst fühlt sich ebenfalls falsch dargestellt

    Rachel folgt Anna in der Serie zunächst ohne Vorbehalte. Die Karriere und Glaubwürdigkeit der Figur werden dadurch beschädigt. Netflix beschreibt die Rolle außerdem wie folgt: „Während sie schließlich nichts so sehr bereut wie ihre Beziehung zu Anna, könnte die Frau, die sie wird, Annas größte Kreation sein.“ Dazu die echte Rachel Williams:

    Zu sagen, dass eine Frau die Kreation von irgendjemand anderem wäre, ist das Gegenteil einer feministischen Erzählung. […]“ Danach gefragt, ob es einen bestimmten Punkt in „Inventing Anna“ gibt, den Williams korrigieren möchte, antwortete sie:

    „Ich möchte mich nicht in den Details darüber verlieren, was stimmt und was nicht. Aber offensichtlich wurde ich von Vanity Fair nicht deswegen gefeuert. Ich war keine Komplizin dabei, meiner Freundin zu helfen, meinen Arbeitgeber zu betrügen. Doch sobald ich mich verteidige – vor allem, weil es nun diese falsche Erzählung über mich gibt und die größere Geschichte – befeuere ich damit nur das Eine-Seite-Wählen, obwohl es hier um etwas geht, wo es keine zwei Seiten gibt. Eine Person ist kriminell. Sie profitiert von der Story. Diese Serie soll Empathie für eine Person herstellen, der es selbst an Empathievermögen fehlt. Die ganze Sache ist sehr problematisch. Sobald ich „Fakt“ oder „Fiktion“ sage, glaube ich, dass meine Stimme untergeht und außerdem eher eine Ablenkung ist.“

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