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    Vielleicht lieber morgen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Vielleicht lieber morgen
    Von Sophie Charlotte Rieger

    Im oscargekrönten Indie-Hit „Juno" war es das Thema Teenagerschwangerschaft, in der Verfilmung des Coming-of-Age-Romans „The Perks of Being a Wallflower" von Stephen Chbosky widmet sich dasselbe Produktionsteam nun einer weiteren ungewöhnlichen Jugendgeschichte. Buchautor Chbosky hat nicht nur das Drehbuch verfasst, sondern auch selbst Regie geführt und er bleibt seiner eigenen Vorlage treu. Er übernimmt für den Film die subjektive Perspektive und erzählt im Stil eines Briefromans. Auch die großartige Besetzung und die liebevolle Inszenierung ziehen den Zuschauer mitten hinein in die schwierige Welt des Außenseiters Charly (Logan Lerman): „Vielleicht lieber morgen" ist trotz kleiner dramaturgischer Schwächen eine charmante und stellenweise tief berührende Literaturverfilmung.

    Der Selbstmord seines besten Freunds macht Charlys (Logan Lerman) Start an der Highschool zu einem einsamen Unterfangen. Seine ruhige, introvertierte Art sowie seine Begeisterung für Literatur erschweren es ihm zusätzlich, im neuen Umfeld Anschluss zu finden. Lediglich zu seinem Englischlehrer Bill (Paul Rudd) fasst Charly Zutrauen. Aber dann wird er durch die unerwartete Bekanntschaft mit dem exzentrischen Oberstufenschüler Patrick (Ezra Miller) und dessen Stiefschwester Sam (Emma Watson) jedoch plötzlich Teil einer besonderen Clique von Außenseitern. In dieser Gemeinschaft, in der jeder seine Macken hat, fühlt sich der bisherige Einzelgänger zum ersten Mal voll und ganz akzeptiert. Seine unerwiderte Zuneigung zu Sam sorgt jedoch für Unmut in der Gruppe: Plötzlich könnte Charly alles verlieren, was ihm Halt gegeben hat, denn neben dem Selbstmord seines Freundes sucht ihn eine noch viel schrecklichere Kindheitserinnerung heim.

    „Vielleicht lieber morgen" ist ein durchaus typisches melancholisches Drama über das Erwachsenwerden, das in erster Linie von seinen liebevoll dargestellten Figuren lebt. Charly, Patrick und Sam, aber auch die anderen Außenseiter der Clique, bringen unterschiedliche Aspekte und Fragestellungen in die Geschichte ein, die keineswegs nur die Generation der Heranwachsenden betreffen: Homosexualität, Missbrauch und Promiskuität sind einige der Themen, die in „Vielleicht lieber morgen" auf zurückhaltende Weise angesprochen werden. Für die emotionale Resonanz sorgt derweil die durchweg überzeugende Besetzung, aus der besonders Logan Lerman („Percy Jackson", „Die drei Musketiere") herausragt, der in der komplexen Rolle des psychisch labilen Charly sein Talent unter Beweis stellt. Er verkörpert den unsicheren Nerd mit seinen Gefühlsschwankungen bis zum späteren Zusammenbruch sehr einfühlsam und glaubhaft. Der androgyne Ezra Miller wiederum passt schon rein äußerlich perfekt zu seiner Filmfigur Patrick. Nach der düsteren Rolle, die er in „We Need to Talk About Kevin" spielte, darf er hier den Sympathieträger geben. Hinter den Leistungen ihrer männlichen Kollegen bleibt Emma „Hermine" Watson etwas zurück, aber das mag vor allem an ihrem eher unauffälligen Part liegen.

    Nicht zuletzt durch die aus dem Roman übernommene subjektive Perspektive bekommt Charlys Ringen mit einer lange verdrängten Vergangenheit eine besondere Prägnanz. Das verborgene Geheimnis, das die immer drängenderen Fragen nach der Ursache seiner labilen Persönlichkeit schließlich beantwortet, wird zum Schlüssel zu seiner Persönlichkeit, aber die Enthüllung präsentiert uns Chbosky gleichsam nebenbei. Trotz dieser zurückhaltenden Erzählweise wirken die Figuren und Konflikte gelegentlich allzu konstruiert, die dramatischen Wendepunkte forciert. So erweckt der Umstand, dass hier alle Außenseiter ein mehr oder weniger düsteres Geheimnis mit sich tragen, den Eindruck, es bedürfe eines Kindheitstraumas, um ein „Mauerblümchen" zu werden. Mit einer Prise absurder Komik wie in „Garden State" oder „Little Miss Sunshine" wären wohl auch die unwahrscheinlicheren Wendungen weniger problematisch gewesen, aber mit seinem eigenen Willen zur unbedingten Seriosität fördert Stephen Chbosky in gewisser Weise selbst Fragen nach der Realitätsnähe des Geschehens.

    Fazit: „Vielleicht lieber morgen" ist eine gelungene Verfilmung des Romans von Stephen Chbosky durch den Autor selbst - die hervorragend dargestellten Hauptfiguren wachsen einem besonders ans Herz.

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