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    Mein liebster Alptraum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mein liebster Alptraum
    Von Christian Horn

    Wie zuletzt in Cédric Klapischs humorvoller Sozialstudie „Mein Stück vom Kuchen" prallen auch in der französischen Komödie „Mein liebster Alptraum" scheinbar unvereinbare gesellschaftliche Welten aufeinander. Dieses Mal sind es jedoch kein Börsenspekulant und seine Putzfrau, sondern eine blasierte Galeristin und ein belgischer Prolet, die einen komischen Klassenkampf austragen. Mit langen Dialogsequenzen, vereinzeltem Klamauk und überzeichneten Figuren ist Regisseurin Anne Fontaine („Coco Chanel") vergnügliche und kurzweilige Kinounterhaltung gelungen, die vor allem mit der heftigen Reibung zwischen den beiden unterschiedlichen Hauptdarstellern punktet.

    Die Galeriebesitzerin Agathe (Isabelle Huppert) lebt mit ihrem Lebensgefährten François (André Dussollier) und dem gemeinsamen Sohn in einem schicken Pariser Appartement. Nach einem Schulelternabend lernt Agathe den alleinerziehenden Underdog Patrick (Benoît Poelvoorde) kennen, dessen Sohn der beste Freund ihres Kindes ist. Der in einem Wohnwagen lebende Gelegenheitsarbeiter tritt überaus vulgär in Erscheinung und ist sowohl drallen Frauen, als auch dem Alkohol zugeneigt – kein Wunder, dass der ungehobelte Kerl bei der reservierten Agathe auf Ablehnung stößt. Ihr friedliebender Ehemann mag Patrick jedoch und engagiert ihn als Handwerker für eine Renovierung. Fortan regiert Chaos im Leben der unnahbaren Galeristin, die nach etlichen Flüchen zaghaft erkennt, dass Patrick ihr die eigene Trostlosigkeit wie in einem Spiegel bewusst macht...

    Der Großteil des zentralen Schlagabtauschs zwischen Isabelle Huppert („Geheime Staatsaffären") und Benoît Poelvoorde („Nichts zu verzollen") findet über die Dialoge statt. Gleich mehrmals bringt der anstößige Handwerker die feine Dame aus der Fassung, sei es durch seine sexuelle Offenherzigkeit oder seine derben Sprüche. In ihren besten Momenten sind diese Dialoge geistreich, in ihren schlechten jedoch bloß redundant – besonders im etwas schwunglosen Mittelteil kommen die Drehbuchautoren Anne Fontaine und Nicolas Mercier nicht von der Stelle. Hier sind es dann zuvorderst die Darsteller, die dennoch für einen gewissen Unterhaltungswert sorgen.

    Wie so oft in ihrer eindrucksvollen Karriere spielt Isabelle Huppert eine unterkühlte und dadurch umso faszinierendere Frau. Benoît Poelvoorde fungiert indes als scharfer Kontrast zu Huppert, indem er das Proletentum seiner Figur mit reichlich Nachdruck ausführt: Alleine seine überbordende Gestik und Mimik, die dem Belgier immer wieder Vergleiche mit Louis De Funès („Brust oder Keule") einbringen, stehen in krassem Gegensatz zur Reserviertheit seiner strengen Kontrahentin. Hinzu kommen einige Klischees über Belgien und gelegentliche Ausflüge in den Klamauk, beispielsweise wenn Poelvoorde in bester Handwerker-Manier ein sogenanntes Bauarbeiter-Dekolleté präsentiert.

    Die nah an der Karikatur gebaute Figurenzeichnung beschwört zwar in immer neuen Variationen die sozialen Gegensätze zwischen den Protagonisten. Über etliche Reibungsflächen aber findet Fontaine letztlich den Weg zur romantischen Komödie. Agathe und Patrick nähern sich allmählich einander an und so entfaltet sich eine Liebesgeschichte, in der beide voneinander beeinflusst werden. Weil Agathes Ehemann die Entfremdung seiner Frau ebenfalls erkennt, beginnt er in einer Nebenhandlung eine Affäre und ebnet den Weg für die romantischen Gefühle zwischen Patrick und seiner Frau.

    Fazit: In „Mein liebster Alptraum" überträgt Anne Fontaine den bereits im Titel festgeschriebenen Kontrast auf ihre Hauptdarsteller. Mit überspitzten Figuren karikieren Isabelle Huppert und Benoît Poelvoorde soziale Schichtungen und spielen dabei so engagiert, dass der pointierte Film trotz Längen im Mittelteil gut unterhält.

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