Mein Konto
    Zettl - Unschlagbar charakterlos
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Zettl - Unschlagbar charakterlos
    Von Christoph Petersen

    Die Serie „Kir Royal" mit Franz-Xaver Kroetz als Münchner Klatschreporter Baby Schimmerlos war bei ihrer Ausstrahlung 1986/87 zwar nicht gerade ein Straßenfeger, aber bei der Kritik kam die satirische Abrechnung mit der Münchner Schickeria hervorragend an. In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten erlangte die sechsteilige Reihe zunehmend Kultstatus, weshalb es sich Serienschöpfer Helmut Dietl auch nicht nehmen ließ, rechtzeitig zum 25-jährigen Jubiläum eine Kino-Fortsetzung des TV-Stoffes zu drehen. Statt Franz Xaver Kroetz versucht sich nun Michael „Bully" Herbig als Boulevard-Reporter, dem kein Eisen zu heiß und keine Story zu schmierig ist. An der Seite des „Der Schuh des Manitu"-Stars agieren die alten „Kir Royal"-Recken Dieter Hildebrandt als inzwischen an den Rollstuhl gefesselter Fotograf Herbie Fried und Senta Berger als Baby Schimmerlos‘ Witwe Mona. Leider muss Regisseur Helmut Dietl („Vom Suchen und Finden der Liebe") aber nicht nur auf seinen einstigen Hauptdarsteller verzichten, auch sein satirischer Biss scheint ihm inzwischen abhandengekommen zu sein – und so entpuppt sich „Zettl" als zwar stargespickte, aber durchweg zahnlose Ensemble-Komödie.

    Der Schweizer Milliardär Urs Doucier (Ulrich Tukur) will in Berlin eine Zeitung im Stil des US-amerikanischen Kulturmagazins The New Yorker (subtil betitelt als: The New Berliner) verlegen und hatte sich dafür eigentlich den legendären Klatschreporter Baby Schimmerlos als Chefredakteur ausgeguckt. Doch der ist mit seinem Motorrad gegen eine Säule des Brandenburger Tors gerast und tödlich verunglückt. Bei der Suche nach einem neuen Kandidaten wird Doucier bei seinem eigenen Chauffeur fündig: Max Zettl (Michael „Bully" Herbig) kennt schließlich alle Stars, aber keinerlei Skrupel. Auf der Jagd nach auflagenträchtigen Skandalen hat Zettl im Berliner Politikgeschäft schnell Erfolg: Der alkoholkranke Bundeskanzler (Götz George) liegt zwar im Sterben, gibt in der Tagesschau aber vor, auf Capri Urlaub zu machen. Und die Berliner Bürgermeisterin Veronique von Gutzow (Dagmar Manzel) ist womöglich gar keine Frau, sondern ein Mann – wohl auch ein Grund dafür, warum Doucier so sehr in sie verschossen ist. Der versucht jedenfalls mit allen Mitteln zu verhindern, dass sein neuer Chefredakteur die Story über die wahre Identität der Bürgermeisterin veröffentlicht...

    „Zettl" bietet Skandale im Minutentakt, aber niemanden interessiert‘s. Selbst als der Bundeskanzler stirbt, verdrückt zwar seine Geliebte Verena (Karoline Herfurth) kurzzeitig ein paar Tränen, aber davon abgesehen, lässt es alle kalt. Wenn es aber schon die handelnden Personen im Film nicht tangiert, warum sollte sich dann der Zuschauer drum scheren? Dietl lässt jegliche Haltung zum Geschehen und zu den Figuren vermissen: Nicht einmal bei Zettl ist man sich am Ende sicher, ob man ihn nun für seine Skrupellosigkeit verachten oder für seine Chuzpe bewundern soll – und das hat nichts mit Ambivalenz zu tun, das ist die reine Beliebigkeit. Egal was passiert, nichts hat ernsthafte Konsequenzen. Auf diese Art kann ein Film zumindest emotional gar nicht funktionieren. Aber vielleicht muss er das ja auch gar nicht, schließlich ist „Zettl" in erster Linie eine Persiflage, die den Berliner Polit- und Medienzirkus durch den Kakao ziehen will. Und in Zeiten von Bundespräsident Christian Wulff und BILD-Chefredakteur Kai Diekmann kann das ja so schwer nicht sein. Aber auch auf dieser Ebene versagt „Zettl" kläglich. Statt bissiger Satire gibt es allzu offensichtliche Scherze (ein Ministerpräsident lässt sich von Mädchen aufs Zimmer eskortieren, ganz was Neues), von denen viele wirkungslos verpuffen und die übrigen den Zuschauer peinlich berühren.

    Auch mit dem Wechsel des Handlungsorts von der Quasi-Hauptstadt der 80er, München, in die offizielle Hauptstadt Berlin hat sich Helmut Dietl keinen Gefallen getan. Wo „Kir Royal" noch einen guten Schuss ehrlicher Sentimentalität und die ganz eigene Atmosphäre der Münchner Schickeria verströmte (was nur jemand hinbekommt, der selbst Teil von ihr ist), haben sowohl der Regisseur als auch sein namhafter Drehbuchschreiber Benjamin von Stuckrad-Barre offenbar keinen blassen Schimmer, wie Berlin im Jahr 2012 so tickt. Stattdessen gibt es halbgare Klischees: Da wird Zettls Redaktion von unfähigen Punks mit Irokesenschnitt bevölkert und sein Auto lässt man nachts am besten von Kampfhunden bewachen. Das ist nicht lustig und erst recht keine treffende Satire, sondern Humor aus der Mottenkiste. Da kann dann auch die für Dietl-Komödien typische Flut prominenter Gaststars nichts ausrichten, was auch daran liegen mag, dass Ulrich Tukur („Das Leben der Anderen"), Harald Schmidt („Das Traumschiff") und Co. offensichtlich in erster Linie daran gelegen ist, sich gegenseitig im exzessiven Einsatz ihrer für den Witz des Film vollkommen unerheblichen Dialekte zu übertreffen.

    Fazit: Besser nicht anschauen und lieber weiterhin die kultige 80er-Jahre-Serie „Kir Royal" in guter Erinnerung behalten.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top