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    In guten Händen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    In guten Händen
    Von Melanie Lauer

    Die Frau, das unbekannte Wesen. Nicht nur dem modernen Mann fehlt bisweilen das Verständnis für die scheinbar undurchschaubare Gefühls- und Gedankenwelt des weiblichen Teils der Bevölkerung - schon lange bevor Schlagworte wie PMS und Klimakterium die Launen der Damenwelt erklärbar machen sollten, befassten sich Wissenschaftler mit den vermeintlichen Leiden der Frau. Die Diagnose Hysterie war dabei die nächstbeste Begründung für – selbstverständlich nur den Männern – unerklärliche weibliche Gemütsverfassungen und Stimmungsschwankungen. Gleich zwei Filmemacher beschäftigen sich aktuell mit dieser Erkrankung und erzählen von den ersten Versuchen, die weibliche Psyche wissenschaftlich zu ergründen. Während David Cronenberg in „Eine dunkle Begierde" im Gewand eines bedeutungsschweren Dramas die Geschichte der rivalisierenden Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud und Carl Gustav Jung erzählt, behandelt Tanya Wexler in ihrer Komödie „In guten Händen" zwar inhaltlich dasselbe Thema, dies allerdings auf eine ganz andere, sehr viel beschwingtere und augenzwinkernde Art und Weise.

    London, um 1880. Die viktorianische Prüderie befindet sich auf ihrem Höhepunkt, während nebenbei eine der vielen neuen Erfindungen ihren Siegeszug antritt: die Elektrizität. Der junge Arzt Mortimer Granville (Hugh Dancy) – den sein Idealismus bisher noch um jede Arbeitsstelle gebracht hat – stößt bei der Suche nach einem neuen Job auf Dr. Dalrymple (Jonathan Pryce) und seine Praxis. Als Hysterie- und selbsternannter Frauen-Experte legt der nämlich, fortan mit Granville als neuem Partner, zur Heilung hysterischer Frauen tatkräftig Hand an – und zwar an deren intimsten Stellen. Dieses hatte sich nämlich sehr schnell als eine in jeder Hinsicht befriedigende Behandlungsmethode bewährt. Als Granville jedoch aufgrund des durchschlagenden Erfolgs immer mehr Patientinnen „therapieren" muss, wird er zunehmend von Krämpfen in seinen Händen geplagt; das Ende seiner medizinischen Karriere. Zur Lösung dieses Problems erfindet er jedoch kurzerhand zusammen mit seinem alten Freund und Gönner, dem Hobby-Tüftler Edmund St. John-Smythe (Rupert Everett), einen elektrischen Massagestab: die Geburtsstunde des Vibrators.

    Tanya Wexler erzählt eine wirklich erstaunliche und vor allem wahre Geschichte. Dass der Film immer dann am besten ist, wenn Dalrymple und Granville mal wieder vermeintlich hysterische Frauen „behandeln", liegt vor allem an der launigsten Inszenierung des weiblichen Höhepunkts seit Meg Ryans legendärem vorgetäuschten Orgasmus in „Harry und Sally". Die Ernsthaftigkeit und das Bemühen um strenge Wissenschaftlichkeit, mit der sich die beiden Ärzte der Leiden ihrer Patientinnen annehmen, machen die Anstrengungen der Frauenexperten nur noch amüsanter. In diesen Momenten sorgt Tanya Wexler für enorm viele Lacher, an anderer Stelle verliert sie jedoch ein wenig das rechte Maß aus den Augen.

    Die Regisseurin, die mit „In guten Händen" zurecht den historischen Beginn der sexuellen Befreiung der Frau feiert, übertreibt es bei ihrem Versuch, möglichst viele weitere Meilensteine der Geschichte in ihrer Komödie unterzubringen. Da werden neben den Fortschritten auf dem Gebiet der Schulmedizin und der aufkommenden Frauenbewegung gleich noch die schlimmen Verhältnisse in den Londoner Armenvierteln, und der Erfindungsreichtum der Zeit abgehandelt. Die historischen Schlenker und Anspielungen sind zwar immer liebevoll ausgeführt, manchmal überlagert das Zeitkolorit allerdings die eigentliche Handlung und dabei kommen vor allem die innigen Gefühle ein wenig zu kurz. Die Romanze zwischen Charlotte, der emanzipierten Tochter des Praxisbesitzers Dalrymple, und dem jungen Mediziner Granville ist hier letztlich nur der erzählerische Kitt zwischen den komischen Momenten im Behandlungsraum. Das ist grundsätzlich zwar bedauerlich, aber solche Einwände verblassen, sobald das Ärzte-Duo wieder einen seiner aberwitzigen Versuche unternimmt, eine nicht existierende Krankheit zu heilen.

    Maggie Gyllenhaal („Secretary", „The Dark Knight") als aufbrausende Arzttochter ist in ihrer resoluten, aber dennoch bezaubernden Art gewohnt charmant; Hauptdarsteller Hugh Dancy („Shopaholic") bleibt im Vergleich dazu ein wenig blass, seine Darstellung des aufstrebenden Mediziners ist trotzdem gelungen. Für Rupert Everett wiederum ist die Rolle des wohlhabenden Freunds und Gönners seit ähnlichen Auftritten in „Ein perfekter Ehemann" und „Ernst sein ist alles" fast schon ein Selbstläufer. Der Schauspieler, der hier eine Art viktorianischen Daniel Düsentrieb darstellt, zelebriert seine Glanzrolle wieder einmal genüsslich. Und auch Felicity Jones („Like Crazy", „Chéri") liefert als Charlottes Schwester Emily, die das zeittypische Ideal der zurückhaltenden und vollendeten jungen Frau verkörpert, eine mehr als akzeptable Leistung.

    Fazit: Regisseurin Tanya Wexler sorgt mit der wahren Geschichte einer der einfallsreichsten „Behandlungsmethoden" nervöser Unruhezustände bei Frauen für viele herzhafte Lacher. Obwohl romantische Verwirrungen nicht sehr viel Raum einnehmen, verschafft die Komödie vor allem dem weiblichen Publikum Befriedigung. Aber auch Männer werden sich bei den kurzweiligen Erklärungsversuchen für allzu bekannte Frauenleiden gut amüsieren, dazu können sie noch die eine oder andere Anregung aus der eifrigen Hilfestellung der bemühten Mediziner schöpfen.

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