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    Glückliche Fügung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Glückliche Fügung
    Von Ulf Lepelmeier

    In ihrem aufbrausenden Debütfilm „Erste Ehe" ließ Regisseurin Isabelle Stever noch zwei frisch Vermählte hitzig diskutieren und ihre Beziehung lautstark in Frage stellen. Auch in ihrem dritten Film „Glückliche Fügung" lenkt die Regisseurin ihren Blick wieder auf eine problembehaftete Beziehung, doch diesmal gibt sich das durch eine unerwartete Schwangerschaft verbundene Paar überraschend wortkarg. Die Fragilität des Glücks ist das zentrale Thema des in kalte Farben gehüllten Dramas, das nach Aussage Stevers als Horrorfilm im Stilgewand der Berliner Schule verstanden werden kann. Doch innerhalb der ruhig ablaufenden, tristen Alltagsgeschehnisse zieht die Spannungsschraube nur punktuell mal an. Zudem bleibt die Protagonistin mit unbekannter Vergangenheit eine nebulöse Figur, deren Probleme mit dem plötzlich eingetretenen Glück nie greifbar werden.

    Um den Jahreswechsel zu zelebrieren, geht Simone (Annika Kuhl) alleine aus und wacht am nächsten Morgen in einem Auto mit einem fremden Mann an ihrer Seite auf. Ohne ihn vorher zu wecken, schleicht Simone sich davon. Wenige Wochen später muss die 37-Jährige jedoch feststellen, dass sie schwanger ist. Wenig später trifft sie zufällig wieder auf Hannes (Stefan Rudolf), ihren Liebhaber aus der Silvesternacht. Ganz anders als erwartet, ist der junge Krankenpfleger über die ungeplante Schwangerschaft höchst erfreut und möchte mit Simone zusammenziehen. Überrascht von Hannes positiver Reaktion auf seine Vaterschaft stimmt Simone seinem Vorschlag zu und die beiden ziehen in ein renovierungsbedürftiges Haus im Grünen. Während Hannes im Krankenhaus arbeitet, versucht Simone das neue Heim herzurichten, doch schon bald kommen ihr Zweifel an der neuen Beziehung und dem vermeintlichen Glück...

    „Glückliche Fügung" beschreibt in kargen Bildern die Geschichte einer Frau, die nicht in der Lage ist, sich über die glückliche Wendung in ihrem Leben zu freuen, sondern stattdessen in eine innere Unruhe verfällt und anfängt, Beziehung sowie Schwangerschaft in Frage zu stellen. Regisseurin Isabelle Stevers („Deutschland 09") drittes Beziehungsdrama basiert wie ihr vorangegangener Film „Gisela" wieder auf einer Kurzgeschichte von Anke Stelling, wobei der trockene Humor der Vorlage in der Verfilmung stark zurückgefahren wurde, um die trist-ernsthafte Stimmung nicht zu verwässern. Stevers spielt in „Glückliche Fügung" mit den Erwartungen der Zuschauer und lässt immer wieder Konflikte aufbrechen, nur um diese dann schnell wieder ad acta zu legen und zur unaufgeregten Schilderung des Alltags zurückzukehren. Ihre distanzierte, kühle Inszenierung des Beziehungsdramas, in dem die Protagonistin mit ihrer Glück verheißenden Situation nicht umzugehen versteht und sich selbst beständig Hindernisse errichtet, erinnert dabei stark an die Berliner Schule. Die unfertig und nicht homogen erscheinenden Räumlichkeiten des neuen Hauses stellen dabei die innere Zerrissenheit Simones heraus und spiegeln ihre Unfähigkeit, über einen längeren Zeitraum zufrieden zu sein.

    Die verschlossene Protagonistin und deren Herkunft und Vorgeschichte bleiben bis zum Ende ein Mysterium. Annika Kuhl („Sonnenallee", „NVA") verkörpert die emotional versteinerte Protagonistin mit einem Gespür für feine Nuancen. Sie arbeitet Simones inneren Konflikt in Bezug auf die sie überfordernde Beziehung mit dem überfreundlichen Hannes gekonnt heraus und verleiht ihrer Figur, die in ihrer neuen Umgebung verloren wirkt, etwas Geheimnisvolles. Simones triste Kleidung und ihr schweigsames, distanziertes Wesen lassen nur darauf schließen, dass es das Leben mit ihr bisher nicht allzu gut meinte. Genauso unergründlich wie die verstörte Simone bleibt auch der Mann namens Herbert (Arno Frisch), der ihr immer wieder über den Weg läuft. Handelt es sich um einen Ex-Freund, ihren Bruder oder gar ihren Zuhälter?

    Auch die Beziehung zwischen Simone und Hannes bleibt stets vage und wenig glaubhaft. Während die Schwangere nie etwas über sich und ihre Vergangenheit preisgibt, stellt sie ihrem neuen Lebensgefährten äußerst direkte, intime Fragen, die Hannes dann auch ohne Umschweife beantwortet. Er stellt Simone jedoch keine einzige Gegenfrage. Eine ihm völlig unbekannte Frau wird von einem Moment auf den anderen zu seiner Freundin und zudem Mutter seines Kindes, aber Hannes hinterfragt absolut nichts und scheint überhaupt nicht zu bemerken, dass Simone trotz seiner Fürsorge und Freundlichkeit stets einen gequälten Gesichtsausdruck aufsetzt und extrem unglücklich wirkt. Zudem scheint ihm völlig zu entgehen, dass Simone keinerlei Gefühle für ihn oder das noch ungeborene Kind zu entwickeln scheint. Die Figur des Hannes wirkt in ihrem Verhalten schlicht einfältig, geradezu blauäugig.

    Fazit: Die innere Unruhe der Hauptfigur weiß Regisseurin Isabelle Stever in „Glückliche Fügung" in karg-unterkühlten Bildkompositionen behutsam einzufangen, trotzdem vermag die Schilderung der ungewöhnlichen Beziehung nicht zu fesseln. Die sich anbahnenden Konflikte und Krisensituationen verlaufen beständig ins Leere und aufgrund der Fülle an zurückgehaltenen Informationen verliert der Betrachter irgendwann das Interesse an dem schweigsamen Paar, dessen Emotionen genauso undurchschaubar erscheinen wie das unheilvoll-gequälte Lächeln der Protagonistin.

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