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    Das Schwergewicht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Schwergewicht
    Von Christoph Petersen

    Frank Coracis Kampfsport-Komödie „Das Schwergewicht" ist offensichtlich ein Versuch des Komikers Kevin James („Der Kaufhaus Cop", „Der Zoowärter"), seinem bisherigen Rollenschema als liebenswürdiges Dickerchen zu entfliehen. Statt lustig bunt ist schon die Farbgebung des Films überraschend trist und grau. Auch die für James typischen Slapstick-Einlagen sind trotz des Prügel-Plots rar gesät. Und überhaupt, der „The King of Queens" als Vollkontakt-Keiler, schon allein das klingt nach einer abstrusen Skurrilität. Aber erstens kommt bekanntlich alles anders und zweitens als man denkt: „Das Schwergewicht" mag in vielen Szenen zu dick aufgetragen sein, aber als Mixed-Martial-Arts-Fighter macht Kevin James allen Vorurteilen zum Trotz eine wirklich überzeugende Figur.

    In der Highschool war Scott Voss (Kevin James) ein erfolgreicher Ringer. Später wurde er zum Lehrer des Jahres gekürt. Doch inzwischen ist der 42-Jährige ein desillusioniertes Wrack von einem Pädagogen, das regelmäßig zu spät kommt und im Unterricht lieber Sportzeitschriften liest, anstatt sich um seine Schüler zu kümmern. Erst als Schulleiter Becher (Greg Germann) aufgrund von Budgetengpässen das Musikprogramm und damit die Stelle des beliebten Orchesterleiters Marty (Henry Winkler) streichen will, erwacht Scotts längst entschlummerter Kampfgeist. Weil mit Kuchenverkäufen aber einfach nicht genug Geld zu verdienen ist, will er die bis zum Ende des Semesters benötigten 48.000 Dollar aufbringen, indem er als Mixed-Martial-Arts-Kämpfer in den Käfig steigt...

    Wenn Scott im Fernsehen zufällig einen der Wettbewerbe des Kampfsportverbands UFC sieht und plötzlich entscheidet, dass er als Mittvierziger mit Gewichtsproblemen auch unter die Vielseitigkeits-Fighter geht, dann ist das vielleicht nicht im herkömmlichen Sinne glaubwürdig, aber im Rahmen einer Komödie kann man das schlucken. Viel übertriebener sind hingegen die Moralkeulen, die das Drehbuchtrio Kevin James, Rock Reuben und Allan Loeb („Rock of Ages") seinem Publikum über den Schädel zieht. Natürlich gab es die auch in offensichtlichen Vorbildern wie „Der Club der toten Dichter" mit Robin Williams als Bilderbuch-Englischlehrer John Keating, aber im Vergleich zu dem oscarnominierten Rührstück recken die Macher von „Das Schwergewicht" ihren mahnenden Zeigefinger noch einmal ein ganzes Stück weniger subtil in die Höhe. Nur ein Beispiel dafür ist der moralinsaure und schwerfällig geschriebene Monolog Scotts, als er am Beispiel der Zellen im menschlichen Körper erläutert, dass jeder einzelne zunächst an sich arbeiten muss, anstatt von vorneherein alles auf das zugegebenermaßen verhunzte System zu schieben.

    Trotzdem ist Scott Voss nicht einfach ein zweiter John Keating. Schließlich belässt er es nicht dabei, auf Tische zu steigen und den Schülern mit explosiven Experimenten ihren Spaß an der Biologie zurückzugeben, sondern steigt für seine Schützlinge auch in den Ring. Und wer gedacht hat, die Fights in „Das Schwergewicht" würden mehr mit einem „Dick und Doof"-Sketch als mit realen Käfigkämpfen gemein haben, hat sich ganz gehörig geschnitten: Natürlich gibt es Gags, zum Beispiel kotzt der immer noch füllige, aber ordentlich austrainierte Kevin James seinen grünhaarigen Kontrahenten nach einem Kampf mit verdorbenem Apfelmuss voll. Aber insgesamt sind die Choreographien trotzdem auf größtmögliche Authentizität ausgelegt, wobei natürlich auch der geschickte Schnitt seinen Anteil an der verblüffend echten Wirkung der Kämpfe hat.

    Obwohl die Filmemacher viel Wert auf eine erbauende Moral legen, geht es in dieser Komödie überraschend brutal und sogar blutig zu. Und nicht nur Kevin James muss gehörig einstecken: Wenn er auf seine am Boden liegenden Widersacher einprügelt, trägt auch er – Sympathieträger hin oder her – keinesfalls Samthandschuhe. Das ist für eine Mainstream-Komödie mit dem Keiner-Fliege-was-zuleide-tuenden „King of Queens" ganz schön mutig – und da versteht man plötzlich auch, warum die Geldgeber nur die für eine Kevin-James-Produktion lächerlich niedrige Budgetsumme von zehn Millionen Dollar rausgerückt haben. Alles in allem geht dieses durchaus gewagte Experiment vielleicht nicht immer auf, aber es dürfte doch zumindest verhindern, dass James in seiner Karriere weiterhin nur die immer gleiche Rolle als nett-harmloses Dickerchen angeboten wird.

    Fazit: „Das Schwergewicht" entpuppt sich als kurzweiliger Mix aus Erbauungskino in der Tradition von „Der Club der toten Dichter" und blutigen Mixed-Martial-Arts-Fights mit einem gewohnt charmanten Kevin James, der sich als brutaler Käfigkämpfer trotzdem überraschend glaubhaft schlägt.

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